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DeutschlandNach dem Wahlsieg bleibt die Finanzlage der SPD angespannt

Deutschland / Nach dem Wahlsieg bleibt die Finanzlage der SPD angespannt
Der neue Bundeskanzler Olaf Scholz stellte am 6. Dezember im Willy-Brandt-Haus die SPD-Minister vor. In der Parteizentrale wird trotz Regierungsbeteiligung künftig mehr Haushaltsgeschick gefragt sein. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Nach jahrelanger Durststrecke klingelt bei der SPD nach den jüngsten Wahlsiegen die Kasse. Die Genossen wollen jetzt mit der Kanzlerschaft von Olaf Scholz durchstarten – wenn da nicht ein wegweisendes Gerichtsurteil vor der Tür stünde.

Nach 16 Jahren ist die SPD dank Olaf Scholz wieder Kanzlerpartei – das beschert den Sozialdemokraten nach langer Durststrecke einen Millionensegen. „Ich gehe bei allen Unwägbarkeiten davon aus, dass die SPD jährlich mit Mehreinnahmen in einstelliger Millionenhöhe rechnen kann“, sagte Bundesschatzmeister Dietmar Nietan gegenüber dem Tageblatt.

Die finanzielle Lage der ältesten deutschen Partei bleibt dennoch angespannt. Unternehmensbeteiligungen (die SPD besitzt Zeitungen, Druckereien, einen Reiseservice und Online-Shops) litten unter der Pandemie. Wie ein Damoklesschwert hängt über allen Parteien ein für dieses Frühjahr erwartetes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Parteienfinanzierung. Würde Karlsruhe die üppige Erhöhung der absoluten Obergrenze für staatliche Zuwendungen kippen, die 2018 die große Koalition aus Union und SPD möglich machte, wäre der durch die jüngsten Wahlerfolge in Bund und Ländern gewonnene Spielraum für den SPD-Schatzmeister schon wieder dahin.

Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, die Anhebung der absoluten Obergrenze für die Parteienfinanzierung, also die Größe des Kuchens, der verteilt wird, hätte es so nicht geben dürfen, müssten alle Parteien sehr viel Geld zurückzahlen

Dietmar Nietan, Bundesschatzmeister der SPD

2012 hatten alle Parteien für ihre demokratische Arbeit zusammen 150 Millionen Euro vom Staat bekommen. Durch die Reform stieg die Summe bis 2020 auf 197 Millionen Euro. Union und SPD argumentieren, massive Investitionen in die Digitalisierung (Schutz vor Hackern, soziale Medien, Online-Mitgliederbeteiligung) und das Aufrechterhalten von Vor-Ort-Strukturen rechtfertigten diese Kostensteigerungen. Geklagt in Karlsruhe haben unter anderem Grüne und FDP, die 2018 in der Opposition waren. „Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, die Anhebung der absoluten Obergrenze für die Parteienfinanzierung, also die Größe des Kuchens, der verteilt wird, hätte es so nicht geben dürfen, müssten alle Parteien sehr viel Geld zurückzahlen. Wenn so eine Worst-Case-Situation durch ein Urteil entsteht, dann ist die finanzielle Lage der SPD alles andere als entspannt“, sagte Nietan.

Die Bundespartei habe für diesen Fall vorsorglich erhebliche Rückstellungen in zweistelliger Millionenhöhe gebildet. „Auch deshalb fiel das Wahlkampfbudget mit 15,5 Millionen Euro um zehn Millionen schmaler aus. Das war der härteste Schnitt. Wir haben trotzdem gewonnen, was mich außerordentlich freut.“

Sparmaßnahmen eingeleitet

Nietan, der seit acht Jahren Schatzmeister ist und Anfang Dezember für zwei weitere Jahre bestätigt wurde, hatte für die Bundestagswahl ein Ergebnis von 20,5 Prozent eingepreist – so wie 2017. Ende September gewann die SPD dann überraschend mit 25,7 Prozent der Zweitstimmen. „Das entspannt die Kassenlage schon im Vergleich zum Wahlergebnis von 2017 und zu den Prognosen, wenn wir wirklich bei 15, 16 Prozent stehengeblieben wären“, erklärte Nietan. Da die SPD traditionell weniger Spenden als Union, FDP oder Grüne erhält, ist sie mit einem Anteil von 75 Prozent aller Einnahmen des Parteivorstandes sehr stark auf die staatliche Parteienfinanzierung angewiesen. Diese Gelder wiederum sind an Wahlerfolge in Europa, Bund und Ländern gekoppelt. Für die ersten vier Millionen Stimmen erhalten Parteien 1,03 Euro pro Stimme, für jede weitere Stimme 0,85 Euro. Außerdem zahlt der Staat 45 Cent für jeden Euro, den Parteien über Mitgliedsbeiträge, Zahlungen ihrer Abgeordneten und Spenden von natürlichen Personen erhalten. 2020 bekam die SPD aus staatlichen Mitteln rund 54,4 Millionen Euro.

Das ändert nichts an eingeleiteten Sparmaßnahmen. Nach dem Absturz auf 20 Prozent vor vier Jahren hatte Nietan dem Letzten in der SPD klargemacht, „dass wir uns nicht länger den Apparat einer 40-Prozent-Partei mit den Einnahmen einer 20-Prozent-Partei leisten können“. So sinkt die Mitarbeiterzahl im Willy-Brandt-Haus von über 200 Vollzeitstellen um 15 Prozent. Auf betriebsbedingte Kündigungen wird verzichtet.