„Die Diagnose Demenz verursacht viele Ängste“, sagt Christine Dahm, Direktionsbeauftragte des „Info-Zenter Demenz“ im Tageblatt-Gespräch am Mittwoch. Aus der Angst heraus, so die Expertin, ziehen sich viele Betroffene zurück und brechen soziale Kontakte ab. „Gerade in der Anfangszeit einer Demenz sollte man sich nicht verstecken, sondern so gut wie möglich weiterleben und weiterhin Dinge erleben, die einem Freude bereiten und positive Energie schenken“, erklärt Dahm.
Planung und Spontanität
Jede (Urlaubs-)Reise beginnt für den Demenzkranken und seine Familie mit einer umfassenden Vorbereitung. „Gerade im Zusammenhang mit Demenz ist Spontanität oft nicht mehr möglich“, sagt die Direktionsbeauftragte. Es sei besonders wichtig, sich für die Planung genug Zeit zu nehmen. Eine behutsame Vorbereitung des Demenzkranken auf die Reise sei hilfreich, um im Vorfeld „Warnzeichen von Angst und Unruhe zu erkennen“ und sich dabei als Angehöriger Strategien zurechtzulegen, um Angst und Unruhe vorzubeugen, erklärt die Expertin.
Hilfreich sei es deshalb, die Reisepläne mit der erkrankten Person zu besprechen. Aber Vorsicht: Angehörige sollten nicht mit Anweisungen oder zu vielen Informationen überfordert werden, schrieb das „Info-Zenter Demenz“ in einer Mitteilung Anfang Juli. „Nur dann wird der Urlaub zur Erholung und erzeugt keinen Stress“, betont Christine Dahm.
Besonders im frühen Stadium der Erkrankung sollte das Urlaubsziel ein Ort sein, den die Betroffenen kennen. Ist die Demenz bereits fortgeschritten, sollten Anfahrt und Urlaubsdauer „überschaubar“ bleiben, heißt es.
„Stolpersteine“ erkennen
Prinzipiell geht es bei der sorgfältigen Reiseplanung darum, „Stolpersteine frühzeitig zu erkennen“, sagt Christine Dahm. Damit seien auch Urlaubsveränderungen gemeint, die Unruhe wie zum Beispiel Umherwandern oder Verwirrung bei den Betroffenen auslösen können. Dies gilt auch für die Wahl der Urlaubsunterkunft. Apotheken und medizinische Dienste sollten von dort aus leicht erreichbar sein. Auch das Personal im Hotel sollte über die besondere Situation informiert werden, um im Notfall zu helfen.
Außerdem empfehlen die Experten vom „Info-Zenter Demenz“, sich im Urlaub so gut wie möglich an die gewohnte Alltagsroutine von daheim zu halten. Das gilt für Essens- und Schlafenszeiten oder auch die Umgebung: So biete es sich an, in einer ruhigen Umgebung statt in einem überfüllten Restaurant zu speisen.
„Weniger ist mehr“ gilt auch für das Unterhaltungsprogramm im Urlaub. „Aufwendige Besichtigungen oder komplizierte Touren können Ängste und Verwirrung auslösen“, sagen die Experten und raten, genug Pausen zum Ausruhen vorzusehen. Sowohl für die Reise als auch vor Ort sollten Angehörige das Fortbewegungsmittel wählen, das am meisten Komfort bietet, den Vorlieben des Demenzkranken entspricht und das geringste Risiko für Ängste und Verwirrung birgt.
Flexibilität lernen
„Neben Planung ist Flexibilität das andere wichtige Stichwort im Zusammenhang mit Demenz“, sagt Christine Dahm. Trotz aller Vorausschau muss man flexibel bleiben und manchmal in letzter Sekunde den anvisierten Ablauf über Bord werfen. Da helfe es, einen Ersatzplan in petto zu haben. Das gilt ebenso für die Reisezeit, die dem gewohnten Tagesablauf der dementen Person angepasst sein sollte.
Auf (fast) alle Eventualitäten der Reise vorbereitet zu sein, bedeutet auch, alle wichtigen Papiere für den Notfall zur Hand zu haben. Dazu gehört laut den Experten eine Liste mit aktuellen Medikamenten und ihrer Dosierung. Spezialisierte Apps auf dem Smartphone helfen bei der Erstellung solcher Listen.
Eine weitere Liste sollte Namen und Kontakte von behandelnden Ärzten und Notfallkontakte beinhalten, wie beispielsweise die örtliche Polizei, Giftnotruf, Krankenhäuser oder Freunde und Familienmitglieder, die im Notfall zur Hilfe gerufen werden können. Außerdem sollten wichtige Dokumente wie Vormundschaft, Patientenverfügung und Versicherungsausweis einen festen Platz im Reisegepäck bekommen.
Freunde und Familie besuchen
Nach einem ähnlichen Muster wie bei einer Urlaubsreise sollten auch Besuche bei Freunden und Familie vonstattengehen. Angehörige sollten den Gastgebern die Demenz und die damit verbundenen Veränderungen und Bedürfnissen der betroffenen Person erklären, rät das „Info-Zenter Demenz“.
Ferienbetten in Luxemburg
Die Betreuung eines Demenzkranken ist für Angehörige ein 24-Stunden-Job, bestätigt Christine Dahm. „Die Betreuung ist eine Aufgabe, vor der wir großen Respekt haben. Für die Angehörigen kann sie sowohl Bereicherung als auch Belastung sein, insbesondere dann, wenn die Erkrankung voranschreitet“, erklärt die Direktionsbeauftragte von „Info-Zenter Demenz“.
Der wichtigste Ratschlag, den Dahm und ihre Kollegen an betreuende Angehörige geben, ist, „auch an sich zu denken“. Viele Angehörige überhören oder ignorieren diesen Rat, sie leisten einen Vollzeitjob, sieben Tage die Woche, und vergessen sich selbst dabei. Das Informationszentrum berichtet sogar von Burn-out-Fällen in diesem Zusammenhang. „Nur wenn es den betreuenden Angehörigen gut geht, können sie sich auch gut um den Demenzkranken kümmern“, unterstreicht Dahm.
Eine Möglichkeit für Angehörige, nicht nur zur Urlaubszeit im Sommer, Kraft zu tanken, bieten die sogenannten Ferienbetten in Alten- und Pflegezentren. „Viele Pflegeheime und integrierte Seniorenzentren (,Centres intégrés pour personnes âgées, CIPA) in Luxemburg verfügen über einige Zimmer zur vorübergehenden Aufnahme Pflegebedürftiger“, schrieb das „Info-Zenter Demenz“ in seiner Mitteilung Anfang Juli.
Doch die Aufnahmemöglichkeiten sind stark begrenzt. Und so gilt es wie bei der Urlaubsplanung, für Angehörige, die eine Auszeit von der Betreuung nehmen und ihre Lieben währenddessen in guten Händen versorgt wissen möchten, sich rechtzeitig um ein Ferienbett zu kümmern. Derzeit stehen nach Angaben der Beratungsstelle für Demenz elf Betten für Kurzzeitpflege und 28 Betten in CIPAs für solche zur Verfügung. Besonders während der Schulferien kann es zur erhöhten Nachfrage nach dieser Art der Kurzzeitpflege kommen, erinnern die Experten.
Insgesamt also 39 Betten für mehr als 7.500 demenzkranke Menschen (Zahl aus dem „European Alzheimer Report 2018“) in Luxemburg. „Das ist bei weitem nicht genug“, stimmt auch die Direktionsbeauftragte des „Info-Zenter Demenz“ zu. Denn die vorhandenen Betten für Kurzzeitpflege seien ja nicht nur für Menschen mit Demenz reserviert.
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