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„Unser Ziel ist, die aktuelle Regierung abzulösen“: Im Gespräch mit Claude Wiseler

„Unser Ziel ist, die aktuelle Regierung abzulösen“: Im Gespräch mit Claude Wiseler

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Ein Gespräch mit dem Spitzenkandidaten von der CSV über "Musts" bei Koalitionsgesprächen, Rentenreform und flinke Worte im Wahlkampf.

«Rote Linien» mag er nicht, sagt der CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler: Er rede lieber von «Musts». Diese könnten für heftige Diskussionen bei kommenden Koalitionsgesprächen führen. Wenn denn die CSV diese Wahlen «halbwegs gewinnt».

Trotz etlicher Wahlplakate, eines Quasi-Overkills an Wahlkampfsendungen haben wir es mit einem eher lauen Wahlkampf zu tun. Oder täuscht der Eindruck?

Claude Wiseler: Dem Begriff lauer Wahlkampf haftet etwas Pejoratives an. In unserem Wahlkampf bemühen wir uns, unser Programm zu erklären. Wir betreiben kein Parteibashing. Ob das strategisch richtig oder falsch ist, werden wir nach den Wahlen feststellen, aber das war eine bewusste Entscheidung, die wir auch konsequent durchziehen. Unsere Option ist, die Menschen von unseren Absichten und Vorschlägen zu überzeugen. Wir haben einen Plan, und wenn man das als Slogan nimmt, muss man als Ziel haben, zu erklären, warum wir dies und jenes anstreben. Was erklärt, warum, entgegen den Erwartungen der Journalisten, «d’Fatzen net fléien».

Bloß dass sich auch andere koalitionsfähige Parteien zurückhalten …

Normalerweise schwingt die Opposition die Keule. Wenn die Opposition aber entschieden hat, ihre Visionen als Alternative darzulegen und auf die Keule zu verzichten, die anderen eine gemeinsame Bilanz verteidigen müssen und die Unterschiede nicht so offen darlegen, wie sie in Wirklichkeit sind, dann hat man derlei Ergebnis.

Man könnte sich von einer Oppositionspartei dennoch ein raueres Auftreten erwarten.

Wir kritisieren, sagen, was unserer Ansicht nach falsch läuft, aber immer in Verbindung mit unseren Alternativen. Normalerweise beklagt man sich über die Politikmüdigkeit der Menschen. Ich habe den Eindruck, dass Letztere auch daher kommt, weil Politiker wahllos aufeinander einschlagen. Deshalb will ich, dass unsere Partei den Menschen erklärt, was sie zu tun beabsichtigt. Wenn man uns dann vorwirft, unzureichend heftig zu sein, dann muss man damit leben.

Nun ist es aber so, dass dank neuer Medien auch im Wahlkampf flinke Worte schneller ankommen als langatmige Programmerklärungen.

Natürlich versuchen wir auch komplexe Botschaften so zu reduzieren und zu formulieren, dass sie rüberkommen, etwa auf den sozialen Plattformen.

Wie erleben Sie die Reaktionen von Wählern in diesem Wahlkampf, mal abgesehen von Parteimitgliedern und Sympathisanten?

Unsere Wahlversammlungen sind gut besucht, seien es die klassischen als auch «Claude Wiseler live». Die Fragen, die man uns stellt, betreffen akute Probleme des Landes wie Wohnen, Gesundheit, Mobilität, Zusammenleben und Wachstum. Ich habe den Eindruck, dass wir mit unseren Themen die Sorgen der Menschen erreichen. Wir bekommen eine gute Diskussion darüber, was wir beabsichtigen. Das will ich erreichen. So stelle ich mir Politik vor.

Welche Schnittmengen sehen Sie zwischen den einzelnen Parteien?

Schnittmengen gibt es schon, vor allem in Worten, aber nicht immer in konkreten Taten, die daraus folgen. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen dem, was wir unter Familienpolitik verstehen und dem, was diese Regierung getan hat. Es gibt hier keine Schnittstellen. Unterschiede gibt es auch zwischen uns und der LSAP was die Betriebssteuern anbelangt. Etienne Schneider sagt, die Unternehmenssteuer dürfe nicht reduziert werden, sogar eine neue Steuer, eine Robotersteuer, müsse eingeführt werden. Der Mindestlohn müsste um zehn Prozent erhöht, die wöchentliche Arbeitszeit auf 38 Stunden reduziert und eine sechste Urlaubswoche eingeführt werden. Da gibt es reale Unterschiede, auch zwischen den aktuellen Koalitionspartnern. Es gibt Unterschiede zwischen uns und den Grünen, wenn man etwa über administrative Vereinfachung redet, beim Naturschutz beispielsweise. Das nun gewählte Naturschutzgesetz geht diesbezüglich nicht weit genug.

Und dann die Problematik Mobilität, Ausbau des Straßennetzes. Wenn wir in die Lage versetzt würden, eine Koalition zu bilden, wären das Punkte, die bei den Gesprächen mit den anderen Parteien zu Problemen führen würden.

Gibt es bei der CSV «rote Linien»?

Ich rede lieber von «Musts». Es gibt eine Reihe von Reformen, die das Land unbedingt braucht. Wir kommen nicht daran vorbei, die öffentlichen Finanzen ins Gleichgewicht zu bringen, damit wir Reserven anlegen können für schlechtere Zeiten. Wir müssen über die Renten, über die Kindergeld- und Familienpolitik reden.

Stichwort Rentenreform: In welche Richtung soll diese denn nach Ansicht der CSV gehen?

Sie soll in die Richtung gehen, dass in 15 Jahren, wenn die gesetzliche Mindestgrenze erreicht ist, wir die Renten weiterhin garantieren können

Das sagt jeder.

Ja, aber es gibt auch welche, die behaupten, man bräuchte nichts zu tun. Oder dass man noch 15 Jahre lang Zeit hat. Wir sagen, wenn wir eine Reform wollen, bei der die Rentenversprechen nicht gebrochen werden, müssen wir jetzt darüber reden. Zehn bis 15 Jahre warten, bedeutet, dass man dann stärker eingreifen muss. Wir wollen das aber nicht.

Und konkreter?

Wenn ich jetzt gleich einen detaillierten Reformplan vorlegen würde, würde er gleich zerredet. Ich möchte den Generationenvertrag aufrechterhalten und mit den Sozialpartnern über die notwendigen Maßnahmen diskutieren. Die 2012er Reform des damaligen Sozialministers Mars di Bartolomeo war die erste Reform, die in die richtige Richtung ging. In diese Richtung sollte man weiterdenken.

Die Online-Plattform reporter.lu schrieb dieser Tage, eine CSV-DP-Koalition sei quasi bereits abgemacht? Gab es schon Kontakte zur DP?

Das ist die Analyse des Autors. Sie stimmt aber nicht. Wir haben uns noch mit niemandem abgesprochen. Ich habe keine Verhandlungen geführt. Wir müssen diese Wahlen zuerst halbwegs gewinnen. Bis zum 14. Oktober werden keine derlei geartete Verhandlungen oder Gespräche geführt. Ich will das nicht. Was letztes Mal geschah, finde ich nicht gut. Man kann das tun, aber dann sollte man es den Menschen auch sagen.

Aber vielleicht haben Ihre engen Mitarbeiter das getan, ihre «Lieutenants», wie man in Frankreich sagen würde?

Man weiß nicht, wer mit wem redet. Wenn wir gewählt werden, dann entscheide ich darüber zusammen mit unserem Nationalvorstand. Ich will das im Vorfeld nicht tun. Und falls ich das tun würde, würde ich unsere Wunschkoalition öffentlich nennen.

Die DP hat angeblich noch eine Wahlumfrage in Auftrag gegeben. Und die CSV?

Wir haben nichts dergleichen getan. Angesichts des hohen Kostenpunkts und der hohen Fehlerquoten von drei bis vier Prozent nach oben bzw. nach unten, haben wir beschlossen, das Geld in die Wahlkampagne zu investieren.

Was peilen Sie an? Erneut 26 Sitze wie bis 2013 oder den aktuellen Status quo von 23 Sitzen?

Unser Ziel ist, die aktuelle Regierung abzulösen.

Eine Ihrer bekannten Parteikolleginnen, Astrid Lulling, hat uns unlängst gesagt, ein Luxemburger Premierminister müsse sich ausgezeichnet in Wirtschafts- und Finanzfragen auskennen? Ist das bei Ihnen der Fall? Ihr Background ist ja ein anderer.

Während meiner politischen Laufbahn habe ich mich ständig mit Wirtschafts-, Finanz- und Steuerfragen befasst. Sodass ich mich ziemlich gut damit auskenne. Während meiner Beamtenzeit habe ich auch schnell gelernt, wie man mit Budgetfragen umgehen muss. Und als Regierungsmitglied hatte ich relativ wichtige Ministerien und Budgets zu verantworten.

Zum Schluss noch eine Frage zur Europa- und Außenpolitik. Falls sie Premierminister werden , werden Sie mit Leuten wie Viktor Orban an einem Tisch sitzen.

Meine und die Haltung meiner Partei zu Viktor Orban ist eindeutig. Die Politik von Herrn Orban passt nicht in die EVP. Das haben wir bereits vor zwei Jahren in der EVP gesagt. Dazu stehen wir. Aber diese Frage betrifft nicht so sehr die EU-Staats- und Regierungschefs, wenn sie zusammenkommen, als vielmehr die EVP.

Man könnte also auch von Ihnen einen «merde alors» erwarten?

Das ist die Ausdrucksweise von Außenminister Jean Asselborn. Ich kann diese Reaktion durchaus verstehen. Und ich hätte auf die Aussagen von Italiens Innenminister Salvini auch reagiert. Auch wenn ich das anders formuliert hätte. Weil man nun Salvini die Möglichkeit gegeben hat, in Italien Stimmung gegen Luxemburg zu machen. Übrigens habe ich Jean Asselborns Reaktion nicht kritisiert, weil ich weiß, dass so was eben manchmal geschehen kann.

J.C. KEMP
9. Oktober 2018 - 15.02

Jetzt wissen wir's also: Der Plan heisst, zurück an die Macht. Nur noch eine andere doofe Rechtspartei finden, die alles mitmacht, um auch mit an die Macht zu kommen.

Dingo
9. Oktober 2018 - 9.26

Genau esou ass et, mais daat hunn déi meescht séier vergiess oder net mattkritt.. Mat der häiteger Equipe wären mer d'Gaass an.

René Charles
8. Oktober 2018 - 16.20

Eppes muss een bedenken:
Virun 10 Joer ware mer déif an der Bankekris, déi vun CSV/LSAP gemeeschtert gouf.
Soss war nët vill Grousses mam Budget ze maachen.
Virun 5 Joer war d'Kris eriwer an d'Wirtschaft huet all Joer méi gebrummt.
Dat waren 2erlee "Startlächer"

CESHA
8. Oktober 2018 - 14.56

Wie sagt ein altes Sprichwort: "D'Geess hätt och gären e laange Schwanz gehat, se krut awer trotzdem nëmmen e kléngen Deckel".
Ziele sind gut, aber ob sie sich verwirklichen lassen, hängt vom Wähler ab. Meine Stimme wird die CSV jedenfalls NICHT erhalten

roger wohlfart
8. Oktober 2018 - 10.35

Korrekt. soll natürlich Plan heissen.

roger wohlfart
8. Oktober 2018 - 9.47

Endlich ist es raus, die CSV will die Wachablösung. Claude Wiseler grinst nicht nur mehr, er spricht Klartext . Einen plant haben die Christsozialen ja schon und ebenfalls ein Dutzend Ministerkandidaten . Jetzt brauchen sie nur noch die Zustimmung der Wähler, eine möglichst deutliche Mehrheit und ein kleiner Koalitionspartner und dann auf in die nächsten 5 Jahre, zurück in die Vergangenheit , die sie Zukunft nennen!