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Umfassende Bildgebung bei Skoliosen: Ein Scanner, der doppelt genau hinsieht

Umfassende Bildgebung bei Skoliosen: Ein Scanner, der doppelt genau hinsieht

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Schneller und schonender als ein Röntgengerät, gleichzeitige Seiten- und Profilaufnahmen, Untersuchung im Stehen statt im Liegen – in der «Kannerklinik» leistet ein einzigartiger Scanner wertvolle Dienste an großen und kleinen Patienten. Daisy Schengen hat sich ihn näher angeschaut.

Der Eos-Scanner bei der Arbeit in der Röntgenabteilung der «Kannerklinik» (Foto: CHL/ Paul Foguenne)

Ein grauer Januarnachmittag, im «Centre hospitalier de Luxembourg» (CHL) geht es wie in einem Bienenstock zu. Unweit des Trubels, in der Röntgenabteilung der „Kannerklinik“, hilft seit Ende 2012 das bildgebende System mit der sperrigen Fachbezeichnung «Stéréo radiologie Eos ultra basse dose 2D/3D», Muskel-Skelett-Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen dank präziser Aufnahmen punktgenau zu behandeln. Die äußere Form des Geräts gleicht einer geräumigen Eckduschkabine mit gelb-orangen Wänden, einer großen Aufschrift «Eos» und einer Plattform in der Mitte, die über eine Stufe zu erreichen ist. Im Gegensatz zu üblichen Geräten funktioniert das Röntgen im Eos ausschließlich im Stehen, erklärt der zuständige (Kinder-)Radiologe Dr. Jean-Paul Van Nieuwenhuyse.

Dr. Jean-Paul Van Nieuwenhuyse (Kinder-)Röntgenologe

Je nach Untersuchung liefert der rund 400.000 Euro teure Apparat binnen fünf bis zehn Sekunden (für Bilder der Wirbelsäule) und bis zu 25 Sekunden (für Bilder des gesamten Körpers) gleichzeitig zwei aussagekräftige Aufnahmen in der Frontal- und Seitenansicht, schreibt die Klinik in einer Infobroschüre. Auf Basis der zweidimensionalen Röntgenaufnahmen lässt sich im Spezialfall ein 3D-Modell erstellen, das den Medizinern erlaubt, Erkrankungen der Wirbelsäule (wie Skoliosen und Instabilitäten), der Gliedmaßen, der Hüftgelenke, der Knie und der Knöchel höchst präzise darzustellen und zu messen, sodass die Auswahl der Therapiemethoden (Operationstechnik und/oder benötigte -Prothesen) punktgenau auf den Einzelfall abgestimmt werden kann, erläutert der zuständige Kinderchirurg Dr. Jerry Kieffer.

Kinderchirurg Dr. Jerry Kieffer

Nobelpreis macht Weg frei für Eos

Besonders stolz sind beide Mediziner auf die Tatsache, dass Luxemburg als 50. Land weltweit ein solches hochmodernes Gerät, noch vor Staaten wie Deutschland oder Belgien, installiert hat. «Anfangs war das (Gerät) gar nicht so bekannt», blickt Dr. Jerry Kieffer zurück. «Es handelt sich um eine französische Erfindung, eine Zusammenarbeit zwischen meinem früheren Chef aus der Kinderorthopädie (der Klinik St-Vincent-de-Paul in Paris, Anm. der Red.) und dem Nobelpreisträger, dem Physiker Georges Charpak. Das erste Eos-Gerät weltweit wurde dort in Betrieb genommen, sodass wir früher als andere Nationen um das Können des Scanners wussten.»

Hinzu kam, dass die Pariser Kinderorthopädie, in der Dr. Kieffer seine Ausbildung machte, auf Skoliosen spezialisiert war. Dort wurden betroffene Kinder behandelt, die regelmäßigen Röntgenuntersuchungen (alle sechs bis acht Monate) bedurften, erzählt der Luxemburger Chirurg aus seiner langjährigen Praxis. «Meistens handelte es sich bei diesen Patienten um Mädchen. Wir wissen aus Studien, dass die Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) etwa im Verhältnis 5:1 Mädchen zu Jungen auftritt. Außerdem haben ältere Studien bewiesen, dass Mädchen, die während einiger Jahren in der Wachstumsphase vor der Pubertät regelmäßig geröntgt werden, öfter an Brustkrebs erkranken als Frauen, die als Jugendliche keiner Bestrahlung ausgesetzt waren.»

Genaueste Aufnahmen von Skoliosen dank des Hightech-Scanners Eos gleichzeitig mit Röntgenstrahlen und in 2D/3D geliefert. (Fotos: CHL)

Und so suchten die Ärzte nach einer bildgebenden Methode, welche ihnen die gleichen Informationen wie ein Röntgenbild lieferte, jedoch in puncto Strahlen weitaus schonender für ihre kleinen Patienten war. In der Tat ist die während der Untersuchung abgegebene Strahlendosis deutlich geringer als die üblicher Röntgengeräte. Entscheidend dafür ist die Entdeckung von bestimmten Teilchendetektoren, wofür der Physiker Georges Charpak 1992 den Nobelpreis bekam.

Dr. Jean-Paul Van Nieuwenhuyse erklärt die Funktionsweise des Geräts folgendermaßen: «Das Kind steht in der Mitte des Scanners. Das System (Detektor und Röntgenröhre) fährt die Vorderseite des Patienten ab, während in der gleichen Zeit nach dem gleichen Prinzip die Seitenansicht abgebildet wird.» So erhalten die behandelnden Ärzte genaueste Bilder in Profil- und Frontalansicht, die sie für die Folgetherapie benötigen.

Die Untersuchung

Für den Patienten verläuft die Untersuchung völlig schmerzfrei, schnell und mit „wenig Lärm“, lächelt der belgische Arzt. Die Aufnahmen erfolgen im Stehen, der Patient bewegt sich so wenig wie möglich.

Das Gerät ist für Kinder ab fünf Jahren empfohlen, jüngere Patienten haben noch einen zu hohen Bewegungsdrang, so die Ärzte. Der Scanner liefert nicht nur Bilder von sogenannten „idiopathischen Skoliosen“, also Wirbelsäulenverkrümmungen, die in der Wachstumsphase auftreten. Er wird auch in der Behandlung von Skoliosen, die infolge einer neurologischen Krankheit entstehen, eingesetzt. Diese Patienten nehmen in einem besonderen Stuhl Platz.

Geringere Strahlenbelastung

Was die Strahlenbelastung betrifft, so wird hier am besten vorgebeugt, indem stets nur die wirklich notwendige Untersuchungen der betroffenen Körperteile durchgeführt werden. «Erstellen wir beispielsweise nur eine Seitenaufnahme statt einer Kombination aus Frontal- und Profilansicht, haben wir automatisch die Strahlendosis um die Hälfte reduziert», veranschaulicht Dr. Van Nieuwenhuyse. Außerdem ermögliche die präzise Computertechnik den Einsatz von Mikrodosierungen von Röntgenstrahlen, die rund 5,5 Mal weniger als die herkömmlichen Geräte betragen. Der Mediziner spricht in Fall Eos von Strahlenmengen, die der natürlichen Strahlung innerhalb rund einer Woche entsprechen.

Das Können des Scanners leichtfertig zu beanspruchen, lehnt er jedoch entschieden ab. «Obwohl die abgegebene Strahlendosis sehr niedrig ist, eignet sich Eos nicht, um ein ‹Ja› oder ‹Nein› in Bezug auf einen Verdacht einer Skoliose auszuräumen. Strahlung bleibt Strahlung, egal wie hoch die Dosis ist», betont der Experte.

Als Chirurg Jerry Kieffer nach seiner Einschätzung zum Unterschied der Ausprägung der Krankheit zu Beginn seiner medizinischen Laufbahn und heute gefragt wird, ist die Antwort eher ernüchternd: «Dank besserer Früherkennung und Behandlungsmethoden sehen wir heute viel weniger schwere Skoliosen. Aber weniger an der Zahl geworden? Nein, das sind sie leider nicht.»


Was ist eine Skoliose?

Im Allgemeinen handelt sich dabei um eine Deformation der Wirbelsäule, eine «dreidimensionale Achsabweichung der Wirbelsäule», heißt es in einer Definition im deutschen Ärzteblatt.

Mediziner unterscheiden zwischen mehreren Skoliosetypen, für die es auch unterschiedliche Behandlungen gibt. In manchen Fällen sind Operationen bzw. der Einsatz von sogenannten «Orthesen» (Hilfsmittel zur Stabilisierung oder Fixierung von nicht heilbaren Deformationen) nötig. Dies ist vor allem bei sog. «neurologischen Skolisosen» der Fall, bei denen die Wirbelsäule in den Brustkorb hinein wächst und innere Organe wie die Lungen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind.

Laut dem Chirurgen muss nur eines von zehn Kindern, die er behandelt, infolge einer Skoliose operiert werden.

Gene, Hormone und der aufrechte Gang

Im Falle einer «idiopathischer» Skoliose verweist Dr. Jerry Kieffer auf die Genetik. «Seit 2006 wissen wir, dass die Ursache dieser Art von Wirbelsäulendeformation genetisch bedingt ist. Diese Gene sind vererbbar.» Und meistens beträfe die Krankheit Mädchen. Zwischen drei und fünf Prozent der Bevölkerung leiden an «idiopathischen Skoliosen», erklärt Kieffer.

Warum sich die Wirbelsäule plötzlich zu drehen beginnt, wissen die Forscher aber (noch) nicht genau. Der Mechanismus sei äußerst komplex, sagt der Chirurg. Sehr wahrscheinlich spielen Wachstums- bzw. Sexualhormone sowie die Struktur des Bindegewebes eine wichtige Rolle. Ebenso der aufrechte Gang auf zwei Beinen.

Vierbeiner von Skoliosen verschont

Im Tierreich, erklärt Kieffer, seien Vierbeiner von Skoliosen verschont. «Aber Fische wie der Zebrafisch weisen Wirbelsäulenverkrümmungen auf.»

Studien bei Küken, denen die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) entfernt wurde, haben gezeigt, dass die Tiere dann an einer Skoliose erkranken. Setzt man ihnen die Drüse wieder ein und sie funktioniert, verbessert sich die Erkrankung spontan, erläutert der Chirurg.

Auch das Schlafhormon Melatonin, das in der Epiphyse (Zirbeldrüse) produziert wird, spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer Skoliose.

«Erkrankte Kinder weisen im Schnitt einen niedrigeren Melatonin-Basiswert auf als gesunde. Wenn man sie mit Melatonin behandelt, verbessert sich ihr Zustand leider nicht», so der Chirurg.