In der Großregion Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen, Luxemburg und Wallonien sind Arbeitnehmer besonders mobil. Rund 213 000 pendeln täglich für ihren Job über eine Grenze – das ist ein Viertel aller europäischen Grenzgänger. «Diese Großregion ist wirklich einzigartig und eine Chance für Europa», sagte der französische Arbeitsmarktexperte Rachid Belkacem der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. «Viele Regionen in anderen Ländern können hier sehr viel von der Integrationspolitik lernen. Und selbst wenn nicht alles gut läuft, gibt es Fortschritte im Bereich der grenzüberschreitenden Kooperation.»
Der 54-jährige Wirtschaftswissenschaftler und akademische Direktor von der Universität Lothringen ist selbst das beste Beispiel dafür: Bis Ende des Monats ist er noch Gastdozent am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Auf die Frage, ob die Politik von der Forschung in Sachen «grenzenloser» Arbeit lernen könne, muss Belkacem nicht überlegen: «Auf jeden Fall!», sagt er.
Zukunftsvision fehlt
Seine Gastprofessur zu «grenzüberschreitenden Arbeitswelten» illustriere am besten, wie gut die Kooperation auf der Ebene der Hochschulen bereits laufe. Solche Gemeinsamkeiten wünsche er sich auch auf politischer Ebene. «Ich vertraue sehr in die Entwicklung der Großregion», sagte er. «Aber was dieser Großregion fehlt: Hier gibt es keine Zukunftsvisionen, keine konkrete Vorstellung, wie es weitergehen soll.» Ohne gemeinsame Ziele sieht er vor allem eine Gefahr: «Wenn hier keine Zukunftsvision gemeinschaftlich entwickelt wird, entsteht die Tendenz, dass die Regionen zueinander in Konkurrenz treten.»
Dabei biete die Großregion vor allem Chancen: «Es sind gerade die Unterschiede – wirtschaftliche, soziale und kulturelle – die eine Entwicklung ermöglichen», ist Belkacem überzeugt. «Diese Region ist wirklich ein Laboratorium für Europa.»
Die Pendlerströme sind sehr ungleich verteilt: Rund 80 Prozent aller Grenzgänger arbeiten in Luxemburg, die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf das Saarland und Rheinland-Pfalz. Nach Lothringen pendelt nur ein minimaler Anteil. Für den französischen Arbeitsmarktforscher spiegeln diese Pendlerströme «die wirtschaftliche Gesundheit der Staaten» wider.
Industrielle Krisen abfedern
Doch alle Länder könnten von dieser grenzüberschreitenden Arbeitswelt profitieren. «Es ist eine Ressource und eine Chance für die Großregion», so Belkacem. Zum einen ermögliche es, Fachkräftemangel wie in Luxemburg auszugleichen, zum anderen könne es große industrielle Krisen wie in Lothringen abfedern. «Die Arbeitslosenquoten der Großregion ist deutlich unter der Durchschnittsquote in Europa», betont der Wissenschaftler.
Die Zukunft der Region zwischen Mosel, Rhein, Maas und Saar mit rund elf Millionen Einwohnern sieht er optimistisch: «Die einzelnen Regionen müssen sich nur bewusst darüber werden, dass ein kollektives Ergebnis immer besser ist, als die Summe von lauter Einzelergebnissen. Und dass sie aus ihren Differenzen Vorteile ziehen können», meint Rachid Belkacem. «Aber das werden sie schaffen.»
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