Wenn Stephen Hawking etwas sagt, dann lauscht die Welt. Seit Jahren kann sich der schwer kranke Astrophysiker nur noch über einen Sprachcomputer mitteilen. Doch für die meisten sind seine Themen ohnehin kaum in Worte zu fassen: Gibt es einen Gott? Warum sind wir Menschen auf der Welt? Ist da noch anderes Leben in den Weiten des Universums – und wenn ja, sollten wir Kontakt aufnehmen? Was auch immer Hawking dazu meint, wird beachtet, diskutiert, beeinflusst die Lebenseinstellung Tausender Menschen. Laut Ärzteprognosen sollte der an einer Muskelschwäche leidende Brite vor vielen Jahren gestorben sein – am 8. Januar wird er 70 Jahre alt.
«Ich bin der Ansicht, dass wir alle, nicht nur die theoretischen Physiker, gern wissen wollen, woher wir kommen», kommentierte Hawking schon 1988 den Erfolg seines Bestsellers «Eine kurze Geschichte der Zeit» im «Spiegel». Das Buch, in dem er physikalische Theorien zur Entwicklung des Universum beschreibt, machte ihn weltberühmt.
Nachfolger Isaac Newtons
Seitdem gilt er bei den Massen als eine Art Genie. In Wissenschaftskreisen findet seine Arbeit ebenfalls große Anerkennung, unter anderem hatte er 30 Jahre lang den berühmten Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge inne, und war damit ein Nachfolger Isaac Newtons. Allerdings steht er dort eher als ein besonders Guter unter Vielen.
Zu seinen bedeutendsten Erfolgen gehört dabei, dass er Anfang der 70er Jahre voraussagte, dass Schwarze Löcher – riesige, extrem massereiche Objekte im Kosmos – unter bestimmten Umständen Energie verlieren. In Anlehnung an Albert Einstein ist er seit Jahren auf der Suche nach einer Formel, mit der sich die widerstreitenden Theorien über Relativität und Quantenphysik zusammenfügen lassen.
«Einstein-ähnliche Figur»
«Ich weiß, dass es ein Medien-Hype ist. Sie brauchen eine Einstein-ähnliche Figur, die sie anrufen können», kommentierte Hawking schon früh seinen Erfolg bei den Massen, und fügte bereits hinzu: «Wahrscheinlich hat meine Behinderung zum Verkaufserfolg des Buches beigetragen. Wenn dem so ist, finde ich das bedauerlich.»
Was Hawking so faszinierend macht, ist wohl nicht nur seine Schwäche für die großen Fragen der Menschheit, und der Wunsch seiner Zeit überhaupt, für sämtliche Phänomene eine naturwissenschaftlich fundierte Erklärung zu bekommen. Es ist auch die Symbolik, die bei seinen Auftritten stets mitschwingt: Während sein Körper ihn an den Rollstuhl fesselt und er so gut wie nichts mehr alleine machen kann, reist sein Geist zu den Sternen. Er kann nicht schreiben, nicht sprechen, der Anblick seiner zusammengesunkenen Gestalt löst Mitleid aus – aber mit dem Kopf ist er ständig auf der Überholspur.
Archetypus eines behinderten Genies
«Ich bin der Archetypus eines behinderten Genies», beschrieb Hawking dieses Phänomen im Frühjahr in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian» selber. «Die Menschen sind fasziniert von dem Gegensatz zwischen meinen extrem eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten und den gewaltigen Ausmaßen des Universums, mit dem ich mich beschäftige.»
Das Weltall zieht ihn seit seiner frühesten Jugend an. Nach der Schule studierte er erst ein paar Semester Physik in Oxford, dann entschied er sich für ein Studium der Kosmologie in Cambridge. Er war gerade Anfang 20, als Ärzte bei ihm die unheilbare Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) feststellten, die rasch sein Nervensystem zerstören werde. Drei Jahre gaben sie ihm noch. Damals sei ihm klar geworden, dass er mit seinem Leben noch einiges anfangen könne, hat Hawking mehrfach gesagt.
Raumschiff Entreprise und The Simpsons
Im Rekordtempo legte er eine wissenschaftliche Karriere hin, heiratete, gründete eine Familie. Nebenbei wurde er eine Art Popstar der Wissenschaft, trat sogar in einer Folge von «Raumschiff Enterprise» als er selber auf, und wirkte in der Zeichentrickserie «Die Simpsons» mit.
Aus seinem Privatleben ist nur wenig bekannt. Seine Ex-Frau Jane Hawking brachte Ende der 90er Jahre ein Buch heraus, in dem sie ihn als Haustyrann beschrieb, den sie gelegentlich daran erinnern musste, dass er nicht Gott sei.
Mit einem Leben nach dem Tod rechne er nicht, sagte Hawking dem «Guardian». Vor dem Tod habe er trotzdem keine Angst. «Ich sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Einzelteile nicht mehr funktionieren. Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.» Und was heißt das für Menschen, deren Hardware noch funktioniert? «Wir sollten den größtmöglichen Wert aus unseren Taten schöpfen.»
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