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Die Finanzwelt sucht den Schulterschluss

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Die Konkurrenz soll der Zusammenarbeit weichen. Europas Finanzzentren suchen die Kooperation. Die Gründe: Zum einen die Globalisierung zum anderen der Regulierungsdruck.

„Von aussen gesehen, sind wir Europa, also eine Einheit. Von innen gesehen haben wir eine Vielzahl von gleichartigen Organisationen, die sich Konkurrenz machen“, sagt Dr. Wolf Klinz, Abgeordneter im Europäischen Parlament. Klinz sitzt auf dem Podium im Veranstaltungssaal der Bayrischen Landesvertretung in Brüssel. Neben ihm mächtige Investoren wie die Europachefin von Allianz Global Investors, Elizabeth Corley, oder der Chefvolkswirt der Forschungsabteilung des mächtigen spanischen Finanzinstituts BBVA oder auch Edouard Francois de Lencquesaing, der den Finanzplatz Paris vertritt.

Sie alle sind in ihren Ländern an verschiedenen Finanzplätzen Vertreter ihrer Zunft. Sie alle sind daran gewöhnt, den anderen argwöhnisch zu beobachten. Sie alle haben begriffen, dass dies in der Zukunft nicht mehr so weiter gehen kann. Warum, spricht der EU-Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen Michel Barnier deutlich an: „Fünf Jahre nach der Krise ist die Situation fragil. Wie so gut wie kein Wachstum, eine hohe Arbeitslosigkeit mit 22 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Für Unternehmen ist es schwer Finanzierungen zu finden.“

Banken-Union und Wachstum

Barnier sieht jetzt allerdings einen Hoffungsschimmer. „Die Politik“, so sagt er vor einem voll besetzten Saal von Finanzfachleuten, „hat nun eine Agenda: Wir werden die Bank-Union schaffen, wir wollen Wachstum unterstützen, wir wollen eine reale Union im Finanzbreich schaffen.“ Die einzelnen Finanzzentren in den Ländern hätten dabei die Aufgabe, die Bedürfnisse der Wirtschaft zu definieren und sie zu unterstützen. Die Schlüsselaufgabe des EU-Marktes sei, die Wirtschaft zu unterstützen, Chancen zu sehen und an ihren Verwirklichungen mitzuwirken. Finanzzentren hätten dabei die Aufgabe, den Sektor zu stabilisieren.

Barnier: „Die EU steht am Ende einer der größten Finanzkrisen, die durch Lücken in der Regulierung der Finanzmärkte und durch mangelnde Überwachung entstanden ist. Wir brauchen nun Reformen und Regeln für die Europäische Union. Die europäische Union wird die Vorgaben der G-20 Gipfel erfüllen.“ Zugleich aber müsse man nachhaltiges Wachstum erzielen. Barnier kündigte ein „green paper“ für das Ende des Jahres an und auch, dass das Europa Parlament sich in der kommenden Woche mit diesen Fragen beschäftigen werde.

Das zukünftige europäische Finanzsystem

Kommissar Barnier konnte in diesem Sommer keinen Urlaub machen. Die Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Juni Gipfel die Leitlinien für ein zukünftiges europäisches Finanzsystem beschlossen und ihm aufgetragen, Vorschläge zur Umsetzung zu machen. Im Bereich der Bankenaufsicht gibt es bereits erhebliche Auseinandersetzungen, weil Barnier die Aufsicht aller 6.000 Banken in der EU der Zentralbank übertragen will. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Chefs der finnischen Zentralbank wird ihre Vorschläge in der kommenden Woche vorstellen.

Die nationalen Finanzplätze wie Frankfurt, München, Paris, Stockholm, Edinburgh, London, Madrid und Luxemburg verstehen sich bisher als Promoter und auch Lobbyisten zum Schutz und zum Ausbau ihrer eigenen Finanzwelt. Es hat zwar fünf Jahre gedauert und einer Eurokrise bedurft, bis die europäische Politik tatsächlich zur Sache schreitet, aber nun begreifen die Finanzplätze, dass Kooperation tatsächlich nötig wird. Barnier verdeutlicht seit Wochen, dass er ernst macht. Also organisiert sich das Lobbying. Es macht tatsächlich im globalen Rahmen wenig Sinn, dass ein Finanzplatz München sich mit 600 gelisteten ETF Fonds vorstellt und auf einen Handel mit 3.100 Fonds verweist.

Europäische Fondsorganisation als Ansprechpartner

Barnier denkt in anderen Kategorien, verweist auf das Label UCITS Fonds und hat als Ansprechpartner die europäische Fondsorganisation. In der Konsequenz haben sich daher die Finanzplätze zu einer Kooperation entschlossen, die allerdings in ihren Einzelheiten noch nicht deutlich wurde. Die Eröffnungsveranstaltung des „Runden Tisches der Finanzzentren“ am Donnerstag in der Bayrischen Landesvertretung in Brüssel war ein Auftakt. Deutlich wurde allerdings eine nicht unbekannte Argumentationslinie. „Regulierung ja. Jede Regel hat in sich einen Sinn. Aber wo liegt die Auswirkung des gesamten Regelwerks. Ist es in sich sinnvoll?“, fragt der Parlamentarier Klinz. Die Frage, so erzählt er, habe er vor einiger Zeit Kommissar Barnier gestellt. Auf eine Antwort warte er noch. Er wird warten müssen. Derzeit ist in der europäischen Finanzwelt nicht die Zeit für Fragen, sondern für Aktion ausgebrochen. Die aber führt nicht überall zu Begeisterung zeigte sich beim abschließenden Empfang in den Gesprächen bei fränkischem Silvaner.

«Das Ziel ist der Europäische Finanzplatz»

Luxemburg nimmt an dieser Veranstaltung mit der Organisation „Luxembourg for Finance» teil. Deren Generaldirektor Fernand Grulms sieht in der Teilnahme an dieser Kooperation eine deutliche größere Visibilität für Luxemburg. Grulms: „Die Einladung wurde aus Madrid an uns herangetragen. Das Endziel ist die Schaffung des Europäischen Finanzplatzes. Und das ist eine gute Sache. Wir wollen „Finance made in Europe» nach draußen tragen. Das tut Luxemburg auf nationaler Ebene schon. Und letztlich gibt es einen anderen Gesichtspunkt: Wenn die Großen wie London, Frankfurt, Paris an einem Tisch sitzen und Luxemburg ist nicht dabei, dann ist das nicht gut für uns“.

Helmut Wyrwich, Brüssel/Tageblatt.lu)