Singt Sardar Azmoun die Hymne mit? Legt Mehdi Taremi die Hand aufs Herz? Jede Geste, jedes Wort der iranischen Fußball-Nationalspieler wird derzeit in Katar ausgiebig beobachtet und gedeutet. Trainer Carlos Queiroz dürfte es daher ganz recht gewesen sein, dass am Mittwoch im letzten WM-Test gegen Tunesien (0:2) in Doha weder Zuschauer noch Fernsehsender zugelassen waren.
Die Fans in der Heimat müssen also bis zum WM-Highlight gegen England am Montag warten, um einen Blick auf die Lippen ihrer Helden richten zu können. Irans Basketballer, Wasserballer, ja sogar Sitzvolleyballer hatten zuletzt auf das Mitsingen der Hymne verzichtet – was als Solidarisierung mit den Protestierenden in Teheran und anderen Städten verstanden wurde.
Eigentlich war das „Team Melli“ stets eine der wenigen Institutionen, die das Land einen konnte. Doch in Zeiten nationalen Aufruhrs ist das anders. Als das Team vor der Abreise nach Katar für ein Gruppenfoto mit Präsident Ebrahim Raisi posierte, war die Aufregung groß. Vom „Team Mullah“ war nun die Rede, an einer Brücke ging ein großes Plakat mit einem Bild des Nationalteams in Flammen auf.
Was die Menschen im Iran wollen, ist nichts Besonderes – nur Freiheit
Dabei stehen kritische Spieler wie Leverkusens Azmoun oder auch Saman Ghoddos vom FC Brentford sehr wohl im Kader von Coach Queiroz. „Was die Menschen im Iran wollen, ist nichts Besonderes – nur Freiheit. Es muss sich etwas ändern“, hatte Ghoddos zuletzt offenherzig gegenüber The Athletic gesagt. Der Portugiese Queiroz betonte nun, dass seine Spieler auch während der WM ihre Meinung äußern dürfen – so lange dies im Rahmen der FIFA-Regeln geschehe.
Queiroz sieht sogar Parallelen zu England. „Dort beugen Spieler das Knie. Einige Leute stimmen dem zu, andere nicht. Beim Iran ist es dasselbe“, sagte der 69-Jährige in Katar, wollte den Fokus aber auf das Sportliche lenken: „Die Spieler haben nur eines im Kopf. Und das ist, für ihren Traum vom Achtelfinale zu kämpfen.“
Doch die Diskussionen in der Heimat wird der Trainer kaum verhindern können. Der ehemalige Bundesligaprofi Ali Daei setzte bereits ein Zeichen, als er eine FIFA-Einladung zur WM ablehnte. In „Tagen, in denen es den meisten von uns nicht gut geht“, wolle er nicht nach Katar reisen: „Ich möchte mit euch in meinem Land sein und all den Familien, die ihre Angehörigen verloren haben, mein Mitgefühl aussprechen.“
Ob auch aktive Spieler ein Zeichen setzen, wird sich gegen England zeigen. Englische Fans haben bereits dazu aufgefordert, in der 22. Minute den Namen von Mahsa Amini zu rufen. Der Tod der 22-Jährigen hatte im September die Massenproteste ausgelöst, die seither das Land aufwühlen – und längst auch die Nationalmannschaft erreicht haben.
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