Techniker im Atomkraftwerk Fukushima haben in der Nacht zum Dienstag Meerwasser in den Reaktorblock 2 gepumpt. So sollen die heißen Brennstäbe gekühlt und die Gefahr einer Kernschmelze gebannt werden. Zuvor waren die Brennstäbe nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco 140 Minuten lang nicht im Wasser gewesen. Ursache war ein defektes Ventil des Reaktorbehälters. In Japan kämpfen Experten seit dem Erdbeben vom Freitag in mehreren beschädigten AKW gegen drohende Kernschmelzen.
Die Unfälle in Japans Atomkraftwerken müssen aus Sicht des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano nicht das Ende des weltweiten Wachstums der Nuklearbranche bedeuten. «Dieser Unfall aufgrund gewaltiger Kräfte der Natur ändert nichts an dem Fakt, dass wir eine stabile Energiequelle brauchen und etwas gegen den Klimawandel tun müssen», sagte der Japaner Amano am Montag vor Journalisten in Wien. Auch wenn man davon für die Zukunft lernen müsse, sei die Ursache des Unfalls weder menschliches Versagen noch falsches Design. Nach Angaben der IAEA interessieren sich momentan weltweit 60 Staaten dafür, Atomkraft neu bei sich einzuführen.
Auch die USA haben trotz der dramatischen Ereignisse um das japanische Atomkraftwerk Fukushima Vertrauen in die Sicherheit ihrer Atommeiler. Das versicherten Regierungsvertreter am Montag. Zugleich wiesen sie den Ruf mehrerer Kongressmitglieder nach einem Moratorium beim Bau neuer Kernkraftwerke zurück.(dpa)
Am Haupttor des Kraftwerks Fukushima Eins stieg die Strahlung am Abend mit 3130 Mikrosievert pro Stunde auf das Doppelte des zuvor gemessenen Maximums – die in Japan für ein Jahr zulässige Strahlenbelastung für eine Person wäre da schon in 20 Minuten erreicht. Bei einer Röntgenaufnahme des Oberkörpers fallen etwa 80 Mikrosievert an. Die Behörden begannen mit dem Verteilen von 230.000 Einheiten Jod an die Notunterkünfte in der Umgebung von Fukushima, um möglichen Strahlenschäden vorzubeugen.
Drei Reaktoren bedroht
Insgesamt droht in drei Reaktoren des 260 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegenen AKW Fukushima Eins eine Kernschmelze, wie die Regierung am Montag einräumte. Bei einer zweiten Explosion wurde ähnlich wie am Samstag ein Gebäude zerstört – nach Block 1 war diesmal Block 3 betroffen.
Sieben Arbeiter wurden verletzt, fünf von ihnen verstrahlt, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Nach Informationen von Greenpeace enthält der Reaktor 3 das besonders gesundheitsgefährdende Plutonium. Der Reaktor selbst blieb nach Angaben der Behörden intakt.
Keine Kernschmelze?
Nach Informationen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) konnte eine Kernschmelze bislang vermieden werden. IAEA-Experte James Lyons sagte am Montag in Wien, die Situation sei aber dynamisch und könne noch nicht abschließend bewertet werden. Japan bat die IAEA nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo um die Entsendung von Experten.
Bei einer Kernschmelze könnte der Druckbehälter beschädigt und hochgradig radioaktives Material aus dem Reaktor-Inneren freigesetzt werden. Deshalb sei es außerordentlich wichtig, die Brennstäbe möglichst schnell wieder abzukühlen, betonte Sven Dokter von der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit im dpa-Gespräch. Bei einer vollständigen Kernschmelze mit extrem hohen Temperaturen und hohem Druck sei nicht auszuschließen, dass sich die heiße Masse durch den Boden des Druckbehälters fresse. Treffe sie später auf Grundwasser, könnte es zu einer verheerenden Dampfexplosion kommen.
Hilfsaktion gestoppt
Die US-Marine setzte den Hilfseinsatz ihrer Schiffe vor der japanischen Küste wegen einer leichten Verstrahlung vorübergehend aus. In der Umgebung, an Hubschraubern und bei ihren Besatzungsmitgliedern sei eine geringe Dosis Radioaktivität festgestellt worden, teilte die US-Marine mit. Der Flugzeugträger «USS Ronald Reagan» und andere Schiffe der Siebten Flotte seien abgedreht, um nicht mehr dem Wind aus Richtung Fukushima ausgesetzt zu sein. In der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) nahm das US-Militär die Aktion dann wieder auf.
Im AKW Tokai versagte eine von zwei Pumpen für das Kühlsystem. Die Anlage steht nur rund 120 Kilometer nordöstlich von Tokio.
Kritischer Dienstag
Beim Wetter könnte der Dienstag für Japan ein «kritischer Tag» werden, sagte der Meteorologe Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst (DWD). In der Nacht zum Dienstag und im Laufe des Tages drehe der Wind aus West in nördliche bis nordöstliche Richtung. Der Nordwind könnte radioaktive Substanzen vom Atomkraftwerk Fukushima in die Millionen-Metropole Tokio transportieren.
Etliche Firmen in Japan müssen nach dem schweren Erdbeben ihre Produktion stoppen. Nun wird auch der Strom immer knapper. Bis in der Industrie wieder normal gearbeitet werden kann, werden Tage vergehen – oder Wochen. Der japanische Stromversorger Tepco begann regional – wie im Großraum Tokio – den Strom abzuschalten. Das Unternehmen befürchtet Engpässe von bis zu 10 Millionen Kilowatt an Werktagen. Japan bezieht etwa ein Drittel seines Stroms von Atomkraftwerken. Strom wird in Japan in den nächsten Tagen noch knapper, nachdem die Reaktoren in Fukushima, Onagawa und Tokai wurden abgeschaltet wurden.
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