Headlines

«Ich fühle mich in Berlin sehr wohl»

«Ich fühle  mich in  Berlin sehr wohl»

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Vicky Krieps - eine luxemburgische Schauspielerin auf dem Weg in die Filmwelt. Am Donnerstag auf der Berlinale ist die Premiere von "Wer, wenn nicht wir?", in dem sie mitwirkt.

Freundlich streckt sie zur Begrüßung die Hand entgegen. Ein wenig zaghaft vielleicht, fast schüchtern. Viel Übung hat sie noch nicht im Umgang mit der Presse. Woher auch? Bislang war das nicht nötig. Das könnte sich jetzt schnell ändern, wenn die Filmkarriere von Vicky Krieps so weitergeht, wie sie im vergangenen Jahr begonnen hat.

King Lear
Eine szenische Lesung

– Am 31. März und am 1. April um 20 Uhr
im Kasemattentheater
www.kasemattentheater.lu

– am 2. April um 20 Uhr, am 3. April um 17 Uhr im Merscher Kulturhaus
www.kulturhaus.lu

Vicky Krieps lächelt. Für die 27-jährige Luxemburgerin läuft es gut im Moment: Gerade hat sie einen Tatort abgedreht, in dem sie eine der Hauptrollen spielt. Im neuen Film von Roland Emmerich „Anonymus“ über das Leben von Shakespeare spielt sie mit, genauso wie in «Hanna» von Joe Wright (Pride and Prejudice, Atonement) mit Cate Blanchett. „Alles nur kleine Rollen“, sagt sie, fast so, als wären ihre Auftritte nicht der Rede wert. Und doch sind es große Produktionen, um die es da geht. Produktionen mit Stars und einem Riesenbudget. Das gibt Selbstvertrauen und macht sich nebenbei auch ziemlich gut im Lebenslauf. Am kommenden Donnerstag feiert der Film „Wer, wenn nicht wir?“ im Wettbewerb der Berlinale Premiere. Auch hier ist sie mit dabei.

Jura oder Schauspielerei

Im Filmgeschäft ist Vicky Krieps noch gar nicht lange. Angefangen hat sie im Theater, obwohl ihr nach dem Abitur am „Lycée de garçons“ gar nicht klar war, was sie beruflich machen wollte. Eine Idee war, Jura zu studieren. Oder es doch erst mal mit der Schauspielerei probieren? Am Konservatorium in Luxemburg hatte sie zwar bereits ein wenig Schauspielunterricht gehabt, aber auf den Gedanken, einen professionellen Weg einzuschlagen, wäre sie von alleine wohl gar nicht gekommen. Charles Muller, jetziger Direktor des Escher Theaters, gab ihr den ersten Anstoß. Er saß damals in der Prüfungskommission des Konservatoriums. Nachdem er Vicky Krieps auf der Bühne gesehen hatte, war er so angetan von ihrem Talent, dass er ihr zu einem Schauspielstudium riet.

„Da fing ich erst mal an, zu weinen, und der arme Mann wusste gar nicht, was los ist. Ich war völlig überfordert. Das war mir zu viel, dass jemand plötzlich sagte, ich wäre gut in irgendwas. Und aus lauter Trotz habe ich gesagt, ich würde Jura studieren. Dann bin ich für ein Jahr nach Südafrika gegangen, um das alles sacken zu lassen und mir Zeit zu geben, eine Entscheidung zu treffen.“
Die fiel dann doch zugunsten der Schauspielerei. Und führte zuerst nach Zürich an die Schauspielschule. „Trotzdem habe ich immer gedacht: ’Jetzt schauspielerst du erst mal ein bisschen und dann guckst du mal’“, erzählt sie.

Am Schauspielhaus Zürich

Krieps – kein unbekannter Name in Luxemburg. Doch von den Beziehungen ihres Vaters Bob hat Vicky nie profitiert. „Mein Vater ist sehr streng. Ich glaube, ich war zwölf, als ich zu meinem Vater sagte: ’Ich will mal im Film mitspielen, kannst du da nicht irgendwas machen?’ Aber er hat mich nur einmal mitgenommen zu einem Set. Mein Vater war immer der Meinung, dass er allen helfen kann, nur nicht der eigenen Familie, damit hinterher keiner behaupten kann, da wäre etwas über Beziehungen gelaufen. Heute bin ich froh darüber, weil ich weiß, dass ich das alles selber geschafft habe.“

Schon während des Studiums bekam sie ein Engagement am Schauspielhaus Zürich, unter anderem die Hauptrolle in dem Jugendstück „Die rote Zora“. Dabei lernte sie ihren Freund kennen, den Schauspieler Jonas Laux. Mit ihm zog sie vor einem Jahr nach Berlin, ihre gemeinsame Tochter Elise ist fünf Monate alt.

Kaum in Berlin schickte Vicky Krieps ihre Unterlagen inklusive eines kurzen Demobandes zu einer Agentin. „Es war merkwürdig. Ich habe das wirklich nur an eine Agentur geschickt. Und die hat mich sofort genommen. Das war so ein Bauchgefühl, dass ich an diese Agentur geschrieben hatte“, sagt sie. Dass sie gerade in Berlin, wo junge Schauspieler keine Mangelware sind, so schnell Fuß fassen konnte, überrascht sie selbst. „Bei mir hat sich alles immer irgendwie ergeben, ich habe das ja nie geplant. Doch dass ich hier sofort Arbeit gefunden habe, war schon sehr seltsam.“

Film über die Anfänge der RAF

Nun also „Wer, wenn nicht wir?“, ein Film des Regisseurs Andres Veiel über die Anfänge der RAF. Vicky Krieps spielt darin die Rolle der Dörte, der besten Freundin von Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis). Gemeinsam lernen sie Bernward Vesper (August Diehl) kennen, den späteren Vater von Ensslins Sohn Felix. Alexander Fehling, einer der diesjährigen europäischen Shootingstars spielt Andreas Baader.

Die Rolle der Dörte war zunächst größer angelegt, das meiste fiel letztlich jedoch dem Schnitt zum Opfer. „Zuerst hat die Figur, die ich spiele, ein Verhältnis mit Vesper, inklusive Schwangerschaft und Abtreibung. Aber dieser ganze Nebenstrang wurde rausgeschnitten. Er hat zu sehr von der eigentlichen Geschichte abgelenkt. Ich kann das gut verstehen, trotzdem ist es ein komisches Gefühl, wenn man gearbeitet hat, sich bis drei Uhr nachts gequält hat und dann siehst du den fertigen Film und das meiste von dem, mit dem du dich gequält hast, ist plötzlich gar nicht mehr da. Aber es ist eine neue Erfahrung, ich habe ja noch nicht viele Filme gedreht.“

Sich in die frühen 1960er Jahre der BRD hineinzufühlen fand Vicky Krieps nicht so schwierig. Vor allem die engen Kostüme mitsamt der Original-Unterwäsche halfen dabei. „Das saß alles ziemlich eng. Und die Szene, die jetzt noch im Film ist, hat für mich einen ganz besonderen Geschmack. Das war eine Mischung aus verhalten sein und gleichzeitig alles wollen. Die Kostüme haben das unterstützt.“ Für die Premiere am Donnerstag hat sie sich schon ein Kleid gekauft, trotzdem fürchtet sie den Gang über den roten Teppich. Aber auch das gehört dazu.

Pläne für die Zukunft

Pläne für die Zukunft hat die Schauspielerin bereits. Erst einmal möchte sie ihr Studium in Zürich beenden. Es fehlt nicht mehr viel für ihren Master. „Und ohne jetzt eitel klingen zu wollen, eine Hauptrolle in einem Film würde ich gerne mal spielen. Einfach mal eine Figur entwickeln, um die herum sich die Geschichte spinnt. Aber ich lass das auf mich zukommen, es wird sich irgendwie ergeben.“

Ein paar Engagements stehen bereits fest. Für eins kommt sie im März nach Luxemburg ins Kasemattentheater. Unter der Regie von Germain Wagner wird sie dort „King Lear“ lesen, gemeinsam mit Fernand Fox, Pol Greisch, Jeanne Werner und Eugénie Anselin. „Ich freu mich schon darauf“, sagt Vicky Krieps, „manchmal denke ich, ich würde auch gerne nach Luxemburg zurückgehen. Aber im Moment fühle ich mich hier in Berlin eigentlich sehr wohl.“