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Die Probleme der Kleinen

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Eine spannende Frage wurde letzte Woche in einer Konferenz aufgeworfen: Sind kleine Länder dazu verdammt, Steuerparadiese zu sein, wenn sie wirtschaftlich überleben wollen? Immerhin zählen viele kleine Länder zu den reichsten der Welt, und viele bekannte Steuerparadiese sind kleine Länder oder Inselstaaten … so zumindest die allgemeine Wahrnehmung.

Das Argument hinter dieser Überlegung ist klar: Die kleinen Länder haben Mängel wettzumachen. Oftmals fehlt es, neben dem eigenen Binnenmarkt, an Kapital für Investitionen oder an Fachkräften. Um zu wachsen, sind kleine Staaten gezwungen, auf ausländische Investoren zu setzen. Doch damit das klappt, muss das nationale Umfeld attraktiver sein als in den konkurrierenden Ländern. Niedrigere Steuern seien somit der einfache und logische Wettbewerbsvorteil für kleine Staaten, so das Argument.

Doch wie so oft ist die Wahrheit viel komplizierter als die Theorie. Niedrige Steuern allein reichen nämlich nicht aus, um ein Land attraktiv zu machen. Mindestens genauso wichtig sind eine gute Infrastruktur und politische Stabilität. Zudem entspricht das Gefühl, dass alle Steuerparadiese kleine Länder seien, nicht der Wirklichkeit. Wer sich den Geheimhaltungs-Index des Tax Justice Network anschaut, der stellt wohl fest, dass die Schweiz auf Platz eins liegt, die Kaimaninseln auf Platz drei und Luxemburg auf Platz sechs. Dem Beobachter könnte aber auch auffallen, dass die USA den zweiten Platz belegen und Deutschland den siebten.

Im Normalfall ist das wirtschaftliche Überleben für große Länder einfacher als für kleine. Wichtigster Faktor dabei ist, dass das große Land über einen eigenen Absatzmarkt für Produkte verfügt. Kleine Länder können zwar flexibler sein und schnell handeln – das nützt ihnen aber wenig, wenn es keinen Exportmarkt für ihre Produkte gibt. Und hier sind sie abhängig von Entscheidungen, die im Ausland beschlossen werden, etwa Importzölle auf Stahl.

Auch die Ratingagenturen werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die größten Risiken für die Luxemburger Wirtschaft (neue Regeln im Finanzbereich; volatile Finanzmärkte) im Ausland liegen. Und die Stimmrechte Luxemburgs sind da nun mal begrenzt.

Viele kleine Länder haben aus der Not eine Tugend gemacht. Sie haben sich, wie Luxemburg, einige sektorielle Nischen ausgesucht und sich der Weltwirtschaft geöffnet. Das geht so lange gut, bis ein großes Land Missfallen am Erfolg des kleinen findet – und selber ein größeres Stück des Kuchens einfordert (etwa Frankreich im Bereich Investmentfonds). Im Prinzip aber sind die wissenschaftlichen Daten klar: Sind die Grenzen offen, dann wachsen kleine, offene Länder schneller als große, offene Länder. Bei geschlossenen Grenzen hingegen leiden kleine, offene Länder mehr und schneller als große, offene Staaten.

Für die kleinen Länder sind offene Grenzen (etwa der EU-Binnenmarkt) und Multilateralisums daher überaus wichtig. Gleichzeitig müssen sie sich regelmäßig neu erfinden und wettbewerbsfähiger als die anderen sein. Der kleine Staat kann jedoch selber wählen, ob er diesen Standort-Wettbewerb lieber mit niedrigen Steuersätzen oder – besser vielleicht – mit der bestmöglichen Infrastruktur führt.