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Drei Tote, hunderte Verletzte

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Im Zieleinlauf explodieren die Bomben: Tödliche Anschläge treffen den Boston Marathon. Die USA werden an das Trauma des 11. September 2001 erinnert. Der Präsident kündigt an, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Ziellinie beim Marathon ist eigentlich ein ein Ort des Jubelns, doch in Boston verwandelten sich die letzten Meter der Laufstrecke in ein blutiges Chaos. Mindestens drei Menschen starben und weit über 100 wurden am Montag verletzt, als fast gleichzeitig zwei Explosionen die traditionsreiche Sportveranstaltung in der US-Ostküstenstadt erschütterten.

Auch wenn die genauen Umstände noch unklar sind – die Bilder von dichtem Rauch, schreienden Passanten und hektischen Rettungskräften weckten in den USA das nationale Trauma der Anschläge vom 11. September 2001.

Wusste die Polizei von der Bombendrohung?

Lokalen Medien zufolge wurden an den Start- und Ziellinien Sprengstoffspürhunde gesehen. Ein Zeuge will dem Local15TV.com zufolge gehört haben, wie über Lautsprecher mitgeteilt wurde, es handele sich beim Einsatz der Spürhunde bloss um Übungen. Es bestehe kein Grund zur Sorge. Zuschauern soll aufgefallen sein, dass die Sicherheitsmaßnahmen bei diesem Lauf außergewöhnlich hoch gewesen seien.

Als Präsident Barack Obama gut drei Stunden nach den Detonationen vor die Kameras trat, vermied er es zwar, das
Wort «Terrorismus» in den Mund zu nehmen. Außerdem warnte er davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Doch in Obamas Auftritt schwang jene Entschlossenheit mit, mit der Politiker in den USA immer seit dem 11. September 2001 Terrorgefahren entgegentraten. «Wir werden herausfinden, wer das getan hat und warum sie das getan haben», sagte der Präsident mit ernster Miene. «Jedes verantwortliche Individuum, jede verantwortliche Gruppe wird das volle Gewicht der Justiz zu spüren bekommen.»

«Klarer Terrorakt»

Unter dem Mantel der Anonymität scheuten sich Vertreter des Weißen Hauses nicht, von Terrorismus zu sprechen. Ein ranghoher Mitarbeiter Obamas sagte, dass «jedes Ereignis mit mehreren Sprengsätzen – wie offenbar dieses – ein klarer Terrorakt» sei.

Auch im Kongress wurde schnell die Möglichkeit eines Anschlags erwogen. Senatorin Susan Collins sagte etwa, die Explosionen «tragen alle Kennzeichen einer Terrorattacke».

Kurz nachdem die Explosionen im Abstand von nicht einmal 15 Sekunden die Zuschauerzonen vor dem Zieleinlauf
verwüstet hatten, schalteten die USA reflexartig in den Terrorabwehr-Modus. Am Bostoner Flughafen wurde der Verkehr vorübergehend eingestellt, in New York und anderen großen Städten des Landes erhöhten die Behörden umgehend die Sicherheitsvorkehrungen. Der Secret Service sperrte den Touristenbereich vor dem Weißen Haus in Washington ab.

Ermittler zurückhaltend

«Tödliche Terrorattacke beim Bostoner Marathon», blendete der Nachrichtenkanal CNN ein. Die Ermittler waren dagegen zurückhaltend. «Das sind strafrechtliche Ermittlungen und mögliche Terrorermittlungen», sagte der leitende Agent der Bundespolizei FBI, Rick DesLauriers, bei einer Pressekonferenz. Einzelheiten nannte er mit Verweis auf «laufende Ermittlungen» nicht. Das FBI will offenkundig Schnellschüsse vermeiden – denn spätestens seit dem 11. September 2001 ruft ein Anschlag
auf dem Staatsgebiet der USA unweigerlich Spekulationen über eine mögliche Drahtzieherschaft des Terrornetzwerks Al-Kaida oder verbrüderter Gruppen hervor.

Die Attacke mit fast 3000 Todesopfern, bei denen Al-Kaida-Anhänger das einst stolze World Trade Center in New York mit gekaperten Passagierflugzeugen zum Einsturz brachten, hat sich tief in die kollektive Psyche des Landes eingegraben.

Furcht vor erneutem Anschlag

Das Jahrzehnt nach 9/11 war geprägt vom Krieg gegen den Terrorismus in der Ferne und der Furcht vor einem erneuten
Anschlag an der Heimatfront. Mehrfach entgingen die USA einem Attentat. Besonders knapp war es etwa beim sogenannten Unterhosenbomber, der an Weihnachten 2009 fast ein Passagierflug über Detroit sprengte, und bei dem vereitelten Autobomben-Anschlag im Mai 2010 am New Yorker
Times Square. Doch nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden vor zwei Jahren nahm die Terrorangst in den USA
nach und nach ab.

Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, hält nun eineTerrorattacke in Boston für wahrscheinlich – es wäre der schwerste Anschlag auf US-Boden seit dem 11. September 2001. Allerdings sei unklar, ob es sich bei den Tätern um eine ausländische Terrorgruppe handele, sagte Feinstein. Denn die USA haben auch eine Tradition des Inlandsterrorismus: Im April 1995 sprengte der Armeeveteran Timothy McVeigh ein Gebäude von Bundesbehörden in Oklahoma City in die Luft, 168 Menschen kamen ums Leben. Angetrieben wurde er offenbar vom Hass auf
die Regierung in Washington.