„Concours mondial de Bruxelles“: Nicht nur der Name dieses Wettbewerbs klingt grandios. Mehr als 10.000 Weine treffen auf 250 Juroren aus 48 Ländern. Wo im riesigen Bankettsaal des Hotels in Dommeldingen sonst rauschende Bälle stattfinden, geht es jetzt wie bei einer Universitätsklausur zu. Es ist mucksmäuschenstill, die Tester schlürfen, schnalzen und besprechen sich ab und an. „Nur der Gaumen entscheidet“, erklärt Thomas Costenoble, Direktor des „Concours mondial de Bruxelles“, flüsternd, als er uns auf Entdeckungsreise hinter den Kulissen eines der größten internationalen Weinwettbewerbe mitnimmt.
„Professionelle Degustation braucht Konzentration“ und kein Parfüm, erklärt der Belgier. Im Verkostungssaal gibt es keine Düfte, um die Nasen der Juroren nicht vom Wein abzulenken. Sogar die Sommeliers, die mit den nächsten Proben zu den Tischen huschen, bewegen sich beinahe geräuschlos.
Der „Concours mondial de Bruxelles“ gleicht einem komplexen Uhrwerk mit feinster Abstimmung der einzelnen Bausteine. Am Ende ist ihr Zusammenspiel überragend zuverlässig. Eine Reise in die Welt von feinfühligen Gaumen und präzise orchestrierten Weindefilees.
Die Weine
Mehr als 10.000 Proben werden während der drei Tage des Wettbewerbs verkostet. Sie werden in Serien bewertet, jede Serie wird aufgrund der Herkunft, Sorte und Identität der Weine zusammengesetzt. „So zieht sich der Charakter des jeweiligen Weintyps wie ein roter Faden durch den Test der Serie“, erklärt „Concours“-Direktor Costenoble.
Abgesehen von der Farbe ist der Charakter oft der einzige Hinweis für die Juroren auf den Kandidaten vor sich. Bei der „Blindverkostung“ sind sogar die Flaschenhälse bis zum Rand verhüllt. „Wir verkosten den Wein wegen seiner inneren Werte und nicht, weil er eine bestimmte Reputation hat.“ Diese Einschätzung erwarte der Endverbraucher von den Prüfern, wenn er im Supermarkt zu Medaille-prämierten Tropfen greife, sagt Costenoble.
Rund 50 Weine täglich stellen sich der Prüfung. „Das mag viel erscheinen, aber die Profis sind eine solche Menge zu testen gewöhnt“, so der Wettbewerbs-Direktor.
Die Aufgabe der Jury sei es, die Weine unter „den bestmöglichen Bedingungen“ zu prüfen. Für die Erfüllung dieser Bedingungen – die richtige Temperatur und die Entfaltung der charakteristischen Eigenschaften – seien die Veranstalter verantwortlich. „Weiß- und Schaumweine warten auf ihren Einsatz in Kühlanhängern draußen vor dem Saal, bis sie buchstäblich in letzter Minute serviert werden“, erklärt der Chef, während er in einen Teil des großen Saals führt, der für die Juroren tabu ist.
Im Herzen des „Concours mondial de Bruxelles“ haben nur die Sommeliers Zutritt. Auf großen Tischen aufgestellt stehen in Reih und Glied die Weine, die laut Programm an diesem Tag zur Verkostung stehen, erklärt Costenoble. In blauem „Kleid“ sind die gekühlten, Rot steht für Zimmertemperatur. Jeder Sommelier arbeitet eine Liste mit den jeweiligen Serien aus dem Programm des aktuellen Tages ab.
Hersteller, die ihre Weine vorstellen möchten, können Proben beim Brüsseler „Concours mondial“ einreichen. Sie müssen jedoch über ein Minimum an „verkaufsfähigen Flaschen“ verfügen, damit „der Verbraucher weltweit die Weine kaufen kann“, sagt der Direktor. Für ganz kleine Winzerbetriebe sei das – leider – ein Ausschlusskriterium.
2021 sind Weine aus 48 Ländern beim Wettbewerb in Luxemburg vertreten, darunter Tropfen aus Peru, Polen, China, Südafrika, Chile oder auch England.
Die Juroren
Die Verkoster – das sind Önologen, Sommeliers, Einkäufer großer Ketten und Fachjournalisten. Eine Jury setzt sich aus vier bis fünf Verkostern zusammen. Kleine Fähnchen neben dem Namensschild weisen auf ihr Heimatland hin. Jedem Team steht ein Präsident vor, der die weniger erfahrenen Tester leitet und die Bewertung begleitet.
Aufgrund der Pandemie nahmen 2021 nur Juroren aus Europa am Wettbewerb teil. Üblicherweise sei die ganze Welt an den Verkosterplätzen vertreten, sagt Thomas Costenoble.
Um als Juror an einem solchen „Concours“ teilzunehmen, muss man mehrere Anforderungen erfüllen. Botschafter des „Concours mondial de Bruxelles“ halten weltweit Ausschau nach Experten, die das „beste Profil“ haben, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Die Medaillen
Wie in der Sterneküche bringen Sterne – hier Medaillen – nicht nur Prestige, sondern auch handfeste finanzielle Vorteile mit sich, erklärt der Direktor. „Weine mit einer Medaille werden immer teurer, als die Konkurrenz verkauft.“ Ein Beispiel der belgischen Supermarktkette spricht von Margen von bis zu 15 Prozent mehr gegenüber der nicht-prämierten Konkurrenz. „Die Kunden vertrauen der Medaille als Qualitätslabel“, so Costenoble.
Aufgrund des Klimawandels schnellte in den letzten 25 Jahren weltweit der Alkoholgehalt signifikant nach oben
Die Gewinner aus Luxemburg
Goldmedaillen
Areo Riesling 2017, Domaine viticole Schumacher-Knepper
Auxerrois Vieilles Vignes Grand Premier Cru 2020, Domaine Vinsmoselle
Desom Brut Millésimé 2017, Caves St-Remy – Desom
Silbermedaillen
Pinot Gris Wellenstein Fouschette AOP L-5150 2018, Bastian Mathis Domaine viticole
Bernard-Massard Organic, Caves Bernard-Massard S. A.
Gales Cuvée Première Rosé Brut, Caves Gales S. A.
Gewürztraminer Machtum Göllebour 2020, Domaine Vinsmoselle
Pinot Gris Machtum Göllebour Grand Premier Cru, Domaine Vinsmoselle
Klimawandel und Alkoholgehalt
In einem Vierteljahrhundert „Concours mondial de Bruxelles“ habe sich die Weinbranche enorm verändert, sagt Thomas Costenoble. Zwei Entwicklungen stünden beispielhaft für den Wandel der Weinwelt: der Alkoholgehalt und die Flaschenverschlüsse.
„Aufgrund des Klimawandels schnellte in den letzten 25 Jahren weltweit der Alkoholgehalt signifikant nach oben.“ Lägen noch vor 20 Jahren die Mittelwerte bei 2 bis 6 oder 8 Prozent, so seien es heute 3 bis 13 Prozent, schildert der Experte. Mehrere Studien im Auftrag des „Concours mondial de Bruxelles“ beschäftigen sich derzeit mit der Frage, wie man diesen Alkoholgehalt reduzieren kann. „Der ‚Concours mondial’ fungiert in diesem Sinne als ein echtes Labor im Dienst der Verbraucher“, erklärt Costenoble stolz.
Im Laufe der Jahre haben die Erhebungen, die die Verantwortlichen im Hintergrund der Wettbewerbe durchführen, insbesondere über den Einsatz unterschiedlicher Flaschenverschlüsse, interessante Einblicke in den Wandel auf diesem Gebiet ergeben. Ob Korken, synthetische oder Drehverschlüsse: „Wir beobachten, dass bei manchen Weiß- und Roséweinen die Tendenz zu Drehverschlüssen geht.“ Was die Glasverschlüsse beträfe, sagt Costenoble mit Blick auf die Datenbank des Wettbewerbs von mehr als 25 Jahren, so sähen sie gegenüber den anderen Verschlüssen ästhetischer aus. Allerdings seien sie nur für bestimmte Sorten Wein geeignet, zum Beispiel für welche, die nicht lange lagern.
Auf dem Vordermarsch seien außerdem die Drehverschlüsse: „Diese haben den Vorteil, dass sie nie Geschmack wie Kork abgeben. Jedoch erlauben sie dem Wein, sich weniger zu entwickeln.“
Korken bleiben allerdings weiterhin Standard, führt Thomas Costenoble aus. Ihre Qualität werde immer besser und nur in seltensten Fällen würden die Weine „korken“, zeigten die Erhebungen des Wettbewerbs.
Ein anderer aufkommender Trend unserer Zeit seien alkoholfreie Weine, bestätigt der Direktor. So wie Weine ohne Zuckerzusatz oder orange-farbige Sorten.
Mammut-Aufgabe Organisation
Die Veranstalter kommen aus Belgien, der Wettbewerb findet jährlich in einem anderen Land statt. Üblicherweise geht er an drei aufeinanderfolgenden Tagen über die Bühne. Wegen der Pandemie wurde er 2021statt in China in Luxemburg organisiert, und das an neun statt der gewohnten drei Tage. Die 300 Juroren wechselten sich bei der Arbeit ab – alle drei Tage traten jeweils 100 neue Verkoster ihren Dienst an.
Eine der größten Herausforderungen beim Wettbewerb ist die Logistik: 10.000 Flaschen müssen sortiert, vorbereitet und kontrolliert werden. „Bevor eingeschenkt wird, wird jede Flasche 13-mal überprüft, um sicherzugehen, dass die richtige Flasche zum richtigen Zeitpunkt unter den bestmöglichen Bedingungen gereicht wird“, sagt Thomas Costenoble. Falls ein Tester eine zweite Flasche zur Gegenkontrolle verlangt, stehen eine Etage tiefer exakt die gleichen Serien von 10.000 Weinen aufgereiht.
Neben der ausgeklügelten Logistik müssen die Veranstalter für „die bestmöglichen Bedingungen“ der Verkostung sorgen. Dazu gehören unter anderem die richtigen Weingläser. Bei diesem Wettbewerb zeichnet ein namhafter Hersteller aus Österreich verantwortlich. Kurze Reinigungszyklen in professionellen Spülmaschinen sorgen für trockene und geruchsneutrale Gläser für die nächste Testrunde.
Heimvorteil Luxemburg
Für den hiesigen Weinbau bietet der internationale Wettbewerb nicht nur die Möglichkeit, seine Produkte der Jury zu präsentieren. Die Verkoster lernten bei Ortsterminen und bei einer Flusskreuzfahrt das „Terroir“ und die Besonderheit der Weine der Luxemburger Mosel kennen, erzählt Thomas Costenoble.
„Die Luxemburger Weine sind in einigen Länder bekannt, aber Juroren aus der Schweiz oder Portugal haben von ihnen gehört, kennen sie jedoch wenig“, so der Direktor des „Concours“. Auf diesem Wege ermögliche der Wettbewerb es als „Botschafter“ den beiden Seiten, sich gegenseitig näher kennenzulernen.
„Das Wetter bestimmt die Qualität“
Arno Bauer ist Kellermeister, arbeitet für die drei Kellereien Gales, Saint-Martin und Krier Frères und war mehrmals als Juror für Luxemburg beim „Concours mondial de Bruxelles“ tätig. „Dieser Wettbewerb zeichnet sich durch die internationale Auswahl und Qualität der Weine, die Professionalität der ‚dégustateurs’ und die fachkundige Durchführung aus“, sagt Bauer im Tageblatt-Gespräch.
Von Trends möchte der Kellermeister nicht sprechen, dennoch seien die Weine von Jahrzehnt zu Jahrzehnt alkoholreicher werden und ihre Qualität steige. Letzteres sei allerdings abhängig vom Jahrgang, betont Bauer. „Das Wetter bestimmt die Qualität des Weines.“
„Interessant, Weine zu entdecken“
„Es ist immer interessant, Serien, Weine, zu entdecken, die man gar nicht kennt“, sagt Claude François, der bekannte Weinexperte, der bereits zum zwölften Mal dabei ist, mit Blick auf die Blindverkostung. Manchmal seien die einzigen Informationen für die Juroren das Alter und ob es sich um ein Millésimé handele.
Erst nach allen Durchgängen und Bewertungen tauschen sich die Verkoster untereinander aus, an ihrer Punktevergabe können sie dann nichts mehr ändern. Eine Liste mit den verkosteten Weinen, die sie aber im Nachhinein bekommen, verrät ihnen, ob ihr Gaumen recht hatte, zum Beispiel bei der geografischen Einordnung der Tropfen, erklärt der Experte.
Auch der zweite Vertreter Luxemburgs beim „Concours mondial de Bruxelles“ hebt die professionelle Organisation des Wettbewerbs und seinen internationalen Charakter hervor. „An unserem Jury-Tisch sitzen ein Portugiese, ein Italiener, eine Bulgarin und ein Luxemburger zusammen. Das ist interessant, denn wenn die Punktezahl vorgelesen wird, merken wir, dass wir oft sehr nah mit unserer Bewertung liegen“, sagt François.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können