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BausektorWettbewerbsbehörde wirft Fragen auf: Treiben niedrige Gehälter die Wohnungspreise nach oben?

Bausektor / Wettbewerbsbehörde wirft Fragen auf: Treiben niedrige Gehälter die Wohnungspreise nach oben?
Die Überlegung hinter der Kritik: Unattraktive Arbeitsbedingungen sorgen für einen Mangel an Mitarbeiter. Mit wenig Mitarbeitern kann nur wenig gebaut werden. Bei einer hohen Nachfrage sorgt das für steigende Preise.   Foto: Editpress/Christian Muller

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Werden die Gehälter im Bauwesen durch eine Absprache absichtlich niedrig gehalten? Und die Immobilienpreise dadurch hoch? Diese Fragen werfen die Luxemburger Wettbewerbshüter im Rahmen einer Studie auf.

Seit Jahren klagt die Luxemburger Baubranche über einen Mangel an Arbeitskräften. Immerhin kann weniger gebaut werden, wenn die notwendigen Arbeitskräfte fehlen. In einem Land mit einer hohen Nachfrage steigen dann die Preise. Unter den Folgen leiden Bevölkerung und Wirtschaft. Die Luxemburger Wettbewerbsbehörde stellt sich nun jedoch in einem Bericht über die Branche der Bauträger („Promoteurs“) die Frage nach Ursache und Wirkung. Sie sehen den Sektor nicht unbedingt als Opfer eines bestehenden Mangels.

„Es ist nicht auszuschließen, dass der Mangel an Arbeitskräften auf eine Absprache zwischen den Arbeitgebern zurückzuführen ist, um die Löhne niedrig zu halten und die Einstellung weniger attraktiv zu machen“, schreibt die Behörde im Rahmen der Studie. In der Folge würde die Baukapazität und damit die Zahl der neu gebauten Wohnungen verringert, was dann zu höheren Verkaufspreisen führen könnte.

Zur Begründung der Aussage führt die Behörde an, dass das Baugewerbe hierzulande einer der Sektoren mit den niedrigsten Durchschnittskosten pro geleisteter Arbeitsstunde ist. Tatsächlich erreichen die durchschnittlichen Kosten pro Stunde im vergangenen Jahr 32,4 Euro, so die Wettbewerbshüter. Nur in den Bereichen „sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“ und „Beherbergung und Gastronomie“ seien sie noch niedriger. Dies vor dem Hintergrund, dass die durchschnittlichen Kosten pro Arbeitsstunde im Baugewerbe in den drei Nachbarländern höher sind (zum Beispiel bei 36 Euro pro Arbeitsstunde in Belgien).

Zudem lag die durchschnittliche Wachstumsrate der Kosten pro Arbeitsstunde im Baugewerbe zwischen 2020 und 2022 bei 3,2 Prozent und damit unter dem Durchschnitt aller Sektoren (3,5 Prozent), so der Bericht weiter. „Das bedeutet, dass sich die Arbeitskosten im Vergleich zu anderen Sektoren unterdurchschnittlich entwickeln.“

Wenig attraktiv für Arbeitskräfte

Zeitgleich ist zwischen 2010 und 2020 der Bruttobetriebsüberschuss in der Bauträgerbranche um fast das Achtfache gestiegen, ohne dass mehr Wohnungen gebaut wurden, hebt die Behörde weiter hervor. Auch wenn das zum Teil auf rasant steigende Preise für Bauland zurückzuführen ist, so fragt sie sich doch, ob sich in den vergangenen Jahren der Gewinn, der von den Bauträgern angeeignet wurde, auf die Wohnungskosten niederschlägt, ohne dass die Arbeitskräfte etwas davon erhalten.

Für die Behörde gibt es zwei Haupthypothesen, die den anhaltenden Mangel erklären könnten. Zum einen könnte dieser auf unattraktive Arbeitsbedingungen zurückzuführen sein, zum anderen könnte der von den Arbeitgebern beklagte Mangel, sofern er sich auf qualifizierte Arbeitsplätze bezieht, auf ein Missverhältnis zwischen dem Bedarf der Unternehmen in der Branche und den Qualifikationen der verfügbaren Arbeitskräfte zurückzuführen sein.

„Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob dieses Phänomen auf eine unzulässige Absprache zwischen den großen Akteuren der Branche zurückzuführen ist, die sich darauf verständigt haben, die Löhne niedrig zu halten und die Anstellung von Arbeitskräften weniger attraktiv zu machen“, fragt sich die Behörde. Die wenig attraktiven Arbeitsbedingungen würden demnach die Baukapazitäten der Akteure verringern, die Zahl der neu gebauten Wohnungen senken, die Preise in die Höhe treiben und gleichzeitig die Gewinnspannen der Arbeitgeber steigen lassen.

Gibt es konkrete Fakten?

„Angesichts der Entwicklung des Bruttobetriebsüberschusses in der Bauträgerbranche wäre es in der Tat vernünftig, zu erwarten, dass der Wettbewerb um Arbeitskräfte zu höheren Löhnen führen würde“, so die Behörde.

Der OGBL sieht das wohl ähnlich: Statt mit Stellenstreichungen zu drohen, solle der Sektor besser eine Geste machen, um zu zeigen, dass er attraktiv bleibt, so die Gewerkschaft vor rund zwei Wochen gegenüber dem Tageblatt. Damals hatten die Arbeitgeber der Branche vor Krisen-Folgen für Tausende Mitarbeiter des Sektors gewarnt. Attraktivere Arbeitsbedingungen scheinen keine Priorität zu sein. Kollektivvertragsverhandlungen ziehen sich bereits seit 18 Monaten immer weiter in die Länge, so die Gewerkschaft damals.

Bei den Handwerkern derweil ist man nicht erfreut über die Aussagen, die in diesem Bericht gemacht werden. „Ginn et Fakten, Här Minister, déi op kriminell Aktivitéiten, Ofsproochen oder soss eppes hiweisen?“, fragt Romain Schmit von der „Fédération des artisans“ auf Twitter an Wirtschaftsminister Franz Fayor gerichtet. „Wa jo, #NameAndShame! Wann net ass et alt eng Sau méi, déi duerch d’Duerf gedriwwe gëtt …“


Weiterführende Lektüre:

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Der Markt für Wohnimmobilien auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht

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Lucilinburhuc
23. Juli 2023 - 13.32

Habe schon vor 25 Jahre "Cherrypicking" angewandt : manche Materialien waren in Luxemburg billiger, manche in Deutschland. Untern Strich 40 % gespart.

Grober J-P.
23. Juli 2023 - 9.35

Mir sagte mal kürzlich ein hiesiger kleiner Unternehmer er müsste den Porotonblock doppelt so teuer bezahlen wie der Konkurrent in Belgien, stimmt das auch für die Großunternehmer? Fakt ist, dass genau dasselbe Bauvorhaben hier 60% teurer ist als drüben. Das kann ja nicht nur an den Löhnen liegen.