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Vorschau GemeindewahlenIn Kayl-Tetingen könnte es ein enges politisches Rennen werden

Vorschau Gemeindewahlen / In Kayl-Tetingen könnte es ein enges politisches Rennen werden
Wer wird nach den Gemeindewahlen im Rathaus das Sagen haben? Das ist alles andere als klar … Foto: Lucien Montebrusco

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Spannend dürfte der Wahlverlauf in der Gemeinde Kayl-Tetingen werden. Wird die knapp ein Jahr alte CSV-DP-Koalition, die derzeit auf die Stimme des ehemaligen LSAP-Schöffen Marcel Humbert angewiesen ist, den Urnengang überleben?

Ein kurzer Rückblick. Am 16. Dezember 2021 verweigerte Marcel Humbert der Haushaltsvorlage für das Jahr 2022 seine Zustimmung und läutete damit das Ende der seit 2011 bestehenden LSAP-„déi gréng“-Koalition ein. Die Spielregeln sehen vor, dass nach derlei Entscheidung ein Misstrauensvotum stattfinden muss. Ein entsprechender Antrag wurde noch am selben Tag eingereicht. Am 5. Januar 2022 unterlag die rot-grüne Koalition, der Weg für eine neue Mannschaft war frei. Am 24. Januar übernahm Jean Weiler (CSV) das Bürgermeisteramt, Romain Becker (DP) und José Gonçalves (CSV) wurden Schöffen.

Viel Zeit blieb der neuen Führung für wegweisende Entscheidungen nicht. Ihre erste Haushaltsvorlage im März 2022 weicht nur geringfügig von der ihrer Vorgänger ab. Die in den folgenden Monaten stattfindenden Arbeiten waren längst zuvor beschlossen worden. Eingeweiht wurden Projekte, die unter der anderen politischen Konstellation entschieden worden waren. So etwa der Ausbau der Räumlichkeiten der technischen Dienste und des „Kabaischen“ im ehemaligen Arbed-Büro, der Tetinger Unterkunft auf dem Minett-Trail. Erst mit dem Etatentwurf 2023 zeichneten sich zaghaft erste Prioritäten ab, auch wenn der enge Finanzrahmen kaum Spielraum für großartige neue Projekte zulässt.

Das neue „Musée Ferrum“ hinter dem Kulturzentrum Schungfabrik in Tetingen
Das neue „Musée Ferrum“ hinter dem Kulturzentrum Schungfabrik in Tetingen Foto: Lucien Montebrusco

Die aus dem Amt gedrängten Parteien dürften die Erfolge der alten Koalition in den kommenden Wochen und Monaten ausgiebig in Erinnerung rufen und dabei die neue Faubourg-Schule, den Erwerb der rund sieben Hektar großen ehemaligen Schlackenhalde in Tetingen, die Instandsetzung der rue de la Chapelle und der rue Notre-Dame nicht vergessen. Die fertiggestellte Schungfabrik verlieh dem kulturellen Leben einen gehörigen Schub und schuf die Bühne für die Kayl-Tetinger Beiträge zu Esch2022. Kaum ein Tag ohne Konzerte, Konferenzen und Veranstaltungen der lokalen Vereinswelt – freie Termine in der ehemaligen Produktionsstätte von Arbeiter- und anderem Schuhwerk sind Mangelware. Ergänzt wurde dieser kulturelle Mittelpunkt der Gemeinde durch die neu gebaute Galerie „Espace Emile Kirscht“ und das „Musée Ferrum“ im vormaligen Wirtschaftsgebäude an der Rückseite der Schungfabrik.

Wenn Bürger das Sagen hätten …

Wir fragten Norbert Kremer (66), was ihm aus den letzten Jahren so in Erinnerung geblieben sei. Dabei fiel ihm noch so manches ein: die Sportplätze im Park Ouerbett, der verkehrsberuhigte Abschnitt der Faubourg-Straße vor der gleichnamigen Schule, die Veränderungen im Pausenhof der Tetinger Schule. Und ja, dann der Minettswee und der neu instandgesetzte Bremsberg („plan incliné“) Laangenaker in Tetingen, jene Spezialvorrichtung zum Abbremsen der mit Erz beladenen Förderwagen ins Tal. Von den politischen Entscheidungen blieb ihm außer dem Bürgermeisterwechsel vor allem die Anpassung des Wasserpreises (nach oben) in guter Erinnerung. Was er denn prioritär tun würde, wäre er Bürgermeister? Die spontane Antwort: Die Bordsteinkante an den Fußgängerüberwegen müsste überall so tief abgesenkt werden, dass Rollstuhlfahrer problemlos die Straße überqueren können.

Natascha Marzadori
Natascha Marzadori Foto: Lucien Montebrusco

Sorgen bereitet Natascha Marzadori (39) hingegen, dass ihre Heimatgemeinde ihren ursprünglichen Charakter verliert. Es sei viel gebaut worden, insbesondere viele Apartmenthäuser. Schöne Häuser wurden dafür abgerissen, obwohl die Bausubstanz noch in Ordnung war. Kayl ist längst kein Dorf mehr. Sie vermisst Grünflächen. Schön seien der Gemeinschaftsgarten in der rue Biermecht und der dort vorbeiführende Fußgängerweg. Hätte sie das Sagen, würde sie zusätzliche, „pflegeleichte“ Grünflächen schaffen, alte, kaum noch befahrbare Straßen erneuern. Wünschen würde sie sich auch weniger Verkehr in der Ortschaft, auch wenn dies wohl nur schwer zu realisieren ist. Sparen würde sie nachts bei der Straßenbeleuchtung, lehnt aber eine vollständige Abschaltung aus Sicherheitsgründen ab. Die Gemeinde müsste unbedingt Häuser erwerben, die sie als Reserve für Notfälle benutzen könnte. Damit Familien nicht in anderen Gemeinden untergebracht werden müssten, falls sie obdachlos werden, wie das nach dem rezenten tragischen Hausbrand in Kayl der Fall war.

Galerie Espace Emile Kirscht
Galerie Espace Emile Kirscht Foto: Lucien Montebrusco

Der Wahlausgang ist noch längst nicht entschieden. CSV und DP werden sich um mindestens ein zusätzliches Mandat bemühen müssen, da ihre Stütze Marcel Humbert nicht mehr dabei sein wird. Die LSAP wird ihrerseits ohne ihre langjährigen Zugpferde antreten müssen. John Lorent hatte nach dem uneleganten Vorgang vom 16. Dezember 2022 seinen Rücktritt aus der Politik angekündigt. 2017 hatte er 2.660 Stimmen bekommen. Zweitgewählter war Humbert mit 1.874 Stimmen. Zum Vergleich: Der aktuelle Bürgermeister Jean Weiler zählte als Erstgewählter auf der CSV-Liste 1.339 Stimmen, Schöffe José Gonçalves deren 1.193, zwei weniger als die Erstgewählte auf der Grünenliste, Viviane Petry, bis vor einem Jahr noch Erste Schöffin.

Die Sportanlage im Park Ouerbett 
Die Sportanlage im Park Ouerbett  Foto: Lucien Montebrusco

Kayl/Tetingen

Größe: 1.486 Hektar

Einwohnerzahl: 9.753 (29.1.2023)

Ortschaften: Kayl, Tetingen

Wahlberechtigte: 5.338 (Stand 29.1.2023)

Aktueller Bürgermeister: Jean Weiler (CSV)

Zusammensetzung Gemeinderat: Romain Becker, Schöffe (DP), José Gonçalves, Schöffe (CSV). Patrick Donven und Kim Jacob (CSV); Patrick Krings (DP); Marco Lux, Carlo Birchen, Astrid Müller-Belleville und Romain Daubenfeld (LSAP); Viviane Petry und Marc Lukas („déi gréng“); Marcel Humbert (Unabhängiger)