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VietnamImpfstoff-Kühler, Finanzen, Freihandel und Manga-Figuren: Vier Blicke auf die Wirtschaftsmission

Vietnam / Impfstoff-Kühler, Finanzen, Freihandel und Manga-Figuren: Vier Blicke auf die Wirtschaftsmission
Beim wirtschaftlichen Forum war der Saal gut besetzt Foto: SIP/Jean-Christophe Verhaegen

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An den offiziellen Besuch von Xavier Bettel und Lex Delles in Vietnam war auch eine wirtschaftliche Mission gekoppelt. Sie wurde offensichtlich zu einem vollen Erfolg. Am Freitagmorgen platzte der Saal in Ho-Chi-Minh-Stadt, wo Unternehmerinnen und Unternehmer aus beiden Ländern zusammenkamen, aus allen Nähten. Das Tageblatt hat sich mit einigen Akteuren unterhalten. 

Die Impfstoff-Kühler

Gilles Ries von B Medical Systems kennt das Land gut
Gilles Ries von B Medical Systems kennt das Land gut Foto: B Medical Systems

Gilles Ries ist Technologie-Direktor beim luxemburgischen Unternehmen B Medical Systems – und arbeitet bereits seit vielen Jahren mit dem südostasiatischen Land zusammen. B Medical Systems stellt unter anderem Kühlgeräte her, die ein Land wie Vietnam, wo es sehr warm ist, aber auch sehr kalt sein kann und nicht überall Strom vorhanden ist, dringend braucht. „Sobald Sie einen Impfstoff haben, der gekühlt oder transportiert werden muss, haben wir eine Lösung dafür“, sagt Ries. Ursprünglich entstammt B Medical Systems der Electrolux-Gruppe, 2015 nahm das Unternehmen seinen jetzigen Namen an. „In Vietnam arbeiten wir seit 1994 – und seitdem haben wir 31.000 Kühlschränke hierhin geliefert, zwei Drittel davon über die luxemburgische Entwicklungszusammenarbeit, woran sich auch die Wichtigkeit dieser Partnerschaft ablesen lässt.“ Inzwischen aber wird Vietnam wegen seiner wirtschaftlichen Entwicklung weniger von Hilfsfonds, der Weltbank oder den Vereinten Nationen unterstützt, was B Medical Systems vor die Herausforderung stellt, einen privaten Businessbereich zu entwickeln. Funktioniert das? Das werden wir jetzt sehen, das hier war der Auftakt. „Uns hilft, dass das Land uns kennt. Eigentlich kann man davon ausgehen, dass jedes Kind, das in Vietnam geimpft wurde, seinen Impfstoff aus einem Luxemburger Kühlschrank bekam“, sagt Ries nicht ohne Stolz. Und die zukünftige Zusammenarbeit mit Vietnam? „Vietnam will ein Wachstum von acht Prozent, allein schafft man das nicht – sie brauchen uns und wir brauchen sie“, sagt Ries. 

Der Finanzexperte und die Kommunisten 

Nicolas Mackel, CEO von Luxembourg for Finance, im Gespräch mit Xavier Bettel und Stefan M. Rohmer von der Maius Group
Nicolas Mackel, CEO von Luxembourg for Finance, im Gespräch mit Xavier Bettel und Stefan M. Rohmer von der Maius Group Foto: SIP/Jean-Christophe Verhaegen

Nicolas Mackel ist CEO bei Luxembourg for Finance und erzählt, dass Luxemburg bereits heute eine Reihe an Aktivitäten mit Vietnam unterhält. Am Freitag kam ein weiteres Projekt hinzu, bei dem es um 10.000 nachhaltige Wohnungen in dem Küstenstaat geht. Finanziert wird das Unterfangen über einen luxemburgischen Fonds, der Geld bei internationalen Investoren sammelt. Ein weiteres, noch umfangreicheres Projekt zielt auf die Entkarbonisierung in Vietnam ab und wird von der Weltbank und einer Reihe internationaler Investoren aus dem Privatsektor zusammen über luxemburgische Strukturierungen finanziert. „Das ist ein riesiges Projekt“, sagt Mackel, das nur gelingen habe können, wenn es über ein Land wie Luxemburg laufe, das über ein Triple-A-Rating verfüge. „Für diese Investoren bedeutet das ein geringeres Risiko – das macht es attraktiver“, ergänzt Mackel, der zudem die Zusammenarbeit der Luxemburger Börse mit jenen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt im Bereich der Weiterbildung anführt. Die Expertise des Luxemburger Finanzplatzes könne Vietnam weiterhelfen – und Luxemburg profitiere davon, dass es mit solchen Projekten international seinen Ruf stärke. „Die Welt sieht, dass Luxemburg in der ersten Reihe spielen kann“, sagt Mackel und verweist auch auf zusätzliche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Und für die Finanzwelt ist es kein Problem, dass Vietnam ein kommunistisches Land ist? Laut Mackel nicht: „Es gibt keine Inkompatibilität eines kommunistischen Regimes mit nicht-kommunistischen Regimes – wenn die Wirtschaft offen ist und Investoren aus dem Ausland über Börsen oder Aktien investieren können, funktioniert das auch.“ 

Ein Abkommen zur gegenseitigen Unterstützung 

Cindy Tereba von der „Chambre de commerce“
Cindy Tereba von der „Chambre de commerce“ Foto: Maxi Pesch

Cindy Tereba von der „Chambre de commerce“ ist davon überzeugt, dass Luxemburg Vietnam unter anderem in den Bereichen Logistik, Datenmanagement und -sicherheit weiterhelfen kann. „Wie Luxemburg arbeitet auch Vietnam an der ökonomischen und an der digitalen Transition“, sagt Tereba und nennt als Beispiel die luxemburgische Post, die in Vietnam Telekom-Anbieter unterstützt, damit sie den Übergang schaffen. „Es gibt hier eine große Dynamik und ein starkes Wachstum – und damit sehr viele Möglichkeiten, diesen Sektor zu professionalisieren und Vietnam zu einem zentralen Player im asiatischen Raum werden zu lassen.“ China sei weiterhin ein wichtiger Markt für luxemburgische Unternehmen, doch die Lehren aus der Pandemie hätten gezeigt, dass man diversifizieren müsse. Und: „Einer der ersten Märkte, auf den luxemburgische Unternehmen schauen, ist Vietnam.“ Wie die anderen Gesprächspartner hebt Tereba die Wichtigkeit des Freihandelsabkommens hervor, das Vietnam 2020 mit der Europäischen Union geschlossen hat. „So kennen alle die gemeinsamen Regeln“, sagt Tereba. Am Freitag wurden auch zwei Absichtserklärungen unterzeichnet, die die Zusammenarbeit weiter stärken sollen. Wie die luxemburgische sei auch die vietnamesische eine der kleinen und mittleren Unternehmen. Hinzu kommt die Tatsache, dass man sich aus den Zeiten der Entwicklungsarbeit kennt – „und das zahlt sich auch heute noch aus, nur geht es jetzt darum, neue Partner zu finden“. Mit den Absichtserklärungen werde abgesichert, dass eine Kooperation in der Wirtschaft besteht. „Kommen luxemburgische Unternehmen hierher, ist die vietnamesische Handelskammer ihre Anlaufstelle – und umgekehrt ist das genauso“, sagt Tereba. „Wir helfen uns gegenseitig.“ 

Die Luxus-Manga-Figuren 

Luc De Ribeiro von Tsume
Luc De Ribeiro von Tsume Foto: Armand Back

Ein etwas sonderbarer, aber umso interessanterer Gast aus Luxemburg in Vietnam war das Unternehmen Tsume, das 2010 gegründet wurde und in Luxemburg inzwischen rund 60 Personen beschäftigt. Tsume stellt Sammler-Figuren aus den Bereichen Manga, Anime, Videospiele und amerikanische Comics her. In Luxemburg werden Design und Konzept sowie die Prototypen erstellt. Tsume hat Geschäfte in Paris, Barcelona und Dubai. Luc De Ribeiro, eine der Führungskräfte des Unternehmens, erzählt, dass bald Stores in Namur und Brüssel hinzukommen, einer in Deutschland sei geplant. Tsume produziert seine handgemachten Figuren, die sich durchaus im Luxussegment bewegen, zum Teil in China. Doch die Pandemie habe gezeigt, dass ein zweites Standbein gebraucht wird, sagt De Ribeiro. „Wir bleiben China treu, müssen uns aber diversifizieren.“ Nun hat Tsume seine Fühler auch dank der „Mission économique“ nach Vietnam ausgestreckt. „Wir wollen unser Know-how und einen Teil unserer Produktion nach Vietnam bringen“, kündigt De Ribeiro an. „Und das ist genau das, was Vietnam will.“ In China habe Tsume Experten, die bereit seien, ein halbes oder ein ganzes Jahr nach Vietnam zu kommen und ihr Wissen weiterzugeben. Die Wirtschaftsmission und die Tatsache, dass der Premierminister daran teilnimmt, erhöhen De Ribeiro zufolge das Vertrauen. Und ein Neuling sei Tsume ja schließlich auch nicht, sagt De Ribeiro: „Wir sind weltweit bekannt – nur in Luxemburg nicht.“ Am besten verkauften sich Figuren zu den japanischen Serien Dragonball Z, One Piece und Naruto, erklärt De Ribeiro, der noch einen kleinen Scoop bereithält: Bald sollen die ersten Tsume-Figuren zur Harry-Potter-Reihe erscheinen. Wahrscheinlich dann in Zukunft auch aus Vietnam heraus.