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BangladeschEine Million Menschen, die niemand will – Franz Fayot im größten Flüchtlingslager der Welt

Bangladesch / Eine Million Menschen, die niemand will – Franz Fayot im größten Flüchtlingslager der Welt
Mehr als die Hälfte der Bewohner der Camps sind Kinder Foto: Editpress/Christian Muller

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Im Rahmen seines Besuchs in Bangladesch hat Franz Fayot, in seiner Rolle als Minister für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten, am 1. Mai das größte Flüchtlingslager der Welt besichtigt. Auf einer Fläche, die etwa 1,5-mal so groß ist wie die Stadt Esch/Alzette, leben hier eine Million Menschen in kleinen Hütten aus Bambus und Plastik. Aussichten auf Besserung gibt es nicht.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2017 war es ein großes Thema in der internationalen Politik: Hunderttausende Menschen aus der Ethnie der Rohingya flohen damals vor den Gewalttaten der myanmarischen Armee ins benachbarte Bangladesch.

In der grenznahen Stadt Cox’s Bazar wurde ihnen erlaubt, sich provisorisch niederzulassen. In diesem tropischen Sumpfgebiet gab es damals, bedingt durch die Krisen und Vorfälle der Jahre und Jahrzehnte davor, bereits einige kleinere Flüchtlingslager mit 30.000 bis 40.000 Rohingya. Innerhalb weniger Wochen stieg ihre Zahl dann sprunghaft um etwa 750.000 Menschen an.

Die Solidarität in Bangladesch war, trotz der eigenen Armut, „unglaublich groß“, erläuterte Romain Desclous vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR während des Besuchs des Luxemburger Ministers. Mit den Rohingya verbindet die Menschen in Bangladesch nicht nur die geografische Nähe, sondern auch die Kultur, die Sprache und der Islam. In Myanmar zählt die Mehrheit der Bevölkerung zum Buddhismus. In Naturgebieten nahe der Stadt Cox’s Bazar durften die vor dem Völkermord geflüchteten Menschen nun vorläufig in Sicherheit leben.

Flüchtlinge dürfen die Lager nicht vergessen

Auf diesem engsten Raum leben sie heute immer noch. In 33 aneinander grenzenden und eingezäunten Camps – fast eine Million Menschen, auf einer Fläche, die etwa 1,5-mal so groß ist wie die Stadt Esch/Alzette. „Die Bevölkerungsdichte ist größer als in der am dichtesten besiedelten Stadt der Erde, Manila“, so Desclous. Etwas mehr als die Hälfte der Einwohner der Camps sind Kinder. Ein Viertel von ihnen hat Myanmar, das Land ihrer Eltern, noch nie gesehen.

Die Lage für die Menschen in den Camps ist dramatisch. In den warmen Monaten wird es bis zu 40 Grad heiß, im Winter fallen die Temperaturen bis auf 15 Grad. Die Flüchtlingslager dürfen die Rohingya nicht verlassen. Aufenthaltsgenehmigungen für Bangladesch selber oder gar eine Arbeitserlaubnis erhalten sie nicht. „Die Rohingya sind das am meisten diskriminierte Volk der Erde“, so der Vertreter des UNHCR. „Es gibt keine Privatsphäre, kein Internet, kein Platz zum Spielen und kaum Ablenkung.“

Um symbolisch zu zeigen, dass ihre Präsenz zeitlich begrenzt ist, dürfen sie ihre Unterkünfte nur aus Materialien wie Bambus oder Plastik errichten. Das wiederum führt – durch die eng aneinander liegenden Hütten – im Falle von Feuer oft zu Großbränden. Hinzu kommen regelmäßige Überschwemmungen, Erdrutsche und Zyklone.

Ein staatenloses Volk

Mehr als 130 internationale Organisationen, die hier tätig sind, versuchen das schlimmste Leid zu lindern. Sie helfen beim Betreiben von Schulungs- und Gesundheitszentren sowie bei der Ernährung und Lager-Infrastruktur. Reichen tut das jedoch nicht. Allein um die zehn US-Dollar zu finanzieren, die den Menschen pro Kopf monatlich zur Verfügung stehen, um im Lager-Geschäft Nahrung einzukaufen, wird ein millionenschweres Budget benötigt. Zuletzt musste die Summe von zwölf auf zehn Dollar reduziert werden.

Obwohl Arbeit verboten ist, hat das UNHCR das Recht erhalten, Freiwillige für Leistungen in den Camps zu belohnen. Für ihren Einsatz als Lehrer, Handwerker, Feuerwehrmann oder Verkäufer im Lager-Shop bekommen sie eine kleine Entschädigung. Bangladesch, das selber hart an der eigenen Entwicklung arbeitet, gibt den Rohingya keinen Zugang zum eigenen Schul- oder Gesundheitssystem.

Weggehen ist für die Rohingya ebenfalls keine Option: Andere Länder wollen sie nicht. Auch arbeiten in Staaten wie zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten (bspw. Dubai oder Abu Dhabi) ist nicht möglich. Die Rohingya gelten als staatenlos: Die Staatsangehörigkeit von Bangladesch erhalten sie nicht. In Myanmar hat die dortige Militärregierung sie ihnen bereits Jahre zuvor entzogen.

Der Besuch eines Ministers hilft, dass die Lage der Menschen nicht aus dem Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verschwindet
Der Besuch eines Ministers hilft, dass die Lage der Menschen nicht aus dem Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verschwindet Foto: Editpress/Christian Muller

Für Bangladesch handelt es sich um „Menschen aus Myanmar“. Das ist offensichtlich auch der Wunsch der dort lebenden Menschen, wie einige erklären. Für Myanmar hingegen handelt es sich um „Migranten aus Bangladesch“.

Ohne Papiere ist das Umziehen in ein anderes Land jedoch unmöglich, auch wenn manche es aus reiner Perspektivlosigkeit dann doch über das Meer bis nach Malaysia versuchen. „Die Rückkehr ist eigentlich die einzige Möglichkeit der Hoffnung“, so Desclous. Ob das aber irgendwann passieren wird, steht in den Sternen. Aktuell wäre es immer noch lebensgefährlich.

Eine Krise, die riskiert, vergessen zu werden

In Bangladesch wird die Situation derweil mit den Jahren immer komplizierter. Die Lage werde von Nationalisten und anderen Extremisten instrumentalisiert, so Minister Franz Fayot. „Flüchtlinge sind der ideale Sündenbock“, unterstreicht auch der Vertreter des UNHCR. „Es riskiert, eine vergessene Krise zu werden. (…) Mit der Zeit ebbt die Solidarität ab.“ Das Narrativ „Flüchtlinge verursachen Unsicherheit, Drogenschmuggel“ und seien schlecht für die lokale Tourismus-Wirtschaft, gewinne an Gewicht, so Desclous weiter. Eigentlich sei das aber gar nicht der Fall: Die UN haben in der ganzen Gegend Straßen gebaut. Für mehr als zehn Millionen Dollar im Jahr kaufe man Esswaren auf dem lokalen Markt.

Es wäre aber falsch, dem Land Vorwürfe zu machen, so Fayot. „Es hat wirklich große Solidarität gezeigt. Da gilt es, dankbar zu sein. Nicht viele Länder sind bereit, innerhalb eines Jahres eine Million Flüchtlinge aufzunehmen.“ Ohne diese Hilfe wären diese Menschen wohl nicht mehr am Leben. „In ihrem Herkunftsland würden sie abgeschlachtet werden.“ Das verdiene „riesiges Lob“, so der Luxemburger Minister. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich um ein Land handelt, das selber ein Entwicklungsland ist.

Seit Jahren leben hier eine Million Menschen in kleinen Hütten aus Bambus und Plastik
Seit Jahren leben hier eine Million Menschen in kleinen Hütten aus Bambus und Plastik Foto: Editpress/Christian Muller

„Es ist aber eine vollwertige humanitäre Krise“, fügt Fayot hinzu. Als Land „müssen wir Solidarität zeigen“. Das spezifische Hilfsbudget für 2023 wird nun von 250.000 auf 500.000 Euro erhöht. „Geld, das wirklich bitter benötigt wird“, so Fayot.

Noch wichtiger als das Geld ist für den UNHCR-Vertreter jedoch der Besuch des Ministers. Es gelte, die Weltöffentlichkeit weiter auf die verzweifelte Lage der Menschen in den Camps aufmerksam zu machen. „Sie dürfen nicht vergessen werden.“


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jean-pierre.goelff
4. Mai 2023 - 17.49

..an waat brengt daat Getuuts déen aarmen Kennercher?Nix,und nochmals nix!Maacht den Portemonni op,d'Ländchen huët jo eng immens grouss Geldschêpp,besonnesch fir Toopichkeeten, an investeïert dohannen!Ach,ech hun nees gedreemt......!!!