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Bikini, Burkini, Zwickel – Bademode erregt Gemüter schon lange

Bikini, Burkini, Zwickel – Bademode erregt Gemüter schon lange
(afp)

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Was darf Frau am Strand tragen, und wer darf das entscheiden? Über Burkinis wird nicht nur in Frankreich hitzig gestritten. Bademode taugt zum Aufreger - seit mehr als hundert Jahren.

Der Jurist Franz Bracht nahm es genau mit guten Sitten. «Frauen dürfen nur dann öffentlich baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist.» Auch eine allzu erregende Rückenansicht ließ der Politiker der Weimarer Republik ausschließen: «Der Rückenausschnitt des Badeanzuges darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.»

Der sogenannte Zwickelerlass von 1932 amüsiert heute als Beispiel preußischer Prüderie und Reglementierungs-Wut. Aber er taucht auch im Zusammenhang mit dem Streit um Burkini-Verbote an Europas Stränden auf. Meist als Anlass für Spott: Früher konnte es nicht genug Stoff sein, in den 1950er und 1960er Jahren gab es Bikini-Verbote – nun soll das Gesetz zum Ausziehen zwingen. Das Thema bewegt weit über Frankreich hinaus, wo das oberste Verwaltungsgericht am Freitag ein Verbot für die Badebekleidung inklusive Haube gekippt hat.

Bademode erregt die Gemüter seit jeher

Manche sehen hinter der hitzig geführten Debatte um Hygiene, religiöse Symbolik und öffentliche Ordnung aber auch ein uraltes Muster im Geschlechter-Machtkampf. Etwa der französische Verein «Osez le féminisme», der für die Verschleierung muslimischer Frauen eigentlich nichts übrig hat. Im Burkini-Streit aber stellt er die Frage: «Warum verbietet man in diesem Fall dann nicht ALLE offen zur Schau gestellten religiösen Zeichen und nicht nur diejenigen, die ausnahmslos Frauen tragen?»

Es sei wenig überraschend, dass Frauen das Ziel der Verbotsbestrebungen seien, schreibt auch die Pulitzerpreis-Trägerin Kathleen Parker in der «Washington Post». «Oder dass Männer diejenigen sind, die darüber streiten, was Frauen mit ihren Körpern tun sollten.» Und zitiert Louise Rosine, eine Schriftstellerin, die in den 1920er Jahren in Atlantic City lieber ins Gefängnis gegangen sei, als ihre Knie mit Strümpfen zu bedecken: «Es ist geht sie verdammt nochmal nichts an.»

Man mag ihr recht geben oder nicht, Fakt ist: Was Badende am Leibe tragen, erregt die Gemüter seit jeher. Jenseits des Zwickelerlasses hätten vor allem Kommunen und einzelne Bäder Regeln aufgestellt, weswegen eine Übersicht schwierig sei, sagt Iris Hofmann-Kastner, die das Museum für Badekultur der Römerthermen Zülpich leitet.

Die Debatte ist noch lange nicht vorbei

Im 19. Jahrhundert sei die Standard-Badekleidung der Frauen aber «gar nicht so anders» als der Burkini gewesen: «Pumphose bis zum Fußknöchel und die Arme bedeckt, nur die Haare waren nicht verhüllt.» Später kamen Trikots in Mode, die Oberkörper und Oberschenkel zu bedecken hatten – auch für Männer übrigens. Denen waren Badehosen nur gestattet, wenn sie unter sich schwammen, nicht aber im Familienbad.

Wie viel Aufsehen Strand-Kleiderfragen im Jahr 2016 erregen können, haben auch die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro gezeigt. 2012 änderte der Volleyball-Weltverband FIVB die Kleiderordnung, nach der die Sportlerinnen einen Badeanzug oder Bikini zu tragen hatten, dessen Hose nicht breiter als sieben Zentimeter sein durfte. Dass aber Ägypterinnen ganz bedeckt antraten und eine sogar mit Kopftuch, war für manche Zuschauer dann doch viel interessanter als der Sport selbst. Der Gegensatz etwa zum deutschen Team in ziemlich knapper Arbeitskleidung war groß, das Echo im Netz und in den Medien auch.

Mit dem gekippten Burkini-Verbot in Frankreich ist die Debatte noch lange nicht vorbei. Es geht nicht nur um Haut oder nicht Haut, sondern auch um den Islam, Freiwilligkeit und Unterdrückung. Die Themen vermischen sich und haben mit einem Kleidungsstück einen angenehm konkreten Aufhänger – über Bademode regt man sich schließlich seit vielen Jahrzehnten gern auf.