Headlines

Der letzte Kampf der Hardliner

Der letzte Kampf der Hardliner

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Delegationen der Gewerkschaften Force Ouvrière, CGT und CFDT versuchen in Paris, das Ruder noch herumzureißen. Es ist der letzte Kampf der Hardliner für die Hochöfen von Florange.

Zwei Busse und eine Gruppe im TGV, insgesamt etwa 120 Demonstranten machten sich am Mittwoch früh auf den Weg nach Paris. Das Ziel: Die Übergabe von 30.000 Unterschriften an einen Berater des Präsidenten, die die Verstaatlichung des ArcelorMittal Stahlwerks Florange forderten. Zum Zeitpunkt der Abfahrt in Lothringen war der CFDT-Sekretär Edouard Martin in Paris schon tätig. Er wollte sich mit einigen Getreuen an einem Fenster des Sitzes des französischen Premierministers anketten. Die Polizei schritt ein und verhinderte dies. Die Stahlwerker hätten keinen Termin mit der Premierminister hieß es. Und dadurch, dass man sich an einem Fenster ankette, bekäme man auch keinen.

Es sind nicht mehr alle Gewerkschafter im Stahlwerk, die demonstrieren. Im Werk selbst zieht Realismus ein. Die Stahlarbeiter an den Walzstraßen wissen, dass die Brammen, die sie zukünftig walzen werden, aus Dünkirchen kommen werden und nicht aus den beiden Hochöfen, die stumm in Hayange stehen. Das genau will eine handvoll von Hardlinern aber nicht einsehen. Unter Führung des CFDT Sekretärs Edouard Martin behalten sie ihre Linie bei. Sie demonstrieren, blockieren Gleise der SNCF und behindern die Arbeit des Stahlwerks. In Florange wird der ultra-resistente Stahl hergestellt, der die neueste Erfindung für den Automobilsektor ist. Aus ihm werden die Mittelsäulen der Autos oder besonders sensible Teile des Autos, die mit diesem Stahl die Insassen schützen.

Kunde Daimler AG

Zu den Kunden dieses Stahls gehört die Daimler AG, die vor zwei Wochen eine dringendste Bestellung aufgegeben hatte. Der Stahl stand auf einem Eisenbahnwagen im Bahnhof von Ebange. Er wurde nicht ausgeliefert. Der Grund, einige Gewerkschafter blockierten den Bahnhof von Ebange und ließen nichts durch, weder als Auslieferung noch als Materialeingang, was für ArcelorMittal bestimmt war.

Davon betroffen waren nicht nur Kunden. Der Materialaustausch zwischen den Werken in den Ardennen und in Dudelange funktionierte nicht mehr. Die Kohle, um Koks herzustellen, ging zur Neige und bedrohte die Kokerei an sich. Mindestens zwei Züge mit Stahl nach Düdelingen wurden blockiert. Und Automobilhersteller aus Deutschland baten ArcelorMittal, nicht mehr aus Florange beliefert zu werden, und die Versorgungssicherheit wieder herzustellen. Das geht aus einer Unterlage des Vorstandes für eine Sitzung mit dem Betriebsrat hervor, die der Redaktion vorliegt. Die Aktionen der Aktivisten sollen den Konzern 200.000 Euro gekostet haben, heißt es in diesem Papier. So hätten auch die Walzstraßen unter der Blockade gelitten. Insgesamt seien etwa 50.000 Tonnen nicht bearbeitet worden, die zum großen Teil nicht wieder aufgeholt werden könnten.

Keine Einheitsfront

Aus der gewerkschaftlichen Einheitsfront, die gut 18 Monate für die Hochöfen gekämpft hatte, ist die Union der leitenden Angestellten seit November letzten Jahres längst ausgeschieden. Sie hatte die Vorstellungen der Nationalisierung für falsch gehalten und ein Argumentationspapier an den französischen Staatspräsidenten geschickt.

CGT, FO, CFDT aber mit ihren Sekretären glauben noch immer an die Verstaatlichung und wollten sie am Mittwoch in Paris wieder ins Spiel bringen. Die drei Gewerkschaften akzeptieren mit ihren lothringischen Sekretären nicht, dass der französische Premierminister Jean Marc Ayrault mit Lakshmi Mittal das Aus für die Hochöfen vereinbart hat. Sie akzeptieren nicht, dass ArcelorMittal beginnt, nach und nach die Vereinbarung zu verwirklichen. Was in Lothringen auf dem Spiel steht, ist die neue französische – als sozialdemokratisch – definierte Politik der Diskussion zwischen den Sozialpartnern. CGT, FO und CFDT verweigern sich der Diskussion.

Kredit verspielen

Die drei Gewerkschaften sind gleichzeitig dabei, ihren Kredit in der lothringischen Regionalpolitik zu verspielen. Der sozialistische Präsident der Region, Jean Pierre Masseret, hört neuerdings nicht auf, zu betonen, dass er brennende Reifen nicht mehr als Symbol für Lothringen gewertet wissen will. Ein Gespräch zwischen Masseret und Stahlwerkern verlief spannungsgeladen. Und der Präsident des Wirtschafts- und Sozialrates, Roger Cayzelle, dachte beim Neujahrsempfang der Region Lothringen laut darüber nach, ob das Glück der Region wirklich an zwei Hochöfen hinge. Hinter den Aktivisten steht noch – wohl eher gezwungenermaßen – der Bürgermeister von Florange, Chef der Sozialisten im Generalrat in Metz.

Philippe Tarillon versorgte die Blockade-Teilnehmer des Bahnhofs Ebange mit den „Galettes des Rois“ jenen traditionellen Blätterteig-Kuchen, mit Marzipan gefüllt, den man in Frankreich im Januar zum Dreikönigsfest isst. Aber auch Tarillon weiß, dass in Lothringen zehn Jahre Rekonversion vom Stahl zu anderen Industrien hin verpasst wurden und die beiden Hochöfen von Hayange/Florange dafür nur das Symbol sind.