Seit Tagen reichen sich im Nahen Osten westliche Diplomaten die Klinke in die Hand. Am Mittwoch reisten die US-Gesandten Dennis Ross und David Hale in die Region, wie vor ihnen die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, der frühere britische Premierminister Tony Blair und der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle. Sie alle hatten ein Ziel: Die Palästinenser sollen ihren Antrag auf Aufnahme als 194. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen fallen lassen, damit der komatöse Nahost-Friedensprozess nicht endgültig kollabiert.
Die Chancen sind gering. Der palästinensische Außenminister Riad Malki sagte am Donnerstag in Ramallah, man werde am Freitag kommender Woche beim UNO-Sicherheitsrat die vollberechtigte Mitgliedschaft als selbstständiger Staat beantragen. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen, die Palästinenser könnten bei der Vollversammlung auch den geringeren Status eines «beobachtenden Nicht-Mitgliedstaats» beantragen. Heute haben sie einen einfachen Beobachterstatus, ähnlich wie ein Hilfswerk.
USA fürchten Imageschaden
Riad Mansour, der Gesandte bei der UNO, sagte am Donnerstag, man werde «in den nächsten Tagen entscheiden, welchen Weg wir beschreiten wollen». Die Palästinenser haben die Nase voll von einem «Friedensprozess», der keiner mehr ist. Die Einigung mit Israel auf eine Zwei-Staaten-Lösung liegt in weiter Ferne. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas strebt deshalb im Alleingang die staatliche Anerkennung in den Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 an, also mit Westjordanland, Gazastreifen und Ost-Jerusalem.
Westliche Länder wollen einen solchen einseitigen Schritt unbedingt vermeiden, allen voran die USA. Präsident Barack Obama bezeichnete das Vorhaben als «kontraproduktiv». Das Veto im Sicherheitsrat gilt als sicher – im Hinblick auf das Wahljahr will die US-Regierung keinen Konflikt mit Israel riskieren. Gleichzeitig will sie eine Abstimmung jedoch vermeiden. In der arabischen Welt, mit der Obama eigentlich einen Neuanfang schaffen wollte, wäre ein Veto gegen den palästinensischen Aufnahmeantrag ein schwerer Imageschaden.
Israel droht mit Konsequenzen
Die Europäische Union ist in dieser Frage gespalten. Frankreich und Großbritannien tendieren zu einer Anerkennung, Deutschland lehnt sie ab. EU-Diplomaten bemühen sich deshalb um einen Kompromiss, der den Status der Palästinenser bei der UNO aufwerten würde, ohne ihnen die volle Mitgliedschaft zu gewähren. Gleichzeitig sollen gemäss der Nachrichtenagentur Reuters «Leitlinien» für neue Verhandlungen mit Israel erarbeitet werden. Catherine Ashton bemühe sich derzeit um eine entsprechende Paketlösung.
Die Skepsis jedoch ist groß, sowohl bei den Palästinensern wie bei den Israelis, schreibt die «New York Times». Die Regierung Netanjahu lehnt auch die Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat ab. Er würde es den Palästinensern ermöglichen, Israel wegen des Siedlungsbaus beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu verklagen.
In den letzten Tagen nahmen die Drohgebärden zu. Israels Außenminister Avigdor Lieberman warnte vor «harschen und gravierenden Konsequenzen», ohne diese näher zu erläutern. Sein Stellvertreter Danny Ayalon meinte am Donnerstag, Israel werde in diesem Fall alle bestehenden Verträge kündigen. Auch von einer Annexion israelischer Siedlungen im Westjordanland ist die Rede. Abgeordnete im US-Kongress wiederum drohten, die Finanzhilfe an die Palästinenserbehörde von jährlich rund 500 Millionen Dollar zu streichen.
Hamas lehnt Antrag ab
Hinzu kommt, dass die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas den UNO-Antrag ebenfalls ablehnt, da er faktisch auf eine Anerkennung der Grenzen Israels hinausläuft. Die Hamas will davon nichts wissen. Doch Präsident Mahmud Abbas hat kaum eine andere Wahl, als bis zum (bitteren?) Ende zu gehen. Die Internationale Crisis Group warnte gemäss dem «Guardian», ein Rückzug des Gesuchs würde die ohnehin schwache Position von Abbas weiter untergraben, «seine Feinde stärken und Unruhen im Volk auslösen».
Den Sitz für die Vereinten Nationen haben sich die Palästinenser bereits selbst gezimmert. Es handelt sich um einen Stuhl aus Olivenholz mit himmelblauen Polstern. Er tourte seit Ende August durch die Welt und traf am Donnerstag am UNO-Hauptsitz in New York ein. Doch in der politischen Realität bleibt den Palästinensern ein Sitz als Vollmitglied wohl verwehrt.
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