Bei der großen Show des Weltmeisters Remco Evenepoel zeigte Bob Jungels eine solide Leistung. Nachdem der 30-Jährige eine Infektion der Lungen hinter sich gebracht hat, kommt er immer besser in Fahrt. 1:26 Minute war er auf den 19,6 Kilometern zwischen Fossacesia Marina und Ortona langsamer als Evenepoel und wurde damit 26. 

Den Rahmen sprengte beim Zeitfahren der Belgier Evenepoel. Der Top-Favorit deklassierte die Konkurrenz, nach 19,6 km hatte er 22 Sekunden Vorsprung auf den italienischen Zeitfahrspezialisten Filippo Ganna auf Platz zwei. Die Konkurrenz für das Gesamtklassement lag noch weiter zurück. Alex Kirsch beendete den Kampf gegen die Uhr auf Platz 60 (auf 2:01 Minuten), Michel Ries wurde 151 (3:25 Minuten).

Auf dem Podium streifte sich Evenepoel das Maglia Rosa über sein Weltmeister-Trikot und verspritzte fröhlich Prosecco. „Die erste Mission ist erfüllt“, sagte der 23-Jährige. Er sei „super happy“. Den ebenfalls heiß gehandelten dreimaligen Vuelta-Sieger Primoz Roglic (Slowenien) distanzierte er um 43 Sekunden.

„Ich habe mich nicht besonders auf den Abstand zu ihm konzentriert, ich habe einfach versucht, die Etappe zu gewinnen“, sagte Evenepoel. Das Rosa Trikot sei nicht unbedingt das Ziel gewesen, aber: „Es ist nett, so zum Giro zurückzukommen.“ 2021 hatte er sich zum ersten Mal an der Italien-Rundfahrt versucht, war aber vorzeitig ausgestiegen.

Zwei Jahre später ist Evenepoel ein anderer Rennfahrer, Weltmeister auf der Straße, Champion der Vuelta a España und zuletzt beim Klassiker Liège-Bastogne-Liège in seiner eigenen Liga unterwegs. Er weiß aber auch: Die Wege nach Rom sind lang, nach dem Auftakt am Wochenende warten 19 weitere Etappen bis zum Finale am 28. Mai.

Auf der zweiten Etappe am Sonntag durften die Klassementfahrer zunächst den Sprintern die Bühne überlassen – beim Sieg des Italieners Jonathan Milan rollten die Favoriten in der gleichen Zeit über die Ziellinie. Jungels wurde 119., Ries 134. (beide auf 34 Sekunden), Kirsch 158. (auf 49 Sekunden).

Bei Jungels’ Teamkollegen von Bora-hansgrohe sagte Kapitän Lennard Kämna, der das Zeitfahren als 22. beendete, seine Leistung sei „solide gewesen“, seine Beine hätten sich „okay“ angefühlt. Der Sprung unter die Top 10 gelang aber dem zweiten Leader des Teams, dem Russen Alexander Wlassow.

Die Frage nach dem Wochenende lautet: Wer soll Evenepoel schlagen? „Remco Fenomeno“, schwärmte die Gazzetta dello Sport. Der Ausnahmefahrer, der einst eine Karriere im Profifußball für den Radsport ausschlug, ist längst zu einem Weltklassefahrer gereift. Seit dem vergangenen Herbst arbeitet er seine Ziele in beeindruckender Leichtigkeit ab. Und im nächsten Jahr steht der Angriff auf den Tour-Thron auf dem Programm. So ist der Plan.

Die Parallelen zu Merckx sind übrigens frappierend: Dieser gewann auch mit 22 den WM-Titel, holte im Jahr darauf den Giro, bevor er sich an seine fünf Tour-Siege machte. So weit ist es noch nicht. Evenepoel freute sich erst einmal, auf diese Weise zum Giro zurückzukehren. Vor zwei Jahren hatte er seinen ersten Versuch nach 17 Etappen ernüchtert abgebrochen, als er nach zehn Monaten Pause wegen eines Beckenbruchs noch nicht bereit war. Inzwischen scheint er es zu sein.

Heute geht es für das Peloton auf der dritten Etappe von den goldgelben Stränden der Stadt Vasto über 216 km ins Landesinnere nach Melfi. Die zweitwichtigste Radsport-Landesrundfahrt nach der Tour de France endet nach 3.489,2 km am 28. Mai in Rom. (SID/pg)