Tageblatt: Wie geht es der Stadt? Ein neuer Elan nach den Kommunalwahlen?
Henri Haine: Mit zwei neuen, jungen Schöffen haben wir eine neue Mannschaft, die sich in ihre Ressorts einarbeitet. Ich selbst verantworte die Bereiche Verwaltung, Finanzen, Personal, öffentliche Arbeiten und Mobilität. Die Zusammenarbeit ist gut, die Mannschaft bestens motiviert. Für mich persönlich bedeutete die Neuaufstellung eine Umstellung, habe ich doch mit den vormaligen Schöffen auch sehr gut zusammengearbeitet. Freude bereitet es natürlich, wenn man die absolute Mehrheit zurückgewinnt und so als Partei sein Programm umsetzen kann.
Und in Sachen Finanzen?
Wir sind dabei, unser Budget aufzustellen, doch wir haben noch nicht alle Daten zusammen. Wir wissen also noch nicht genau, in welche Richtung es gehen wird. Was man jedoch bereits heute aufgrund unserer Gespräche unter anderem mit den Syndikaten sagen kann, ist, dass die Ausgaben in den kommenden Jahren immens steigen werden. Etliche Investitionen sind vorgesehen. Als Beispiel nenne ich das STEP (interkommunales Syndikat für Abwasserbehandlung und Recycling, Anm. d. Red.). Hier muss eine neue Kläranlage, eine vierte Reinigungsstufe, gebaut werden. Da reden wir von 160 bis 170 Millionen Euro. Und das sind Beträge, die noch vor Beginn des Ukraine-Krieges genannt wurden. Im Büro des TICE, wo ich neu dabei bin, haben wir erfahren, was auf uns zukommen soll. Laut bisherigem Mobilitätsminister müssten wir bis 2030 ein Null-Emissions-Betrieb werden. Die ganze Busflotte müsste entsprechend erneuert, d.h. auf Strom oder Wasserstoff umgestellt, werden. Auch hier eine Investition von 160 Millionen Euro.
Für Rümelingen sieht es ähnlich aus. Aus den Gesprächen mit den Planungs- und Ingenieurbüros geht hervor, dass bei fast allen Baustellen, die wir vor oder während der Covid-Phase begonnen haben – Kulturzentrum „Spectrum“, Sozialwohnungen, Tribüne des US Rumelange, „Maison relais“ –, die Kostenvoranschläge allein aufgrund des gestiegenen Bauindex spürbar überschritten werden. Bei Vorhaben, die Anfang 2020 vom Gemeinderat genehmigt wurden, sind das 35 Prozent Mehrkosten. Auch in diesem Bereich werden also etliche Mehrausgaben auf die Stadt Rümelingen zukommen.
Wie sieht es auf der Einnahmeseite aus, vor allem bei den staatlichen Zuwendungen?
Da die öffentlichen Finanzen nicht so gut sind wie ursprünglich gedacht, werden wir wohl auch geringere Einnahmen haben oder aber sie steigen nicht mehr in dem Maße, wie wir es in den letzten Jahren gewohnt waren. Das ist eine große Herausforderung für jede Gemeinde. Bisher konnten wir trotz hoher Investitionsvolumen unsere Schuld abbauen. Die dürfte derzeit unter vier Millionen Euro liegen. Wenn wir aber die vorgesehenen Investitionen tätigen wollen, werden wir wohl nicht an ein weiteres Darlehen in den nächsten Jahren vorbeikommen. Das Budget 2023 sah eine Kreditaufnahme von 4,5 Millionen Euro vor, die wir aber nicht benötigt haben.
Die Gemeinden orientieren sich bei der Erstellung ihres Haushalts an die Vorgaben des Innenministeriums. Wie sehen die aus?
Laut rezentem Rundschreiben wären für kommendes Jahr zehn Prozent mehr Zuwendungen im Vergleich zu den Konten von 2022 einzuplanen, 2024 null Prozent. Ich fürchte jedoch, dass ein neues, weniger positives Rundschreiben folgen wird.
Welche Erwartungen haben Sie an die neue Regierung?
Dass die Gemeinden auch weiterhin unterstützt werden. Ich erwarte mir auch eine Vereinfachung der administrativen Genehmigungsprozeduren. Aber auch mehr finanzielle Unterstützung angesichts der uns aufgedrängten Investitionen, Stichwort Kläranlage. Statt erhöht zu werden, wurden Zuschüsse abgebaut. In der Vergangenheit bekamen wir für eine Kläranlage 90 Prozent, heute sind es 40 Prozent. Die Gemeinden müssen dann das Geld aufbringen. Und das Kostendeckungsprinzip anwenden, aber pardon, wenn man sich unsere Bevölkerung in Rümelingen anschaut, ist das nicht so einfach umzusetzen. Es gibt heute bereits etliche Haushalte, die etwa unsere auch so noch recht niedrige Abfallgebühr nicht zahlen können. Wenn die Regierung eine Politik im Interesse der Betriebe und zur Unterstützung des Bausektors betreiben will, darf das nicht auf Kosten anderer gehen. Wenn man nun sagt, weniger Steuern für jedermann, dann bedeutet das weniger staatliche Ausgaben. Für mich heißt das, dass die Zuschüsse für die Gemeinden gefährdet sind.
Sie haben die angespannte finanzielle Situation angesprochen. Wie sieht es denn mit der Umsetzung von Projekten wie die zweite Phase der Erneuerung des Albert-Hames-Hauses aus?
Wir werden am Haus die notwendigen Schutzvorkehrungen ergreifen, aber die Fortführung des Projekts „Spectrum“ wird abwarten müssen. Da können wir nicht 2024 loslegen. Wir müssen nun klar nach den Finanzen schauen.
Der Wohnungspakt sieht einen Berater vor. Das ist okay. Aber das reicht nicht. Der Staat müsste auch bei der Verwaltung und beim Unterhalt der Wohnungen helfen.
Thema sozialer Wohnungsbau: Es kommen sechs neue Wohnungen in der Großstraße hinzu …
Dieses Projekt wird nicht gestoppt. Die Wohnungen werden durch Geothermie beheizt werden, auch wenn das etwas teurer wird. Die Wohnungen werden in zwei Jahren fertig sein. Auch in diesem Bereich erwarten wir mehr staatliche Unterstützung. Als kleine Gemeinde können wir uns keine Dienststelle für Wohnungsbau mit gleich mehreren Personen leisten. Man braucht aber Experten für Wohnungsbau und für die Verwaltung eines Wohnungsparks. Da müsste der Staat mehr Knowhow zur Verfügung stellen. Der Wohnungspakt sieht einen Berater vor. Das ist okay. Aber das reicht nicht. Der Staat müsste auch bei der Verwaltung und beim Unterhalt der Wohnungen helfen.
Ein Großprojekt, das bereits öffentlich vorgestellt wurde, ist die Umgestaltung des Stadtzentrums. Tut sich da bereits etwas?
Dieses Projekt bleibt unsere Priorität. Es ist für Rümelingen wichtig, für die Lebensqualität der Einwohner und für den Erhalt unserer lokalen Geschäftswelt. Es wird eine komplizierte Baustelle, die wir auch mit unseren Nachbarn koordinieren müssen werden. 2024 werden noch immer Vorbereitungsarbeiten laufen. Vieles hängt davon ab, wie wir uns mit der CFL verständigen können. Das Projekt wird sich über mehrere Jahre hin ziehen und in Phasen realisiert werden. Da brauchen wir auch die Unterstützung des neuen Mobilitätsministers bzw. der neuen Ministerin. Wir brauchen auch die Zusammenarbeit der CFL Immo, der das Gelände entlang der Märtyrerstraße gehört und das derzeit als Parkfläche genutzt wird. Hier soll ein Parkhaus entstehen – Voraussetzung zur Umgestaltung des Stadtzentrums, bei der die Parkfläche vor dem Rathaus verschwinden wird. Die Gespräche waren vor den Gemeindewahlen recht erfolgreich, konnten aber nicht abgeschlossen werden.
Das Kayl-Tal erstickt am großen Verkehrsaufkommen. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Kayl-Tetingen und Rümelingen hier aus?
Beim Thema Mobilität im Kayl-Tal arbeiten wir seit Jahren zusammen. Natürlich hat jede Seite ihre Vorstellungen für die eigene Gemeinde, es gibt aber auch gemeinsame Vorhaben. So setzen wir uns für eine höhere Taktfrequenz bei der Bahn ein. Wir denken auch über eine Verbesserung der Radwege nach. Wichtig wäre es, wenn auf der Schlackenhalde in Tetingen ein Radweg eingeplant würde, sodass man entlang des Kayl-Bachs sicher von Rümelingen aus nach Kayl fahren könnte.
Apropos öffentliche Verkehrsmittel: Die RGTR-Linien 601 und 580 verbinden unter anderem Rümelingen mit der Hauptstadt. Sind Sie mit dieser Lösung zufrieden?
Unser Wunsch war, auch weiterhin nur den Luxemburger Hauptbahnhof anzufahren. Die neue Streckenführung der 601 macht viele Umwege. Die meisten arbeitenden Menschen aus Rümelingen nehmen die Linie 580er, die direkt zum Bahnhof führt.
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