In Mali spitzt sich nach dem Militärputsch die Lage zu: 90 000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen auf der Flucht. Weil die Nachbarländer Wirtschaftssanktionen verhängt haben, stehen Menschen vor Banken und Tankstellen Schlange. Darüber hinaus droht dem westafrikanischen Land die Spaltung. Tuareg-Rebellen und dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende Rebellen würden nahezu den gesamten Norden kontrollieren, sagte UN-Unterstaatssekretär Lynn Pascoe am Dienstag nach Angaben von Diplomaten in New York.
Eine islamistische Gruppe, die gemeinsam mit Tuareg-Rebellen für die Unabhängigkeit von Nord-Mali kämpft, will in der historischen Stadt Timbuktu die islamische Rechtsprechung Scharia einführen. Einwohner sagten am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa, die Gruppe habe Radiostationen aufgefordert, keine internationale Musik mehr zu spielen. Zudem sollten Frauen keine Hosen, sondern nur noch Röcke und Kleider tragen.
Entschlossene Reaktion nötig
Frankreich forderte am Abend ein entschlossenes Auftreten der internationalen Gemeinschaft gegenüber der „islamistischen Gefahr“ und sprach sich für eine neue Erklärung des UN-Sicherheitsrats aus. „Manche Rebellen könnten sich mit der Kontrolle über die Gebiete im Norden zufriedengeben. Andere könnten zusammen mit der Al-Kaida im islamischen Maghreb eine Eroberung aller Gebiete Malis planen, um dort eine islamistische Republik zu errichten“, sagte Außenminister Alain Juppé der Nachrichtenagentur AFP. Die derzeit Timbuktu kontrollierende Gruppe „Ansar Dine“ sei eng mit dem nordafrikanischen Ableger der Terrororganisation verknüpft.
Weltkulturerbe in Gefahr
Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen zeigte sich höchst besorgt über die möglichen Auswirkungen der Kämpfe auf Timbuktu, das zum Weltkulturerbe zählt. Die unter Schutz stehenden Moscheen, Mausoleen und Friedhöfe müssten unter allen Umständen erhalten bleiben, ließ Unesco-Chefin Irina Bokowa in Paris mitteilen.
Die Rebellen hatten am vergangenen Wochenende zunächst die Städte Gao und Kidal eingenommen und waren dann in Timbuktu eingedrungen. In 60 privaten Bibliotheken beherbergt die Stadt die größte Handschriftensammlung Westafrikas. Viele Manuskripte sind bis heute nicht digitalisiert. Es kam zu schweren Plünderungen in der Stadt.
Rebellen wollen Norden abspalten
Die Gruppe „Ansar Dine“ kämpft gemeinsam mit Tuareg-Rebellen der MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad) für eine Abspaltung des Nordens. Das Gebiet, das die Rebellen für sich beanspruchen, reicht von den Grenzen zu Algerien und Niger bis zum Fluss Niger, der außerhalb von Timbuktu verläuft.
Unterdessen wurde auch das SOS-Kinderdorf Socoura in der Stadt Mopti evakuiert. Die 140 Kinder und Mütter, die dort lebten, seien auf die beiden im Süden Malis liegenden SOS-Kinderdörfer aufgeteilt worden, teilte die Organisation in München mit. „Da Mopti eine strategisch wichtige Hafenstadt am Niger in der Mitte Malis ist, wird befürchtet, dass auch diese Stadt ins Visier der Rebellen gerät“, hieß es in der Mitteilung.
Armee zieht sich zurück
Die Armee Malis hatte sich weitgehend aus dem Norden zurückgezogen, nachdem sich am 22. März meuternde Soldaten in der Hauptstadt Bamako an die Macht geputscht und Präsident Amadou Toumani Touré gestürzt hatten. Die Aufständischen begründeten den Coup mit der Unfähigkeit der Regierung, die Tuareg-Rebellion unter Kontrolle zu bringen.
Am Montag hatten Nachbarländer den Putschisten schwere wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen auferlegt. Sie wollen die Junta in der Hauptstadt Bamako dazu bewegen, die Verfassung wiederherzustellen und die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung abzugeben. Am Dienstag reisten Junta-Mitglieder zu Gesprächen nach Nigeria. Ihnen sei klargemacht worden, dass man die Aufständischen nicht als neue Regierung anerkennen werde, sagte ein Sprecher des Außenministeriums.

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