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Mountainbike„Ich wusste, hier ist Schluss“: Sören Nissen gibt Karriereende bekannt

Mountainbike / „Ich wusste, hier ist Schluss“: Sören Nissen gibt Karriereende bekannt
In seiner Karriere gewann Sören Nissen sowohl das dänische als auch das luxemburgische Meistertrikot Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Nach 25 Jahren im Radsport hört der zweifache dänische und achtfache luxemburgische Landesmeister Sören Nissen auf. Die WM vor zwei Monaten war sein letztes Rennen.

Mit dem Ort schloss sich ein Kreis, doch das Ergebnis war atypisch. Nur 20 Kilometer von seinem dänischen Elternhaus entfernt startete Sören Nissen in seiner Spezialdisziplin, dem Marathon, im luxemburgischen Landesmeistertrikot. Da die Streckenführung mit Engpässen einige Staus produzierte, lag er bereits nach fünf Kilometern drei Minuten in Rückstand. Damals resümierte er das Rennen folgendermaßen: „Eigentlich war es schön, auf den Strecken zu fahren, die ich von klein auf kenne. Aber ich wusste, das kriege ich nie zurück, und dann sind hundert Prozent schwierig.“

Doch auch wenn der Mountainbike-Profi als 72. mit fast 20 Minuten Rückstand weit von einem normalen Resultat entfernt war, ist Aufgeben nicht seine Sache. Zudem war dieses Rennen am 18. September für ihn etwas ganz Besonderes, wie er erklärt: „Bereits bei der WM wusste ich, hier ist Schluss.“ Der Rücken macht seit einiger Zeit Probleme und der Einzelsportler hatte es seit der Pandemie nicht nur mental, sondern auch sportlich schwer: „Ich habe mir immer Ziele gesetzt und wollte etwas erreichen. Die letzten zwei Jahre musste ich diese Ziele aber niedriger ansetzen. Mit Ende 30 reagiert der Körper einfach anders.“

Am Anfang der Pubertät war das anders: Er spielte in einem starken Fußballteam, schwamm Wettkämpfe, fuhr viel Rad und abends ging es noch oft mit dem Vater zum Windsurfen. Am Fußball störte ihn aber bald exzessives Feiern mit viel Alkohol. Er fragte sich: „Was willst du im Sport erreichen?“ Auch wegen der Euphorie um Bjarne Riis entschied er sich für den Radsport – anfangs erfolglos: „Dänemark ist einfach zu flach und ich habe die falsche Statur. Nach 200 Kilometern und 50 Höhenmetern wurde ich im Sprint immer Letzter.“ Über den befreundeten Lars Bak wechselte der 1,83 Meter große und 65 Kilo leichte Modellathlet zum Differdinger Kontinental-Team von Gab Gatti.

Hin zum Marathonspezialisten

„Der Sieg in der Rundfahrt der Slowakei ist meine schönste Erinnerung“, findet er im Rückblick. „Es war der Moment, in dem klar wurde, dass ich im Radsport etwas erreichen kann.“ Nach zwei luxemburgischen Lehrjahren ging es zum italienischen Team von Amore e Vita. Aber mit 25 war der Lohn karg, die Zeit entbehrungsreich und Ende März 2008 hatte sich sein italienischer Teamkollege Valentino Fois das Leben genommen. Dieser war noch nicht lange von einer dreijährigen Dopingsperre zurückgekehrt, die er als Teamkollege von Marco Pantani erhalten hatte, der bereits 2004 mit Antidepressiva Selbstmord begangen hatte.

Viele Erinnerungen an 25 Jahre Radsport hängen im Keller von Sören Nissen 
Viele Erinnerungen an 25 Jahre Radsport hängen im Keller von Sören Nissen  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Mit seiner luxemburgischen Freundin Betty ging es zurück nach Dänemark und Radsport wurde zum Hobby, das Mountainbike entdeckte er als nettes Wintertraining. Dies weckte seine sportliche Leidenschaft und bald organisierte ihm der Olympiasieger von Sydney 2000, Miguel Martinez, einen Vertrag bei Corratec, den er 2011 erhielt. Nach einem Lehrjahr mit etlichen Stürzen wurde er gerade im Marathon zu einem der Besten. „Ich bin froh über diese zweite Chance im Radsport. Die zwölf Jahre MTB waren eine sehr schöne, erfolgreiche, aber auch intensive Zeit. Tag und Nacht habe ich Radsport gelebt, zu 110 Prozent war das mein Leben“, erinnert sich Nissen zurück. Unter die rund ein bis zwei Dutzend Siege pro Saison fielen 2013 und 2015 auch die dänischen Landesmeisterschaften.

Dabei war er bereits Anfang 2012 mit Betty zurück nach Luxemburg, nach Bettendorf, gekehrt und fuhr für den VC Diekirch. Als Halbtagsprofi arbeitete er zudem im Radladen von Jan Ostergaard und besonders gerne erinnert er sich an die Roc d’Ardenne von 2015 im nahegelegenen Houffalize: „Auf den letzten Kilometern konnte ich Sven Nys schlagen. Das war genial, denn der hat damals so ziemlich alles gewonnen.“ Von 2014 bis 2016 gewann er dieses UCI-Rennen, doch ganz vorne war er in der UCI-Wertung nie. Zwischen einem populären Marathon wie beim Bike-Festival in Willingen, mit mehreren Tausend Startern, und einem unbekannteren UCI-Rennen wählte der drahtige Ausdauersportler im Zweifelsfall die populäre Version. Auch wegen der Sponsoren, wie seinem Radhersteller Stevens, sowie der Siegprämien.

Schwere Pandemie-Jahre

Gold für seine langjährige Heimat Luxemburg bei den JPEE in San Marino 2017 im Cross Country war schließlich der Anfang einer neuen Etappe: Ende des Jahres erhielt er die luxemburgische Staatsbürgerschaft und wagte zudem den Sprung, um als Profi auf eigene Rechnung zu fahren. Unter anderem gewann er das Etappenrennen BeMC rund um La Roche-en-Ardenne gegen die Stärksten der UCI-Marathonwertung. Und das Landesmeistertrikot im XC, Marathon und sogar im Cyclocross. Nach einem dritten Sieg beim Skaidi Xtrem und einem Podium bei der australischen Crocodile Trophy am Ende einer langen Saison kam er in den COSL-Elitekader.

Ich will nicht sehen, wie ich nach und nach schlechter werde

Sören Nissen

Nach einer ähnlich starken Saison 2019 stand er mit hohen Ambitionen und viel Aufwand am Start der Cape Epic, des größten MTB-Rennens der Welt. Dieses wurde aber wegen der Pandemie auf der Startlinie abgebrochen. Nicht nur für ihn begann eine ungewisse Leidenszeit. Als wieder erste Rennen ausgetragen wurden, war Nissen erneut vorne mit dabei und gewann sechs Jahre nach seinem ersten Sieg das Viertagesrennen auf Lanzarote. Mit Konny Looser wurde er Dritter der Swiss Epic und startete Anfang 2022 einen weiteren Versuch bei der legendären Cape Epic. Nach einem positiven Test seines Schweizer Partners waren sie aber bereits nach dem Prolog draußen. Dazwischen hatte er Ende 2021 verletzt auch die Grundausbildung zum Sportsoldaten abbrechen müssen.

„Die Entscheidung ist nicht vom Himmel gefallen“, erklärt er, wie allmählich eine Entscheidung reifte. „Ich will nicht sehen, wie ich nach und nach schlechter werde, und man wird mich auch nie mit einer Masters-Lizenz sehen.“ Die letzten Wochen nutzte der 39-Jährige, um abzutrainieren, die Partner und Sponsoren zu informieren und auch für seinen knapp zweijährigen Sohn. Erst einmal will er Distanz zum Radsport gewinnen, in Dänemark ein Sommerhäuschen am Meer herrichten, und meint abschließend ohne Bedauern: „Mein ganzes Leben war Velo und ich habe mein Bestes gegeben.“