Headlines

Das Corona-Tagebuch (27)Mittwoch, 15. April: Der Couch-Potato-Blues

Das Corona-Tagebuch (27) / Mittwoch, 15. April: Der Couch-Potato-Blues
Eigentlich würden mein Bruder und ich jetzt die Skipisten in Sulden unsicher machen – wenn’s da nur nicht die Corona-Krise gäbe … Foto: Jessica Oé

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Coronavirus beherrscht das Leben. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch gibt Einblick in diese Gedankenwelt. 

Liebes Tagebuch,

hättest du mir vor nur ein paar Wochen geglaubt, dass mir Ferien zu Hause mal ordentlich auf die Nerven gehen würden? Bestimmt nicht. Ich bin ein leidenschaftlicher Couch-Potato. Das weiß jeder, der mich auch nur ein wenig kennt. Ein gutes Buch und du hörst den ganzen Tag keinen Mucks mehr von mir. Oder gib mir einen Playstation-Controller in die Hand und ich versinke in fantastischen Welten, in denen ich Drachen töten, Banken überfallen oder über die Wellen der Ägäis segeln muss. Oder lass mich auf Netflix und Co. los und ich binge-watche meine viel zu lange Liste jener Serien, die mir empfohlen wurden. 

Eine Reise allerdings, die steht jedes Jahr fest im Plan: Skiferien mit meiner Familie. Eigentlich wären wir genau jetzt in Sulden in Norditalien und würden es uns dort gut gehen lassen. Den Tag würden wir mit einem ausgiebigen Frühstück beginnen, samt Pfannkuchen, gebratenem Speck und Rühreiern. Dann ab auf die Piste, wo ich vermutlich mindestens einmal am Tag eine kleine Bruchlandung hinlegen würde. Das gehört eben dazu – und bietet meinem Bruder die Gelegenheit, sich köstlich über mich zu amüsieren, wenn ich meinen Stock oder mein Paar Ski mal wieder verloren habe. Nach einer Portion Hüttenspaghetti oder Pommes mitsamt Würsten und Jagertee (oder einem Bier, je nach Härte der Bruchlandung) würde es dann wieder zurück auf die Bretter gehen. Später am Nachmittag stünde dann Sauna auf dem Plan, vielleicht sogar eine entspannende Massage. Abends gäbe es dann sehr lecker zu Essen, ehe mein Bruder mich beim Kaffee und bei Whisky an der Bar gnadenlos beim Kartenspielen besiegen würde. 

Stattdessen sitze ich in Luxemburg und bin das allererste Mal so richtig genervt, zu Hause bleiben zu müssen. Vom Lesen, Zocken und Fernsehen habe ich die Nase voll. Der öde Haushalt ist auch so gut wie gemacht, nur der Keller bleibt weiter eine Rumpelkammer. Also zieh’ ich mir die Decke über den Kopf. Am liebsten würde ich den ganzen Tag verschlafen, damit die Zeit schneller umgeht – und das trotz des herrlichen Wetters draußen.

Versteh’ mich nicht falsch, liebes Tagebuch, ich sehe absolut ein, wieso es nötig und wichtig ist, zu Hause zu bleiben. Die fürchterlichen Todeszahlen weltweit treiben mir jedes Mal, wenn ich die Nachrichten höre, einen Schauer über den Rücken. Als Familie hatten wir bisher Glück, nicht direkt im engen Kreis betroffen zu sein, und ich will mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, einen Angehörigen jetzt aufgrund von Covid-19 zu verlieren.

Aber trotzdem bleibt eine gewisse negative Stimmung, weil ich mich eben schon vor Monaten auf die Zeit mit meinen Familienangehörigen gefreut habe. Die meisten von ihnen habe ich nun schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Was eigentlich etwas ist, das mir ziemlich leichtfällt, aber nun in Coronazeiten ebenfalls ganz anders ist. Am liebsten hätte ich sie alle gerne bei mir zu Hause. Lange würde der Frieden zwar nicht halten, da wir alle einen etwas eigenen Kopf haben und meine Wohnung eindeutig nicht genug Rückzugsmöglichkeiten bietet, aber wenigstens wären sie hier.  

  

Das Tageblatt-Tagebuch

Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation  ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu wahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit dem 16. März (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.