Als drittes Land der Europäischen Union nach Griechenland und Irland hängt künftig auch Portugal am EU-Finanztropf. Der hochverschuldete Staat im Westen Europas, der finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, bittet um Unterstützung in noch unbekannter Milliardenhöhe. Experten gehen von 70 bis 80 Milliarden Euro aus. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicherte dem Land «schnellstmögliche» Hilfe zu.
Der geschäftsführende portugiesische Regierungschef José Sócrates hatte den Antrag des ärmsten Landes Westeuropas am Mittwochabend offiziell verkündet. Die Maßnahme sei «unvermeidbar» gewesen, sagte Sócrates. Portugal wäre sonst zu hohe Risiken eingegangen. Die finanzielle Lage des Landes habe sich nach der Ablehnung des Sparpakets der Minderheitsregierung durch die Opposition am 23. März «dramatisch verschlechtert».
Bis zu 250 Milliarden Euro
EU-Kommissionspräsident Barroso, einst portugiesischer Regierungschef, teilte am Mittwochabend in Brüssel mit, er habe «Vertrauen in Portugals Fähigkeit, die derzeitigen Probleme zu überwinden». Der Rettungsfonds EFSF könnte bis zu 250 Milliarden Euro an klamme Eurostaaten ausleihen. Im Gegenzug wird von dem Krisenstaat ein striktes Sparprogramm verlangt.
Eurostaaten mit schweren Finanznöten können seit dem vergangenen Jahr unter einen milliardenschweren Rettungsschirm schlüpfen und damit eine Pleite verhindern. Kernstück des Kriseninstrumentariums ist der Rettungsfonds EFSF in Luxemburg. Er gibt in einem Notfall an den Finanzmärkten Anleihen heraus und reicht das erlöste Geld an den klammen Staat weiter.
Hilfspaket
Bisher ist Irland das einzige Land, das den Rettungsfonds in Anspruch nimmt. Europäer und IWF schnürten im vergangenen November ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. Portugal ist nun das zweite Land des gemeinsamen Währungsgebiets, das nach Unterstützung fragt. Für Schuldensünder Griechenland wurde im vergangenen Jahr ein separates Paket mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt.
Die Bitte Portugals um Finanzhilfe kommt unmittelbar vor einem informellen Treffen der Finanzminister der 17 Staaten umfassenden Eurozone und der 27 EU-Staaten am Freitag und Samstag in Gödöllö bei Budapest. Bei dem Treffen dürfte der Fall Portugal ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Keine Mehrheit für Sparpaket
Die Regierung des portugiesischen Ministerpräsidenten Sócrates ist seit rund zwei Wochen nur noch geschäftsführend im Amt. Sócrates war am 23. März zurückgetreten, nachdem seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für ein Sparpaket gefunden hatte. Das galt aber als Voraussetzung dafür, dass Portugal sein Staatsdefizit wie versprochen in den kommenden Jahren wieder unter die erlaubte Marke von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken kann.
Ratingagenturen haben deshalb mehrfach die Kreditwürdigkeit des Landes gesenkt. Dementsprechend steigen die Zinsen, die Lissabon am Kapitalmarkt für neue Schulden zahlen muss, rapide. Bislang hatte die portugiesische Regierung die Möglichkeit eines Hilfsantrags stets zurückgewiesen und darauf hingewiesen, sie sei vor den Neuwahlen am 5. Juni auch gar nicht dazu befugt.
Und nun Spanien?
Die Reaktion der Märkte auf den Hilfsantrag hielt sich am Donnerstag in Grenzen. Als nächster Wackelkandidat gilt nun Spanien, allerdings sehen die wesentlichen ökonomischen Daten besser aus als in Portugal. Commerzbank-Analyst Weil sagte: «Wir sehen eine gute Chance, dass das Land ohne fremde Hilfe auskommt. Doch eine Garantie gibt es nicht.»
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