Es ist ein Stück Kulturerbe Luxemburgs, so lässt sich das neue Buch „Ketty Thull – Heimatgefühle“ der Editions Schortgen, das Mitte November vorgestellt wurde, in einem Satz beschreiben. Ein vielschichtiges Werk, das auf mehreren Ebenen begeistert.
Sein Grundgerüst bilden die Rezepte der Luxemburger Hauswirtschaftslehrerin Ketty Thull. Aufgeschrieben und in die heutige Gastronomietradition eingebunden hat sie kein Geringerer als der Koch, Lehrer am „Lycée technique“ in Bonneweg und ehemalige Trainer der Luxemburger Koch-Nationalmannschaft – Carlo Sauber. Er selber ist eine Institution in der Luxemburger Gastronomieszene und brachte 2011 mit Fotograf Fränk Weber eine umfangreiche Neufassung von Ketty Thulls gesammeltem Kochwissen mit mehr als 500 Rezepten, Grundlagenwissen und Tipps heraus.
„Coq au Riesling“
Rezept aus „Ketty Thull – Heimatgefühle. Rezepte und Geschichten aus Luxemburg“
Zutaten:
1 Hähnchen (± 2 kg) • 100 g Butter • 50 g Mehl • 300 g Champignons • 2 Knoblauchzehen
150 g Silberzwiebeln • 150 g magerer Speck • 20 g Petersilie • 10 ml Cognac
300 ml Riesling • 1 Lorbeerblatt • 2 Zweige Thymian
600 ml Geflügel- oder Gemüsebrühe • 300 ml Sahne • Salz, Pfeffer
Zubereitung:
1. Den Backofen auf 170 °C Umluft vorheizen.
2. Das Hähnchen in Stücke zerteilen (Keulen, Flügel, Brust).
3. Die Butter in einer Schmorpfanne erhitzen. Hähnchenteile in Mehl wenden, abklopfen und leicht goldbraun anbraten, dann aus der Pfanne nehmen und beiseitestellen.
4. Die Champignons säubern und vierteln. Knoblauch schälen und fein hacken. Silberzwiebeln schälen.
Speck würfeln. Petersilie fein hacken und beiseitestellen.
5. Speck, Pilze, Knoblauch und Zwiebeln in der Schmorpfanne gut andünsten. Mit Cognac ablöschen und
einkochen lassen. Weißwein hinzugeben und um 1/3 reduzieren lassen.
6. Hähnchenteile, Lorbeer und Thymian hinzugeben, würzen und mit der Brühe begießen. Abgedeckt im Backofen 40 Minuten schmoren lassen.
7. Das Fleisch aus dem Schmortopf nehmen und warmhalten. Den Rieslingsud mit Sahne kurz einkochen
lassen. Wenn nötig, die Soße mit etwas Buttermischung (10 g Mehl mit 10 g Butter) binden.
8. Alles zurück in den Schmortopf geben, mit Petersilie bestreuen und servieren.
Von „Bouneschlupp“ bis „Paschtéit“
Das neue Kochbuch geht einen Schritt weiter: Ob „Bouneschlupp“, „Stäerzelen“ (Buchweizenknödel), „Kuddelfleck“ (Kutteln), Paschtéit (Königinpastete mit Geflügelragout) oder „Nonnefäscht mat Vanillszooss“ (Krapfen mit Vanillesauce), die Rezepte spiegeln die authentische Küche Luxemburgs wider. 44 Rezepte in den Kategorien Suppen, kleine Gerichte, Fisch, Fleisch, Desserts und Backen laden den Leser zum Nachkochen ein.
Jedes Gericht nimmt Platz auf einer Seite, die Arbeitsschritte sind in kurzen, prägnanten Sätzen gefasst, die Zutaten übersichtlich auf einem Blick erfassbar. Zubereitungs-, Koch- und Backzeit sind jeweils am Seitenende verzeichnet, ebenso für wie viele Personen das Gericht ausgelegt ist. Der Seitenaufbau ist klar gegliedert, nichts soll den Blick vom Wesentlichen – vom Rezept – ablenken.
Doch bekanntlich isst das Auge stets mit, sodass die Bilder zu den Rezepten mindestens genauso wichtig sind wie die Texte. Die Luxemburger Fotografin Anne Lommel, die auch unsere Gastronomie-Artikel im Tageblatt-Magazin illustriert, zeichnet im neuen Buch für die Food-Fotografie verantwortlich. Annes Händchen für gutes Licht, ihr Auge fürs Detail und ihr Streben nach Perfektion spiegeln sich in den Bildern wider.
Reise durch Luxemburg
Doch „Heimatgefühle“ beim Lesen lösen nicht nur die vorgestellten Gerichte aus. Der Untertitel „Rezepte & Geschichten aus Luxemburg“ ist hier Programm. Autorin Carole Theisen nimmt dank ihrer kurzweiligen Texte den Leser auf eine Reise durch das Großherzogtum. Beim Ausflug in Luxemburg-Stadt lernt er Wahrzeichen wie die „Gëlle Frau“ und „Melusina“ kennen.
Weitere Etappen dieser Entdeckungsreise führen ins Guttland, Ösling und ins Müllerthal. Im „idyllischen Zentrum“ des Landes angekommen, lässt die Autorin die Legende vom „Kropemann“ wiederaufleben. Vor dem Wassergeist haben schon viele Elterngenerationen in Luxemburg ihre Kinder gewarnt.
Im Norden – in der „grünen Lunge Luxemburgs“ – trifft der Leser auf den heimlichen Nationalhelden: Superjhemp. Doch wer ist Charel Kuddel? Und warum sollte man den typischen Luxemburger nicht unterschätzen? Mit einem Augenzwinkern lässt die Autorin die Comicfigur von Roger Leiner und Lucien Czuga zum Leben erwachen.
Die nächste Station führt ins Müllerthal, in die kleine Luxemburger Schweiz, mit ihrem Wahrzeichen, dem Schießentümpel und die Wiege der „herrlichen Landschaft“, die mehr als einen Wanderer in ihren Bann zieht.
„Den Himmel Wäin ons mécht“ – so wird die Mosel-Region in „Ons Heemecht“ besungen und so setzen der Weinbau und der Genuss den Hauptakzent auf dieser Station der Reise.
Im „Land der Roten Erde“ endet der Rundgang durch das Ländchen. Wie keine andere Region steht der Süden für den wirtschaftlichen Aufschwung Luxemburgs und für den Neubeginn nach der Vergangenheit als Industriezentrum. Neben seiner bewegenden Geschichte beherbergt der Süden auch den einzigen schlafenden Riesen in Luxemburg, erklärt Theisen.
Die beeindruckenden Bilder zu dieser Entdeckungsreise lieferten die Fotografen Anne Lommel, Anna Molzahn und Tom Fielitz (Landschaftsfotografie). Eglantine Denis rundete mit ihrem Grafikdesign das kulinarisch-landschaftliche Werk ab.
Referenz für Luxemburgs Tradition
Es solle die Heimat mit all seiner Schönheit zeigen, sagte Miguel Fernandes, PR-Experte und Berater bei der Präsentation des Buches, Mitte November im „Buttek Wanderscheid“ in Luxemburg-Stadt. Dabei handele es sich nicht einfach um eine weitere Neuauflage eines Ketty-Thull-Klassikers. Nein, das passierte bereits vor zehn Jahren, als Editions Schortgen gemeinsam mit Carlo Sauber eine überarbeitete Version veröffentlichte.
„Es ist das Referenzbuch der luxemburgischen kulinarischen Tradition“, verkündet Fernandes mit Stolz, bevor seine Stimme leiser und andächtiger wird. Denn dafür, dass es dieses Buch überhaupt gibt, hat sich der Anfang 2021 verstorbene Verleger Manuel Schortgen starkgemacht. „Kurz nachdem er mit seiner Frau Lena Ende 2020 letzte Details zum Buch besprochen habe, ist Manuel leider von uns gegangen“, erklärt Fernandes.
In der folgenden schweren Zeit war Manuel Schortgens Frau Lena gemeinsam mit dem Verlagshausteam die treibende Kraft hinter dem Buchprojekt. Daher sei dieses Buch dem verstorbenen Verleger gewidmet, so Fernandes weiter.
„Ketty Thull – Heimatgefühle. Rezepte & Geschichten aus Luxemburg“ ist 2021 auf Deutsch und Englisch erschienen. 2022 ist eine französische Ausgabe geplant.
Drei Fragen an Carlo Sauber, der Ketty Thulls klassische Rezepte in die Sprache der modernen Gastronomie „übersetzt“ hat
Tageblatt: Carlo Sauber, warum ein weiteres Ketty-Thull-Buch?
Carlo Sauber: Bedenkt man, dass zwischen 1937 und 1987 insgesamt 17 Ketty-Thull-Bücher veröffentlicht wurden, befinden wir uns noch nicht in einem „Overload“. Denn die Werke wurden immer aktualisiert und die Gastronomie entwickelte sich weiter, so wie unser Land es auch tat.
Derzeit leben etwa 45 Prozent Nicht-Luxemburger hierzulande, da liegt die Antwort der Frage schon auf der Hand. Nach dem Vorbild von Ketty Thull, die in ihren Büchern Esskultur vermittelte, bietet das neue Buch die Gelegenheit, uns den Menschen, die neu in Luxemburg ankommen, so vorzustellen, wie wir sind. Außerdem ist es ein schönes Souvenir, dass man mitnehmen könnte, um Luxemburg daheim zu zeigen.
Nicht zuletzt ist dieses Buch nicht mit seinen Vorgängern zu vergleichen, wo neben den Rezepten Warenkunde und Grundlagen der Haushaltsführung beschrieben wurden.
Dieses Buch erklärt, dass wir mehr sind als nur eine Geldnation und eine Stadt. Wir haben ein Land voller Potenzial, ein Land mit einer Esskultur, eine Moselregion mit tollen Weinen, Müllerthal mit zahlreichen Möglichkeiten für Urlaub und Sport in der Natur; wir haben das Ösling, die Ardennen. All das wollten wir mit diesem Buch zeigen: Wir sind mehr als nur das, worauf wir oft reduziert werden.
Wie haben Sie sich an den Klassiker Ketty Thull herangewagt?
Herangewagt ist das richtige Wort dafür. Es gab einen schönen Moment, als Manuel Schortgen mich damals fragte, ob ich mir als Berufskoch vorstellen könnte, Rezepte für Hausfrauen zu schreiben.
Das fand ich ganz toll. Denn Rezepte, also Kulinarik, sind nichts, was nur für Köche bestimmt ist. Kulinarik, das ist unser aller Alltag und er sollte auch so vermittelt werden – als eine großartige Sache. Diese Kulinarik sind unsere Wurzeln, unsere Geschichte. Da sollte sich keiner zu schade dafür sein. Und da bieten Ketty Thulls Rezepte eine großartige Gelegenheit dafür.
Die im Buch enthaltenen Rezepte sind den heutigen Ernährungsgegebenheiten angepasst, hieß es im Vorfeld der Buchpräsentation. Inwiefern haben Sie als Verantwortlicher die Rezepte angepasst?
Die größte Anpassung fand vor zehn Jahren statt, als wir das Kochbuch aus dem Jahr 1987, das vergriffen und nicht an den aktuellen Tendenzen angepasst war, überarbeitet haben. Damals fügten wir beispielsweise in den Rezepten Fett hinzu, wo es geschmacklich und von der Textur her sinnvoll war.
Unsere nördliche Küche ist per se fettbetonter als die Küche Spaniens oder die der Adria. Wir stehen dazu. Und heute haben wir andere Möglichkeiten zu kochen als früher, sodass wir im Buch von 2011 die größten Anpassungen vornahmen.
In dem jetzigen Werk, das kein reines Kochbuch ist, haben wir neue Rezepte hinzugefügt oder Rezepte, die vor zehn Jahren adaptiert waren, mit ins Buch aufgenommen. Zu den neuen zählen zum Beispiel das „Schuedi“ (traditioneller Butterkuchen) oder „Gromperenzalot mat Kachkéis“. Das sind Gerichte, die nicht aus Ketty Thulls Rezeptsammlung stammen, jedoch zu unserer Kultur gehören.
Ketty Thull – Heimatgefühle
200 Seiten, Hartcover
Sprachen: Deutsch, Englisch
39,50 Euro
ISBN 978-2-919792-12-2
Ketty Thull und die Frischvermählten
Catherine „Ketty“ Thull – wie keine andere ist die Luxemburgerin aus Medingen (1905-1987) die Referenz in Sachen Luxemburger Küche. Ketty Thull war ihrer Zeit weit voraus: Nach ihrer Ausbildung begann sie als Haushaltslehrerin zu unterrichten, ging später nach Paris studieren und erhielt ihr Diplom an der „Académie de l’art culinaire“. Seit ihrer Rückkehr aus Paris unterrichtete Ketty Thull an der Haushaltsschule in Esch.
Ihr „Luxemburger Kochbuch“ bleibt bis heute das Standardwerk der Luxemburger Küche und wartet neben Rezepten auch mit umfangreicher Warenkunde und Küchenwissen auf. Das ideale Geschenk für frisch vermählte Paare, dachten sich womöglich zahlreiche Gemeindeverantwortliche in Luxemburg und beschenkten jahrzehntelang Brautpaare nach der Vermählung mit einem Exemplar des Klassikers.
Ein Buch gewinnen
Möchten Sie ein Exemplar von „Ketty Thull – Heimatgefühle“ gewinnen? Das dazugehörige Gewinnspiel finden Sie auf der Kurzweil-Seite. Viel Glück!
Ich habe es mir vor drei Wochen gegönnt und bin begeistert. Luxemburg von seiner schönsten Seite und in all seinen Facetten.
Ich liebe diese Kochbücher!?
Danke!