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EnergiewendeNatürliches Wasserstoffvorkommen in Lothringen könnte Gamechanger sein

Energiewende / Natürliches Wasserstoffvorkommen in Lothringen könnte Gamechanger sein
 Grafik: Editpress

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Bis 2050 will Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Als Wundermittel der Energiewende gilt Wasserstoff. Er soll sowohl den Verkehr als auch die Industrie umweltfreundlicher machen. Das Problem: Umweltfreundlich ist er nur dann, wenn er komplett aus erneuerbarer Energie gewonnen wird, was derzeit aber nicht der Fall ist. Oder aber man findet ihn in großen Mengen in der Natur, wie kürzlich im nahen Lothringen.

Wasserstoff gilt als der große Hoffnungsträger unter den Energielieferanten, er kann eine entscheidende Hilfe in Sachen Klimaschutz sein und könnte fossile Energieträger ersetzen. Er kann direkt über Brennstoffzellen zur Stromerzeugung genutzt werden. Im Auto wird dieser Strom aus der Brennstoffzelle dann weiter für Elektromotoren benutzt. Doch dazu müsste er erst einmal umweltschonend hergestellt werden. Das ist aber momentan nicht der Fall: Der weitaus größte Teil von Wasserstoff wird heutzutage noch aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern gewonnen.

Sogenannte „saubere“ Lösungen zur Herstellung von Wasserstoff sind noch nicht wettbewerbsfähig. Und genau hier könnte sogenannter weißer Wasserstoff (d.h. Wasserstoffvorkommen, die natürlich im Untergrund vorkommen) zu einem wahren Gamechanger werden, weil er eine kohlenstofffreie Energiequelle darstellt.

Im Département Moselle wurde kürzlich im Rahmen eines Forschungsprojekts der Université de Lorraine und des „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) ein riesiges Vorkommen an diesem natürlichen Wasserstoff entdeckt, und zwar möglicherweise in dem Ausmaß, das die Hälfte der derzeitigen Weltproduktion ausmacht. „Die im Rahmen des Regalor-Projekts durchgeführten Arbeiten haben gezeigt, dass die Flüssigkeiten der Karbonformationen des lothringischen Bergbaubeckens sehr signifikant mit Wasserstoff angereichert sind“, schrieb „La Française de l’énergie“ (FDE) im Mai in einer Pressemitteilung1). Das mögliche lothringische Vorkommen könnte ca. 46 Millionen Tonnen natürlichen Wasserstoff enthalten, das entspräche mehr als der Hälfte der heutigen weltweiten Jahresproduktion an grauem Wasserstoff, schreibt das CNRS seinerseits auf seiner Website2).

Anlässlich einer Präsentation eines Geothermie-Projekts Anfang Juli hatte das Tageblatt Energieminister Claude Turmes auf den Fund angesprochen. Er habe bereits mit dem Präsidenten der Region Grand Est, Franck Leroy, darüber gesprochen, sagte Turmes. „Eine weitere Frage ist außerdem, in welcher Konzentration dieser Wasserstoff vorhanden ist. Sie werden dieses Jahr noch eine Reihe Probebohrungen vornehmen, um eine bessere Kartografie des Vorkommens zu haben. Dann sieht man erst, ob es Sinn ergibt, das abzubauen. Danach benötigt man Firmen, die dazu bereit sind, darin zu investieren.“ Falls das also mit dem weißen Wasserstoff funktioniert, dann wäre das so etwas wie ein „Joker“. „Dann benötigen wir weniger grünen Strom, um Wasserstoff herzustellen und haben mehr für andere Bereiche. Das Wasserstoffvorkommen in Lothringen könnte potenziell eine große Chance für Luxemburg sein und wir sind da mit den französischen Autoritäten am Ball.“

Ja, aber …

Wasserstoff könnte also die große Chance sein. Es gibt allerdings noch ein paar Probleme zu lösen, wie uns Pit Koob, Chemiker und Science Communicator beim Luxembourg Science Center, erklärte. „Wasserstoff ist viel reaktiver als Benzin und deshalb auch viel leichter entflammbar. Bei Raumtemperatur kann er sich sehr gut mit Luft vermischen und beim direkten Verbrennen an einem Leck entsteht eine Stichflamme. Die größte Gefahr wäre aber das Ansammeln des geruch- und farblosen Gases in einem geschlossenen Raum, was im Falle einer Zündung eine starke Explosion verursachen kann. Auch an freier Luft gab es schon Unfälle, obwohl Wasserstoff so leicht ist, dass er eigentlich sehr schnell in höhere Luftschichten entweicht.“

Die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff für Autos wäre mit einem weiteren Nachteil verbunden: Eine riesige und deshalb sehr teure Infrastruktur müsse speziell für Wasserstoff geschaffen werden, im Gegensatz zum bereits bestehenden Stromnetzwerk für Elektrotankstellen.

Pit Koob, Chemiker und Science Communicator beim Luxembourg Science Center
Pit Koob, Chemiker und Science Communicator beim Luxembourg Science Center Foto: Editpress/Tania Feller

Ein zusätzliches Problem sei der Transport. Für große Distanzen sind Pipelines (die noch nicht existieren) das effizienteste Transportmittel. Wird Wasserstoff z.B. mit Schiffen befördert, muss er unter hohem Druck komprimiert werden, indem man ihn etwa bei Temperaturen von minus 250 Grad verflüssigt. Das kostet viel Energie, erfordert spezielle Tankschiffe und entsprechende Speicher- und Verflüssigungsanlagen an Land.

Mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen können in Autos genutzt werden. In der Brennstoffzelle verbinden sich Sauerstoff und Wasserstoff und erzeugen Energie und Wasser. Ein Brennstoffzellenauto ist ein Elektroauto, das seinen Strom nicht aus einer Batterie zieht, sondern direkt an Bord erzeugt. Fahrzeuge mit Brennstoffzelle können an speziellen Tankstellen mit Wasserstoff betankt werden. Die flächendeckende Errichtung von Wasserstoff-Tankstellen befindet sich jedoch erst im Aufbau.

„Und es gibt ein weiteres oft vernachlässigtes Problem bei der Katalyse von Wasserstoff: Man benötigt dazu seltene Metalle wie Platin und Iridium“, erklärt Pit Koob. Große Vorkommen davon gibt es in Ländern der Dritten Welt3). Bei der Stromherstellung durch Wasserstoff entsteht eine große Nachfrage danach. „Es wird dann eine Herausforderung sein, sich die Rohstoffe auf eine faire Art und Weise zu beschaffen.“

1) https://www.francaisedelenergie.fr/blog/2023/05/15/fde-annonce-la-decouverte-dhydrogene-naturel-dans-le-bassin-minier-lorrain/

2) https://lejournal.cnrs.fr/articles/un-gisement-geant-dhydrogene-en-lorraine

3) Wichtige Vorkommen liegen in Südafrika, im Ural, Nord- und Südamerika, in Tasmanien, Borneo und Japan, Quelle: www.chemie.de

Die Farben des Wasserstoffs

– Grüner Wasserstoff wird durch sogenannte Elektrolyse hergestellt. Dabei wird Wasser mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der benötigte Strom wird aus erneuerbaren Energiequellen, z.B. Windkraft, Wasserkraft oder Solarenergie, gewonnen.
– Grauer Wasserstoff wird durch die Umwandlung von Kohle bzw. Erdgas hergestellt. Als Abfallprodukt entsteht dabei CO2, das in die Atmosphäre abgegeben wird.
– Blauer Wasserstoff entsteht wie grauer Wasserstoff ebenfalls durch Dampfreformierung, allerdings wird das entstandene CO2 danach unterirdisch gelagert.

(Quelle: www.ewe.com/de/zukunft-gestalten/wasserstoff/die-farben-des-wasserstoffs)

viviane
26. Juli 2023 - 13.16

"Bei Raumtemperatur kann er sich sehr gut mit Luft vermischen und beim direkten Verbrennen an einem Leck entsteht eine Stichflamme. Die größte Gefahr wäre aber das Ansammeln des geruch- und farblosen Gases in einem geschlossenen Raum, was im Falle einer Zündung eine starke Explosion verursachen kann. " Wir alle haben den Zeppelin brennen sehen, vor allen die NIMBYS unter uns.