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Pot des PrésidentsHandwerk fordert eine „seriöse Debatte“ über das „Business Model Lëtzebuerg“

Pot des Présidents / Handwerk fordert eine „seriöse Debatte“ über das „Business Model Lëtzebuerg“
Das Handwerk hat sich aktuell mit einer Inflationskrise, einer Beschaffungskrise und einer Energiekrise auseinanderzusetzen  Foto: Fédération des Artisans

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Seit dem 24. Februar befinde sich Luxemburg in einer neuen Realität, unterstrich das Luxemburger Handwerk im Rahmen ihres traditionellen „Pot des Présidents“. Die Pandemie habe man ziemlich gut überstanden. Mit dem Krieg jedoch stehe man nun vor neuen, weiteren Herausforderungen.

Bis heute sei es in Luxemburg nicht gelungen, eine offene Debatte über Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu führen, bedauerte Tom Oberweis, Präsident der „Chambre des métiers“, am Dienstagabend. „Die Gewerkschaften wollen nicht, die Politik traut sich nicht“, so der Sprecher des Handwerks. Also sei das Thema einfach abgehakt. „Wir bräuchten jedoch in Luxemburg eine ernsthafte Debatte über das, was wir uns als Gesellschaft leisten möchten, und, vor allem, was getan werden muss, um die finanzielle Grundlage dafür abzusichern“, forderte er.

Dabei malt er ein ziemlich schwarzes Bild vom Zustand der Luxemburger Wirtschaft. Zwar sei das Land dank der „guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik relativ glimpflich“ durch die Corona-Krise gekommen, unterstrich er, und bedankte sich bei der Regierung. Doch solle diese gute Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unternehmen heute insgesamt geschwächt dastehen würden.

Die Auswirkungen der Pandemie seien nach wie vor spürbar, so Oberweis weiter. Insbesondere in Form von gestörten Lieferketten und Preissteigerungen für Material, Rohstoffe und Energie. Durch den Krieg in der Ukraine habe die Lage nun jedoch noch einmal an Dramatik gewonnen. Mit dem russischen Überfall der Ukraine habe am 24. Februar „eine neue Zeitrechnung“ begonnen, sagte er. Unsere Vorstellung, dass sich die Welt durch die Globalisierung zu einem Raum mit allgemein anerkannten Werten entwickeln werde, „war eine Illusion“.

„Industriepolitik nur sehr schwer machbar“

Luxemburg, das zu den größten Gewinnern der Globalisierung zählt, riskiere zu den größten Verlierern zu werden, sollte sich die Welt wieder in Einflussbereiche aufteilen, so Oberweis laut Redetext weiter. Er bedauere, dass sich der Standort Luxemburg bereits seit Jahren negativ entwickele. In einschlägigen Kompetitivitäts-Rankings würde Luxemburg nach hinten fallen, während wir in Sachen Lohnniveau und Sozialleistungen weiterhin den Spitzenplatz belegen, sagte er.

Tom Oberweis, Präsident der „Chambre des métiers“
Tom Oberweis, Präsident der „Chambre des métiers“ Foto: Fédération des Artisans

„Eine Industriepolitik ist in Luxemburg nur sehr schwer machbar“, bedauerte er weiter. Es scheine schlicht die Akzeptanz zu fehlen. Doch ohne wettbewerbsfähige Wirtschaft, ohne Investitionen, ohne Innovationen werde sich der Wohlstand in Luxemburg in den kommenden Jahren verringern, warnte er.

Den umstrittenen Tripartite-Beschluss begrüßte er. Die Indextranchen müssten zwar ausbezahlt werden, was für viele Betriebe eine große Belastung darstelle, so Oberweis. Doch bringe die Begrenzung von einer Indextranche pro Jahr wenigstens Planungssicherheit, so die Mitteilung des Handwerks. Drei Indextranchen innerhalb von zwölf Monaten wären für kleine und mittelständische Unternehmen nicht tragbar gewesen und ein falsches Signal an ausländische Investoren. „Mir kënnen net méi vun eiser Regierung oder vun eiser Ekonomie erwaarden, dass mer all Mensch op Dauer vun allem, wat op der Welt passéiert, ofschierme kënnen, andeems mer alles kompenséieren, indexéieren an ajustéieren“, sagte er laut Redetext weiter.

Weiter forderte er zusätzliche Anstrengungen bei der Energiewende, und, um wieder mehr Industrie in Europa anzusiedeln. Abschließend ging er noch auf die Wohnungsbaupolitik ein: Die Explosion der Immobilienpreise sei für Haushalte und Unternehmen ein großes Problem, das nicht über die Löhne zu lösen sei. Eine Verbesserung sei nur durch eine Dynamisierung des Angebotes (d.h. mehr bauen) zu erreichen, doch dazu fehle offensichtlich der politische Wille. Es sei nun an der Zeit, innovativ und handlungsfähig zu sein, so der Sprecher des Handwerks.

Weiterführende Lektüre:

Mit der boomenden Wirtschaft legte die Zahl der Arbeitsplätze 2021 wieder stark zu, jedoch nicht in jedem Sektor – LINK

Finanzplatz: 2021 war ein gutes Jahr für die Luxemburger Banken – LINK

Zum Tripartite-Abkommen: Eine kommentierende Analyse und zusätzlich vorgestellte Details.

Energie: Die Sonne ist ein großer Teil der Lösung: „Ein Parkplatz deckt den Stromverbrauch eines Haushalts“ – LINK

Wettbewerbsfähigkeit der Länder: Luxemburg steigt im INM-Ranking auf Platz 12 – LINK

Ranking: Im Wettbewerb der Finanzzentren fällt Luxemburg deutlich zurück – LINK

Der traditionelle Neujahrsempfang des Handwerks, der „Pot des Présidents“, im Jahr 2021 – LINK

Filet de Boeuf
20. April 2022 - 13.42

"In einschlägigen Kompetitivitäts-Rankings würde Luxemburg nach hinten fallen, während wir in Sachen Lohnniveau und Sozialleistungen weiterhin den Spitzenplatz belegen, sagte er. " Los, deckelt den Index, dann sind wir wieder kompetitiv. Wie sagte mal ein Freund zu mir: "Ich habe 3 Autos in meiner Villa stehen, ich brauche den Index um die Versicherungen zu bezahlen."