Seit Jahren fordern die Gemeinden ein Gesetz zur Aufwertung und Kompetenzerweiterung der Kommunalagenten. Ein erster Entwurf war bereits 2008 eingereicht worden, wurde aber wegen rechtlicher Bedenken vom damaligen Innenminister zurückgezogen. Das am Mittwoch verabschiedete Projekt wurde 2017 deponiert.
Die Gemeinden erlassen Polizeireglemente, haben aber keine Möglichkeiten, gegen Zuwiderhandlungen vorzugehen, da ausschließlich die Polizei dafür zuständig sei, fasste Berichterstatter Dan Biancalana (LSAP) die Sorge der Gemeinden zusammen. Wegen Überlastung würden die Gerichte ihrerseits diese geringfügigen Delikte oftmals zu den Akten legen. Bei den Tätern entstehe der Eindruck, alles sei erlaubt, während sich beim Bürger ein diffuses Unsicherheitsgefühl verbreite.
Das am Mittwoch mit großer Mehrheit angenommene Gesetz – lediglich die zwei Abgeordneten von „déi Lénk“ stimmten dagegen – erweitert nicht nur die Kompetenzen der Kommunalagenten, sondern listet auch 17 Bereiche rüpelhaften Verhaltens auf, wo bestraft werden könne. Vorausgesetzt, die jeweiligen Gemeindereglemente sehen dies vor. Minderjährige bleiben verschont.
Strafzettel für Hundekot
Bisher konnten die rund 230 „Pecherten“ in 40 Gemeinden lediglich Strafzettel bei Verstößen gegen Stationierungsregeln ausstellen. In Zukunft können sie auch eingreifen, wenn öffentliche Plätze und Straßen ohne kommunale Genehmigung etwa durch Verkaufsstände besetzt werden, Rasenmäher, Motorsägen und andere lärmende Geräte außerhalb der zugelassenen Zeiten zum Einsatz kommen oder zu laute, die Nachbarschaft störende Musik gespielt wird. Einen Strafzettel bekommt auch, wer den Hund nicht an der Leine führt, die Hinterlassenschaften des Vierbeiners nicht beseitigt, den Hund auf Spielplätzen, in Schulhöfen und anderen von der Gemeinde ausgewiesenen Orten laufen lässt. Das Beschädigen von Pflanzen- und Blumenbeeten der Gemeinde im öffentlichen Raum, das Eröffnen von Terrassen auf nicht genehmigten Plätzen, das Aufstellen der Mülltonne an anderen als von der Gemeinde vorgesehenen Tagen und das unerlaubte Betreten zugefrorener Flächen können genauso sanktioniert werden.
„Pecherten“ können nach einer entsprechenden Zusatzausbildung auch bei Verstößen gegen Umweltschutzbestimmungen wie etwa Littering, d.h. das Wegwerfen von Müll in der Natur, eingreifen. Der Kommunalagent darf um den Personalausweis des vermeintlichen Übeltäters bitten, darf jedoch die Personalien nicht überprüfen. Weigert sich der Betroffene, muss die Polizei gerufen werden.
Bei Regelverstößen ist eine einheitliche administrative Strafe von 25 Euro zu entrichten. 20 Prozent davon fließen in die Staatskasse. Zahlt der Betroffene den Betrag nicht, kann er zu einer zusätzlichen administrativen Buße in Höhe von bis zu 250 Euro verdonnert werden. Zuständig dafür ist ein vom Innenminister berufener „Fonctionnaire sanctionnaire“, der sich etwaige Beanstandungen des Sanktionierten anhören kann. Gegen das Urteil dieses Beamten kann Rekurs beim Verwaltungsgericht eingereicht werden.
Gemeinden werden zusätzlich belastet
Endlich werde das Gesetz im Parlament erörtert, freute sich der Escher „député-maire“ Georges Mischo (CSV), dem alles nicht schnell genug gegangen war. Die Polizei werde nun entlastet, die Gemeinden hingegen zusätzlich belastet.
Über Jahre hätten die Kommunen mehr Polizeipräsenz gefordert, sagte seinerseits Claude Lamberty (DP). Was aber nicht möglich war. Die Probleme vor Ort hätten zugenommen. Dass keine zweite Polizei geplant sei, betonte Lamberty auch. Die Kommunalagenten würden ihre Rolle spielen wie das Zoll, die Polizei und die Gewerbeinspektion. Das werde mehr Ordnung im Zusammenleben bringen.
Marc Hansen („déi gréng“) zufolge seien die rezenten Ereignisse um den Stausee, wo Besucher Unmengen an Müll hinterlassen und Zufahrtswege zugeparkt hatten, ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Kommunalagenten. Als positiv bewertete Hansen, dass nun die Sicherheit des öffentlichen Raums in öffentlicher Hand bleibe. Die Agenten sollten für ein gutes Sicherheitsgefühl sorgen.
Jeff Engelen (ADR) bezweifelte, dass die geplante Zusatzausbildung der „Pecherten“ ausreichend sei. Er stellte die Frage in den Raum, ob eine integrale Polizeiausbildung nicht sinnvoller wäre. Das Aggressionspotenzial bei Regelverstößen dürfe nicht unterschätzt werden, meinte er. Und die Strafe für Littering sollte drastisch erhöht werden.
Dialog statt Bestrafung
Als einzige sprach sich Myrian Cecchetti („déi Lénk“) gegen den Gesetzentwurf aus. Der Beruf des Kommunalagenten sei kein einfacher. Oftmals entstünden konfliktreiche Situationen etwa beim Falschparken und die Ertappten ließen ihren Frust am „Pechert“ aus. „déi Lénk“ Linke sprach sich für mehr Präventions- und Sensibilisierungsarbeit seitens der Agenten aus. Der Schwerpunkt müsse eher auf Dialog denn auf Bestrafung liegen.
Marc Goergen (Piratepartei) wünschte sich auch Kompetenzen der Agenten bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Einziger Kritikpunkt seiner Partei: Für die Bürger sei es nicht einfach zu wissen, was in den einzelnen Gemeinden reglementiert sei oder nicht. Viele im Gesetz genannte Sanktionsbereiche seien fakultativ. Er hätte sich ein für alle Gemeinden verpflichtendes Basispaket gewünscht.
Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) pochte auf die im Gesetz vorgesehene Präventions- und Sensibilisierungsarbeit der Kommunalagenten. In einzelnen Stadtvierteln bestehe ein Unsicherheitsgefühl. Das müsse man ernst nehmen. Aber Polizei allein reiche nicht. Man sollte mit den Menschen reden. Die Präsenz von Kommunalagenten könne nun eine Lösung sein. Die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Agenten könnte in den kommunalen Präventionskomitees organisiert werden.
Zum Schluss verabschiedete das Parlament einstimmig eine von Biancalana vorgelegte Motion, in der drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes seine Überprüfung auf Tauglichkeit und Wirksamkeit gefordert wird.
Kënnen se dann endlech och deenen 100.000 Autoen ee pechen, déi hei am Land all Dag op der falscher Säit vun der Strooss parken?