Die Bänder machen deutlich, dass «Jackie» von so manchem Staatsmann und politischen Star ihrer Zeit nicht allzu viel hielt. John F. Kennedy sei bei dem Gedanken an einen möglichen Einzug seines Vizes Lyndon B. Johnson ins Weiße Haus «besorgt um das Land gewesen», zitiert der US-Fernsehsender ABC aus ihrem Gespräch mit dem Historiker Arthur Schlesinger von Anfang 1964. Das war wenige Monate nach der Ermordung John F. Kennedys, kurz «JFK» genannt. Über ihren Mann verliert die damals gerade 34-Jährige kein böses Wort.
Frankreichs Präsident Charles de Gaulle nennt sie in dem Interview einen «Egomanen», der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King – jetzt in Washington mit einem Denkmal geehrt – war für «Jackie» eine «Mogelpackung», der den Frauen nachstellte, wie die «New York Times» am Montag berichtete. Wenig schmeichelhaft war auch die Meinung des Präsidenten über einen seiner Amtsvorgänger, Franklin D. Roosevelt: «Scharlatan ist ein unfaires Wort», habe «JFK» nach den Worten seiner Frau einmal bemerkt. Der Kriegspräsident habe aber «eine Menge Effekthascherei betrieben».
«Zur rechten Zeit»
Jacqueline Kennedy hatte die Bänder mit achteinhalb Stunden Gesprächen ihrer Tochter Caroline hinterlassen und sie beauftragt, die Aufnahmen «zur rechten Zeit» zu veröffentlichen. Der US-Sender ABC widmet dem historischen Dokument an diesem Dienstagabend (Ortszeit/ 03.00 Uhr Mittwoch MESZ) eine zweistündige Sondersendung. Am Mittwoch soll das Interview zudem als Buch mit einem Vorwort von Caroline Kennedy veröffentlicht werden. «Jackie» Kennedy, die 1968 den schwerreichen griechischen Reeder Aristoteles Onassis heiratete, starb 1994 und hinterließ keine Memoiren.
Kein kritisches Wort verliert die junge Witwe über ihren Mann. «Sie berichtet von seiner Loyalität, seiner Empfindsamkeit und seinem Mut», berichtet die «New York Times». Zu seinen Seitensprüngen schweigt sie auch. Stattdessen erzählt Jacqueline Kennedy, dass der Präsident ein paar Mal in ihrer Gegenwart weinte – so nach dem Schweinebucht-Debakel, der gescheiterten Invasion Kubas 1961.
Ein gestörtes Verhältnis
Während der Kuba-Krise, in deren Verlauf es beinahe zu einem Atomkrieg mit der Sowjetunion gekommen wäre, bettelt «Jackie» ihn an, sie nicht wegzuschicken. «Ich will nur bei Dir sein, ich will mit Dir sterben, die Kinder auch – als ohne dich zu sein.»
Die Aufzeichnungen machen auch das «distanzierte und manchmal gestörte Verhältnis» Kennedys zu seinem Stellvertreter Lyndon B. Johnson deutlich, wie ABC weiter berichtet. «Er (John F. Kennedy) mochte die Idee nicht, dass Lyndon Präsident werden könnte», sagte Jacqueline Kennedy. In seinem innersten Zirkel habe es bereits früh Gespräche gegeben, wer nach dem Ende von Kennedys zweiter Amtszeit 1968 anstelle des Vizepräsidenten für die Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus ziehen könnte. Nach der Ermordung Kennedys rückte Johnson schließlich auf den Präsidentenposten nach.
«Eine kindische Angewohnheit»
Auch einige private Details ihres Alltags erwähnt «Jackie» in dem Interview: So etwa, dass der Präsident für sein dreiviertelstündiges Nachmittagsnickerchen im Weißen Haus in seinen Schlafanzug schlüpfte. Oder dass er sich für sein Nachtgebet, das nur wenige Sekunden dauerte, am Bettrand niederkniete. «Das war ein bisschen eine kindische Angewohnheit, ein bisschen wie Zähneputzen oder so etwas», erzählt sie. «Aber ich fand es so süß. Ich habe mich darüber amüsiert.»
Um die Bänder gab es vor wenigen Wochen Wirbel, nachdem eine britische Boulevardzeitung gemeldet hatte, in dem Interview komme eine Affäre Kennedys mit einer 19-jährigen Praktikantin im Weißen Haus zur Sprache und «Jackie» räume zudem eigene Seitensprünge ein. Zudem äußere die Präsidentenwitwe den Verdacht, Vizepräsident Johnson habe zusammen mit reichen texanischen Geschäftsleuten hinter dem Mordkomplott gesteckt. ABC hatte den Bericht zurückgewiesen.
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