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Das «unbekannte» Italien

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Die Regionen Basilikata, Kalabrien und Apulien sind bisher vom Massentourismus weitgehend verschont geblieben. Mit einer Gruppe Journalisten aus verschiedenen Ländern reiste der Autor vom 7.-18. Juni ins „unbekannte“ Italien*.

Es war fast Mitternacht, als unser Flugzeug in Bari landete. Ausruhen stand jedoch noch nicht auf dem Programm. Als Auftakt der Reise hatten die Organisatoren nämlich das spektakuläre Matera, in der Basilikata, ausgewählt, wohin wir auch gleich nach unserer Ankunft weiterfuhren.

Matera wird oft als eine der ältesten Städte der Welt bezeichnet, da sie seit der Jungsteinzeit besiedelt ist, wovon einige Höhlenmalereien Zeugnis ablegen. Später wurden die Grotten von den ersten Christen als Kirchen, noch später sogar als Klöster genutzt.

Unesco-Weltkulturerbe

Die Höhlensiedlungen – auch noch bekannt als die „Sassi“ von Matera – wurden 1993 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Heute werden sie wieder teilweise genutzt, etwa als Hotel, wie z.B. unsere Unterkunft in Matera, das Hotel Sextantio. Es ist nicht unsere Gewohnheit, Hotels besonders zu erwähnen, aber dieses eine war schon alleine die Reise gen Süden wert. Die Ursprünge dieses ehemaligen Klosters reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück.

Die „Zimmer“, besser gesagt die Grotten, sind genau dieselben, wie sie auch von den Mönchen genutzt wurden. Die einzige elektrische Einrichtung in den Höhlen ist das Licht; eine Minibar oder Fernseher sucht man vergeblich; in einigen gibt es nicht mal einen Spiegel. Der einzige Luxus dieser extravaganten Behausung ist eine ultramoderne Badewanne und eine Matratze der Spitzenklasse. Der ganze Rest, d.h. Tische, Stühle und Schränke, scheinen aus der Zeit zu stammen, als noch Mönche dort lebten. Das Hotel selbst ist in die weltbekannten „Sassi“ eingebettet, die in einigen Filmen als Kulisse für das altertümliche Jerusalem benutzt wurden, wie z.B. in Mel Gibsons „Passion of the Christ“.

Wenig bekannt

Die Basilikata ist wohl die am wenigsten bekannte Region Italiens, aber zweifelsohne eine Reise wert. Francis Ford Coppola, dessen Vorfahren aus der Region stammen, sagt in einem Werbefilm für die Region, die Basilikata sei das Italien, wie Gott es eigentlich wollte. (Coppola besitzt übrigens in Bernalda, in der Provinz Matera, ein Hotel, wo sich seine Tochter Sofia in diesem August vermählen wird.)

Nun ja, wir teilen zwar nicht die philosophischen Ansichten des Machers des „Paten“. Dass die Basilikata jedoch etwas Besonderes ist, steht außer Frage. Die Region grenzt im Süden an Kalabrien, im Norden an Apulien und im Nordwesten an Kampanien. Zwischen Kampanien und Kalabrien drängt sich ein schmaler Küstenstreifen an das Tyrrhenische Meer mit einem dieser malerischen Urlaubsorten, wie nur Italien sie zu bieten hat: Maratea. Hier sieht man nichts von den Bausünden, wie man sie aus den Touristenhochburgen anderer Regionen und Länder kennt.

Wie uns die Stadtverantwortlichen versicherten, werde bei jedem Bauvorhaben ganz genau darauf geachtet, dass die Landschaft nicht „verschandelt“ wird. Bei den Hotels, die noch gebaut würden, handele es sich allesamt um sehr kleine Häuser.

Und: Action!

In der Vergangenheit hat sich die Basilikata als Filmkulisse einen Namen gemacht: Neben italienischen Klassikern wie „Viva l’Italia“ (1961) von Roberto Rossellini, „Cristo si è fermato a Eboli“ (Christus kam nur bis Eboli, 1979) von Francesco Rosi oder „Il vangelo secondo Matteo“ (Das 1. Evangelium – Matthäus, 1964) von Pier Paolo Pasolini wurden auch US-amerikanische Filme dort gedreht.
John Moore drehte 2006 in Matera Teile seiner Neuverfilmung des Filmes „The Omen“. 2003 wählte Mel Gibson die Stadt als Jerusalem für seinen Film „The Passion of the Christ“.
Übrigens findet seit 2009 in Maratea zu Beginn des Augusts ein Filmfestival statt. Dieses Jahr soll Willem Dafoe der Ehrengast sein. Ebenfalls von den Organisatoren angekündigt worden, ist das „Kind der Region“, Coppola.

„Denkmäler“, die so alt sind wie die Altstadt von Matera, trifft man natürlich nicht überall an. Was man jedoch zur Genüge antrifft, sind bauliche Überreste der Magna Graecia, der griechischen Kolonisation. Als „Magna Graecia“ (lateinisch für „großes Griechenland“) werden die Regionen im antiken Süditalien und Sizilien bezeichnet, die durch griechische Siedler ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. kolonisiert wurden.
Mindestens zwei Orte in Süditalien rühmen sich zudem den berühmten Philosophen Pythagoras als Lehrer gehabt zu haben: Metapont und Crotone.

Die «Stadt Pythagoras»

Sind in Metapont nur noch wenige Überreste eines Heratempels zu sehen, entwickelte sich Crotone zur Hauptstadt der gleichnamigen Provinz mit inzwischen 61.000 Einwohnern. Crotone wirbt heute ganz offiziell für sich als die „Stadt Pythagoras“. Hier soll der Lehrer seine Schule gegründet haben. Metapont soll von dem Erbauer des Trojanischen Pferdes Epeios gegründet worden sein. Heute gehört es zur bereits erwähnten Gemeinde Bernalda.

Zwischen unserem Aufenthalt in Matera und dem in Maratea schickten uns die Organisatoren auf Entdeckungsreise nach Apulien, genauer gesagt in die Provinz Foggia. In Apulien steckt der Tourismus noch weitgehend in den Kinderschuhen. Sieht man von einigen organisatorischen Unannehmlichkeiten ab, hat die Provinz durchaus einiges zu bieten.

Nach den Zielen in Sachen Tourismus befragt, sagte uns der Generalsekretär der Handelskammer von Foggia, Matteo di Mauro, sie wollten erreichen, dass die Hotels der Provinz mehr als nur zwei Monate im Jahr geöffnet haben. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden.

Wilde Landschaften

So bietet der Nationalpark „Gargano“ sowohl herrliche Strände, wo man nicht bei jeder Bewegung dem Nachbar Sand auf den Rücken wirft, wie auch wilde Landschaften, die wie gemacht für Trekking-Touren sind.
Auf die Frage, wie sie dem schlechten Ruf des Südens in Sachen „organisiertes Verbrechen“ entgegentreten würden, meinte der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Pietramontecorvino (Provinz Foggia), dass es schwierig sei, gegen ein Image zu kämpfen. Am besten, die Touristen würden sich vor Ort selbst überzeugen, dass die Realität nicht ihrem Vorurteil entspricht. Was die Touristen denn absolut in seiner Region sehen müssten: „Die Menschen, die hier leben“, war seine knappe Antwort.

Und die Menschen im Süden wissen eines sehr zu schätzen: Gutes Essen, dem man in diesem Teil der Welt nicht entgehen kann, von den exzellenten Weinen ganz zu schweigen. Nero di Troia und Cirò, um nur die beiden zu nennen, machen aus jedem einen Liebhaber italienischer Weine. Zwei Kilogramm mehr auf der Waage muss man pro Woche Süditalien schon einplanen. Zahlreiche Bauernhöfe haben sich auf „Agrotourismus“ spezialisiert, wo man sich neben langen Spaziergängen vor allem auf die Gaumenfreude konzentrieren kann. In den Küchen werden meistens ausschließlich Produkte verwendet, die vom Hof selber stammen.

Der Schatz des Alarich

Nach Apulien und der Basilikata führte uns die Reise nach Kalabrien. Der Weg dorthin ließ uns streckenweise vergessen, dass man in Italien ist und eher an die Schweiz denken: hohe Berge, grüne Wiesen, und nicht zu vergessen die Wälder.
Einer unserer Stopps war die Stadt Cosenza, die vor allem Geschichtsinteressierte bekannt sein dürfte. Im Dom der 70.000-Einwohner-Stadt liegt Heinrich (VII.)** (1211-1242), König von Sizilien und Sohn Friedrichs II., begraben. (**nicht verwechseln mit Heinrich VII. ohne Klammern. Der mit Klammern war ein Staufer, der ohne war ein Luxemburger.)

Alarich I., König der Westgoten, starb in Cosenza. Er soll der Legende zufolge samt seinem Schatz, den er bei der Plünderung Roms im August 410 erbeutete, im Flussbett des Busento begraben sein. Für sein Begräbnis musste der Fluss, laut Legende, umgeleitet worden sein. Alarich wollte anscheinend ein Grab, das niemals gefunden würde. Mit Erfolg: Gefunden wurden bis heute weder Alarich noch sein Schatz.

Die schönste Flaniermeile Italiens

Schlussetappe unserer Reise war Reggio Calabria, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, die sich mit der schönsten Flaniermeile Italiens, dem „lungomare“, rühmt.
Im Nationalmuseum der Stadt befinden sich die weltbekannten „bronzi di Riace“, zwei fast vollkommen erhaltene griechische Bronzestatuen, die 1969 vor der Küste nahe der Stadt gefunden wurden. Fotos dieser Schönheiten wurden auch Journalisten nicht gestattet.

Ach ja: Außer Kunst, haufenweise antiken Kirchen und Klöstern sowie gutem Essen gibt es in Kalabrien, wie auch in den anderen Regionen, natürlich auch zauberhafte Strände und glasklares türkisblaues Wasser. Der Urlaub lebt ja nicht von der Kunst allein.

* Es handelte sich um eine Pressereise, die von den Handelskammern der Provinzen Cosenza, Crotone, Maratea, Matera, Foggia, Potenza und Reggio Calabria vom 7. bis 17. Juni 2011 organisiert wurde.