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Vor der SommerpauseWahlkampf auf Krautmarkt: Parlament liefert sich Orientierungsdebatte zum Steuersystem

Vor der Sommerpause / Wahlkampf auf Krautmarkt: Parlament liefert sich Orientierungsdebatte zum Steuersystem
In der Chamber ging es am Donnerstag um die Steuern Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Warmlaufen für die kommenden Parlamentswahlen am Donnerstag auf Krautmarkt: Die Parteien legten ihre steuerpolitischen Vorschläge vor und erinnerten an die bisher erbrachten Wohltaten. Die Chamber schloss die Sitzungsperiode demnach mit einer vorgezogenen Wahlversammlung ab.

Grundlage der seit längerem geplanten steuerpolitischen Orientierungsdebatte war ein von Gilles Roth (CSV) zusammen mit André Bauler (DP) erstellter Bericht – ein detaillierter Überblick über Luxemburgs Steuerlandschaft. Darin werden die verschiedenen Steuerarten und ihre Bedeutung für das Staatsbudget, die Vorschläge der Berufskammern, der Arbeitgeberorganisationen und des Nachhaltigkeitsrats sowie deren Auswirkungen auf die Staatsfinanzen analysiert.

Die Vorstellungen der CSV legte Kofraktionschef Gilles Roth vor. „Schaffe muss sech lounen.“ Deshalb sei eine Steuerentlastung jetzt notwendig. Die Vorschläge der CSV: inflationsbereinigte Steuertabelle, Anhebung des Eingangsbeitrags in der Steuertabelle, breitere Steuertranchen sowie eine Zusatzsteuertranche von 45 Prozent bei einem Einkommen ab 500.000 Euro jährlich. Seit 2017 sei die Steuertabelle nicht mehr inflationsbereinigt worden. In der Zwischenzeit seien aber mehrere Indextranchen ausgelöst worden. Durch diese „kalte Progression“ sei es vor allem bei Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen zu einer steuerlichen Mehrbelastung gekommen. Bei den Schuldzinsen soll der steuerlich absetzbare Betrag verdoppelt, der sogenannte „bëllegen Akt“ von derzeit 20.000 auf 50.000 Euro angehoben werden. Die CSV lehnt eine Erbschaftssteuer in direkter Linie ab, wünscht sich stattdessen eine Spekulationssteuer auf leerstehende Immobilien und Bauland.

Etwas vorsichtiger operierte Roths Koberichterstatter André Bauler. Er wies auf die Folgen der Covid-19-Pandemie und des Ukraine-Kriegs auf die Staatskasse hin. Für eine große Steuerreform sei kein Spielraum vorhanden, sagte er. Die Steuerreform von 2017 sei ein erster Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit und Innovation Luxemburgs gewesen. Kleine und mittlere Einkommen seien entlastet worden. Der Spitzensteuersatz sei auf 42 Prozent angehoben worden. Bauler erinnerte an etliche Sozialmaßnahmen wie die Gratisschulbücher, das kostenlose Mittagessen für Schüler, den unentgeltlichen öffentlichen Transport, die Anhebung der Teuerungszulage oder die Reindexierung des Kindergelds. Die DP sei gegen eine Erbschaftssteuer in direkter Linie. Die Vermögenssteuer für Unternehmen soll nicht angehoben werden. Abgelehnt wird auch eine Corona- oder Krisensteuer. In Erwägung ziehen könnte man aber steuerpolitische Maßnahmen für alleinerziehende Familien. Andere Maßnahmen sollte man diskutieren, falls das Staatsbudget es erlaube. Die Individualisierung der Besteuerung bleibe ein mittelfristiges Ziel der DP. Ebenso die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation.

Von Steuern und Preisen

Die Debatte reiche über diese Legislaturperiode hinaus. Der Wähler soll wissen, was ihn später erwartet, so Dan Kersch (LSAP). Auch wenn eine große Steuerreform derzeit nicht möglich sei, bestehe dennoch Handlungsbedarf. Eine einfache Anpassung der Steuertabelle an die Preisentwicklung lehnte er ab. Sie würde vor allem den Besserverdienern zugutekommen – eine unselektive, nicht zielführende Maßnahme demnach. Stattdessen schlägt die LSAP eine substanzielle fiskale Entlastung der kleinen und mittleren Einkommensbezieher dank einer abgeänderten Progressivität der Steuertabelle und zusätzliche Einkommenstranchen vor. Einkommen und Kapital sollten gleich stark besteuert werden. Kersch befürwortete eine Übergewinnsteuer, eine Steuer auf die zusätzlichen Gewinne, die vor allem Großunternehmen während der aktuellen Krisen einstreichen. Auch sollte die Solidaritätssteuer für gutverdienende Unternehmen angehoben, für die anderen gesenkt werden. Die LSAP würde die vor einigen Jahren abgeschaffte Vermögenssteuer für Privathaushalte mitsamt Freibetrag wieder einführen. Deren Abschaffung sei ein Fehler gewesen, räumte Kersch ein.

Grünen-Sprecher François Benoy forderte eine einheitliche Steuerklasse. Wann diese Forderung realisiert werden könne, sei nicht absehbar. Den Mindestlohn würden „déi gréng“ dank eines Sondersteuerkredits um mindestens 50 Euro netto anheben. Die kalte Steuerprogression würde damit überkompensiert. Zur Anpassung der Steuertabelle an die Inflation wünschte er sich eine „realistische Debatte“. Einen höheren Steuerkredit schlug er für Alleinerzieher vor. Neben einer stärkeren Besteuerung von Kapitaleinkünften schloss Benoy auch die Einführung einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer nicht aus.

Roy Reding (ADR) prangerte die wachsenden Ausgaben des Staates an, verursacht durch immer neue, selbst auferlegte Aufgaben. Zusätzliche Steuern lehnt er ab. Der Staat müsse sparen, so wie auch Familien dies tun, wenn das Haushaltsgeld nicht reicht. Diese verzichte dann mal „auf die Ferienreise auf Bali“. Reding zufolge würden Beschäftigte und die Selbstständige zu hoch besteuert. Der Mindestlohn sollte steuerfrei sein, die Steuertabelle an die Preisentwicklung angepasst werden. Großverdiener sollten nicht zusätzlich belastet werden.

Pandemie und Ukraine-Krieg

Seine Nachfolgerin am Rednerpult, Nathalie Oberweis („déi Lénk“) forderte hingegen höhere Steuersätze für Großverdiener. Auch sollte eine Reichensteuer eingeführt werden. Um die Vermögenslage der Einzelnen zu prüfen, bedürfe es jedoch der Aufhebung des Bankgeheimnisses für Gebietsansässige.

Die Regierung sei nicht fähig, ihr Wahlversprechen einer Steuerreform durchzuführen, stichelte Sven Clement (Piratenpartei), der Ungerechtigkeiten des aktuellen Steuersystems anprangerte. Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich weiter. Laut Clement sollten alle Einkünfte steuerlich gleichbehandelt und eine einzige Steuerklasse eingeführt werden. Um Ausfälle zu kompensieren, sollte der Spitzensteuersatz von derzeit 42 auf 49 Prozent angehoben werden.

Als das Koalitionsprogramm ausgearbeitet wurde, gingen die Projektionen für dieses Jahr von einem Staatsbudget im Gleichgewicht aus, was auch Raum für Steuererleichterungen gegeben hätte, so Finanzministerin Yuriko Backes (DP). Doch dann kamen Pandemie und Ukraine-Krieg. Die positive Nachricht: Die erste Jahreshälfte schließen die Finanzen des Staates besser ab als ursprünglich gedacht. Die Einnahmen entwickelten sich gut, die Ausgaben bewegten sich in einem vernünftigen Rahmen. In der zweiten Jahreshälfte würden sie jedoch angesichts des beschlossenen Solidaritätspakets spürbar ansteigen. Auch seien die neuesten Wachstumsprognosen der EU für Luxemburg für 2023 weniger günstig. Backes sprach von großen Unsicherheiten. Man müsse sich auf ökonomisch schwierigere Zeiten einstellen und dürfe den Wohlstand in Luxemburg nicht länger als selbstverständlich betrachten.

Backes lehnte Maßnahmen, die zu strukturellen Defiziten führen, ab. Aber punktuelle Anpassungen seien möglich. Dazu gehören weder die Befreiung des Mindestlohns von der Einkommenssteuer noch die Anhebung des Spitzensteuersatzes oder die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation. Auch die Abschaffung der Steuerklassen steht noch nicht an. Alleinerzieher sollen über gezielte Maßnahmen entlastet werden. Im Herbst soll ein Gesetzesprojekt zur Einführung einer nationalen Spekulationssteuer vorliegen. Nein sagt Backes auch zu einer Sondergewinnsteuer. Firmen, die mehr Gewinn machen, würden beim aktuellen Steuersystem ohnehin mehr Steuern zahlen.

Grober J-P.
15. Juli 2022 - 9.52

"breitere Steuertranchen sowie eine Zusatzsteuertranche von 45 Prozent bei einem Einkommen ab 500.000 Euro jährlich."
Hat er das ernstgemeint? Arme Fachdoktoren, arme Bankmanager, armer Grand Duc, wer denn noch?
Soviel hatte ich in den letzten 10 Jahren nicht. Danke, dass die Geringverdiener wieder verschont bleiben.
„Schaffe muss sech lounen.“
Hätte man das früher gewusst, kenne einpaar die schaffen wirklich, sogar mit Mindestlohn.