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Kognitive Dissonanz

Kognitive Dissonanz
(Alain Rischard/editpress)

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Wenn Wähler ihre Fehler nicht einsehen wollen

Trump, der Baby-Hasser. Vor nichts, aber auch gar nichts macht er halt. So liest sich eine Agenturmeldung über Trumps vermeintlich ernst gemeinte Aufforderung, ein weinendes Kleinkind des Saales verweisen zu lassen. Eigentlich kann einen nichts mehr überraschen mit Blick auf die Trump’sche Wunderkiste of „Bullshit“. Man schaut sich das Original-Video dann trotzdem lieber an. Das Ganze wirkt – trotz all der Provokationen – merkwürdig. Und tatsächlich: Donald Trump hat sich ein Späßchen erlaubt. Völlig harmlos. Es ist teilweise sympathisch. Nicht mehr und nicht weniger ist passiert. Und dennoch wird daraus ein Drama inszeniert. Selbst der brillante und scharfsinnige Komiker Stephen Colbert hat diese Szene kontextlos und unvollständig als Gag in seine gleichnamige Show aufgenommen. Schade.

Genau diese Form des Umgangs mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten verdeutlicht, weshalb mittlerweile immer noch sehr viele Menschen an Trump festhalten. Obschon sie langsam ein flaues Gefühl in der Magengegend verspüren, bleibt der Milliardär ihr Held und „Opfer der Angriffe“ des „Establishments“. Selbst seine Verbalattacke gegen die Eltern eines verstorbenen US-Soldaten scheint Trump langfristig nur bedingt Schaden zuzufügen. Wieso? Was geht in den Köpfen von Menschen vor, die nicht alle minderbemittelt sind, sich aber irrational verhalten? Was treibt Menschen um, die es eigentlich besser wissen (müssten) und dennoch „The Donald“ ihre bedingungslose Treue schwören?

Je mehr man darüber nachdenkt und den Wahlkampf aus einer langfristigen Perspektive analysiert, desto eher bleibt die Schlussfolgerung, dass sich bei vielen Wählern eine kognitive Dissonanz entwickelt hat. Sozialpsychologen verstehen vereinfacht ausgedrückt unter kognitiver Dissonanz, dass Menschen mit eindeutigen Fakten konfrontiert werden, die ihre eigene Meinung widerlegen. Um diesen psychologischen Widerspruch zu bekämpfen, versuchen sie, die Kluft zwischen ihrer eigenen Ansicht und den widersprechenden Fakten zu schließen. So wurden viele der Trump-Unterstützer über Monate mit Fox-News-Inhalten gefüttert und merken nun wahrscheinlich, dass die Trump-Berichterstattung ihnen viel Unsinn vorgegaukelt hat.

Der supererfolgreiche Trump mit den einfachen Lösungen entpuppt sich allmählich als Scharlatan. Egal. Potenzielle Trump-Wähler haben sich emotional stark an den Rechtspopulisten gebunden. Sie verhalten sich ähnlich wie Sanders-Unterstützer, die den „Bern“ so richtig fühlen wollten. Sie benehmen sich in ihrer politischen Unterstützung ähnlich impulsiv wie ihr Kandidat. Das ist unkompliziert und führt zu schneller und leichter emotionaler Belohnung.
Allerdings bewirkt die Bekämpfung der kognitiven Dissonanz, dass mittlerweile Fakten keine Rolle mehr im US-Wahlkampf spielen. Emotionen sind Trump(f). Dies ist auch in unseren Breitengraden der Fall. Stichwort: Brexit-Schmutzkampagne. Hinzu kommt, dass diese Form der politischen Feigheit kritisches Denken im Keim erstickt und dazu führt, dass sich Menschen nur noch stärker in ihrem eigenen Weltbild bestätigt sehen wollen. Bleibt die Frage, wie weit seine Jünger jeden noch so absurden Schwachsinn von Trump unterstützen, der ihren eigenen Ansichten eigentlich widerspricht, nur um dem „Establishment“ mal so richtig schön eins auszuwischen. Zieht niemand rechtzeitig die Reißleine, droht vieles aus dem Ruder zu laufen.