„Wir haben einen langen Weg hinter uns“, so Finanzministerin Yuriko Backes über den laufenden Wandel in den weltweiten Steuerregeln. Historisch gesehen sei das aktuelle System vor rund 100 Jahren entstanden, als Volkswirtschaften und Steuern vornehmlich als nationale Themen angesehen wurden, erinnerte sie. „Die Steuerregeln waren nicht gedacht, um die Herausforderungen der Gegenwart (Globalisierung und Digitalisierung) zu meistern.“
Es sei notwendig geworden, das System an die neue Zeit anzupassen, lobt sie die diesbezüglichen Anstrengungen von G7, G20 und OECD. Es handle sich um eine „komplette Neugestaltung der internationalen Besteuerung“, und „alle Bereiche der Wirtschaft werden betroffen sein“.
Luxemburg sei von Anfang an bei den Initiativen (etwa BEPS) mit dabei gewesen, erinnerte sie. „Konstruktiv und als Vorreiter.“ Die Regierung habe sich dem Wandel hin zu einer „fairen und transparenten Besteuerung“ verschrieben. Im Bereich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft sei das Land sogar bereit gewesen, noch weiter zu gehen – doch andere hätten gebremst. Gleichzeitig hob sie hervor, wie ihr Vorgänger Pierre Gramegna auch, dass es gleichzeitig wichtig sei, auf das Prinzip des „level playing field“ (gleiche Regeln für alle; d.Red.) zu achten.
„Das System wird fairer werden“
Wenn es um internationalen Steuerwettbewerb geht, sei es wichtig, kohärente Regeln zu haben, so die Ministerin weiter. „Wir brauchen das. Und wir unterstützen das.“ Die geplante Mindeststeuer von 15 Prozent für große Konzerne werde dem ungesunden Steuerwettbewerb zwischen den Ländern ein Ende bereiten. „Das System wird fairer werden. Steuern werden im Wettbewerb der Standorte künftig eine kleinere Rolle spielen.“
Der Wandel komme jedoch nicht als Überraschung, so Yuriko Backes. Über die letzten Jahre habe ein globaler Mentalitätswechsel stattgefunden: „Es war ein Prozess.“
Derweil betonte sie, dass, auch wenn es schwierig sei, Vorhersagen zu machen, man aber festgestellt habe, dass der bisherige Wandel dem Großherzogtum nicht geschadet habe. Im Gegenteil: Der Finanzplatz sei weiter gewachsen. Steuern seien eh nicht das wichtigste Argument, um Firmen nach Luxemburg zu ziehen, so die Ministerin. Das Land biete viel mehr. Neben Stabilität und dem Kreditwürdigkeitsranking AAA hob sie vor allem die Expertise hervor.
„Aber täuschen Sie sich nicht“, änderte sie zum Schluss ihrer Rede den Tonfall. „Ich werde Luxemburgs nationale Interessen resolut verteidigen und mich dafür einsetzen, dass Luxemburg wirtschaftlich attraktiv bleibt.“ Sie werde die Politik ihres Vorgängers fortsetzen, sagte sie. Steuerwettbewerb an sich sei ja auch etwas Gutes. Aber halt mit neuen, fairen Regeln. Bei ihrem Vorgänger Pierre Gramegna bedankte sich Yuriko Backes für den guten Job. Und sie hoffe, dass sie ein „würdiger Nachfolger“ sein werde.
„Wir schlagen nun eine neue Seite auf“
Pascal Saint-Amans, Direktor beim Steuerbereich der OECD, mit dem Yuriko Backer zuvor Unterredungen hatte, folgte ihr am Dienstag als Redner auf der vom Arbeitgeber-Dachverband UEL („Union des entreprises luxembourgeoises“) organisierten Konferenz „The new international tax framework and its impact on Luxembourg tax policy“. Auch er unter unterstrich die Notwendigkeit, einen „gesunden Steuerwettbewerb“ zu erhalten, jedoch mit erneuerten, gerechteren und inklusiven Regeln.
Er erinnerte zudem daran, dass diese Einigkeit noch nicht so alt ist. Vor rund 15 Jahren habe es noch Diskussionen um das Bankgeheimnis gegeben. „Aber wir sind vorangeschritten … zum Wohle der ganzen Welt“, so Pascal Saint-Amans. „Wir schlagen nun eine neue Seite auf. Die 100 Jahre alten Regeln waren nicht mehr passend.“ Es brauche neue Regeln, damit die Menschen der Globalisierung wieder mehr Zustimmung geben. „Es ist das Ende einer Ära.“
Laut Zeitplan sollen die Details der Regelungen nun schnell ausgehandelt werden, so der Vertreter der OECD weiter. Den Mindeststeuersatz will man 2023 bereits einführen. „Aber ich weiß, dass ich auf Luxemburg zählen kann“, so Pascal Saint-Amans. Die nächste, folgende Ära hat Pascal Saint-Amans auch bereits im Auge. Im Sinne des Kampfes gegen den Klimawandel gelte es nun, einen internationalen Preis für CO₂-Ausstoß einzuführen.
Im Namen der Luxemburger Unternehmen hatten zuvor Michel Reckinger (Präsident UEL) und Luc Frieden (Präsident Handelskammer) das Wort. Reckinger hob hervor, wie wichtig es sei, dass das Land wirtschaftlich attraktiv bleibt. Zudem unterstrich er, dass Luxemburg auch schon vor der Zeit des Finanzplatzes international (im Stahl) aktiv war. Der ehemalige Finanzminister Luc Frieden erklärte, dass Steuern nicht nur eine Geldquelle, sondern auch ein politisches und soziales Steuerungsinstrument seien. Und solange nationale Staaten eigene politische Prioritäten setzten, könne der Steuerbereich nicht international vereinheitlicht werden. Eine internationale Koordination, etwa auf Niveau der OECD, findet er jedoch gut. „Luxemburg soll ein Steuersystem haben, das fair zu den Nachbarn ist, aber auch attraktiv für die Firmen.“
Was geplant ist
Im Rahmen der OECD sind zwei große Vorhaben geplant. Dazu zählt erstens der sogenannte „Pillar 1“. Dieser sieht die Umverteilung eines Teils der Gewinne der weltweit größten und profitabelsten Unternehmen vor. Diese Steuern sollen dann, berechnet nach einem Verteilungsschlüssel, in die Länder fließen, in denen die Verbraucher leben. Firmen sollen sich nicht mit einem Hauptsitz in Steuerparadiesen verstecken können. Ausgenommen von der Regelung sind der Erzabbau und die regulierten Finanzdienstleistungen. „Unternehmen sollen sich auf ihr Geschäft konzentrieren, nicht auf Steuern“, so Pascal Saint-Amans am Dienstag zu „Pillar 1“.
Daneben gibt es den sogenannten „Pillar 2“. Für globale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro soll ein minimaler Gesamtsteuersatz von mindestens 15 Prozent festgelegt werden. „Das alte System war nicht gut“, bemerkte Pascal Saint-Amans zu „Pillar 2“. „Jedes Land braucht Unternehmenssteuern.“ Jetzt werde es vorbei sein mit dem Wettlauf nach unten. Auch seien 15 Prozent (anfangs war mehr geplant) nicht wenig, so der Vertreter der OECD. Es werde anständige und positive Folgen haben. Die Investmentfonds-Industrie ist von der Regelung ausgenommen.
Als drittes großes Element gilt eine von der EU-Kommission vorgelegte Initiative zur Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu unlauteren Steuerzwecken. Man wolle sicherstellen, dass Briefkastenfirmen in der EU, die keine oder nur eine minimale Wirtschaftstätigkeit aufweisen, keinerlei Steuervorteile in Anspruch nehmen können, so die Kommission bei der Vorstellung. Die Richtlinie soll nach Annahme durch die Mitgliedstaaten am 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Die Folgen für Luxemburg
Über die möglichen Folgen der Veränderungen bei den internationalen Steuerregeln gehen die Meinungen weit auseinander. So erwartet beispielsweise das „Observatoire européen de la fiscalité“, dass Luxemburg allein wegen „Pillar 2“ zusätzliche Steuereinnahmen von 4,5 Milliarden Euro erwarten könnte. Das wäre mehr als eine Verdoppelung der aktuellen Einnahmen von Steuern durch Unternehmen.
In einer separaten Untersuchung ist das statistische Institut Statec derweil zu dem Schluss gekommen, dass Luxemburg bei „Pillar 1“ begrenzt Einnahmen verlieren dürfte, während das Land bei „Pillar 2“ theoretisch gewinnen würde. Jedoch wisse man heute nicht, wie die Konzerne auf die neue Situation reagieren werden. Würden beispielsweise Konzerne das Großherzogtum verlassen, dann könne Luxemburg auch bei „Pillar 2“ verlieren. Die Statistiker kommen zu dem Schluss, dass die Folgen aktuell noch sehr schwer abschätzbar sind.
Weiterführende Lektüre:
Die Luxemburger Wirtschaft bleibt vorsichtig und hat viele Fragen – Link Artikel
Die Debatte zeigt: Luxemburg ist kein Steuerparadies mehr – Link Artikel
„Luxemburg ist kein Niedrigsteuerland“ – Gespräch mit Steueranwalt Alain Steichen – Link Artikel
IWF-Papier zum Gewicht von Zweckgesellschaften in der Luxemburger Wirtschaft – Link Artikel
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Die meisten Länder wollen Reichtum nicht besteuern – Link Artikel
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