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EditorialDie Genfer Konventionen stehen für ein ethisches Weltbild

Editorial / Die Genfer Konventionen stehen für ein ethisches Weltbild
Das Rote Kreuz ist eng mit den Genfer Konventionen verbunden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Im Oktober 1863 fand in Genf eine Konferenz zwischen Vertretern von 16 Ländern und vier philanthropischen Vereinigungen statt, mit dem Grundgedanken, auch in Kriegszeiten Menschlichkeit zu zeigen. Daraus entstand die erste Genfer Konvention, die gestern vor exakt 159 Jahren (1864) unterschrieben wurde. Die darauffolgenden Abkommen und Protokolle bilden den Kern des humanitären Völkerrechts; es soll die Austragung von Konflikten regeln und ihre Auswirkungen begrenzen.

Inzwischen wurden vier Genfer Abkommen und drei Zusatzprotokolle unterzeichnet. U.a. sollen die Abkommen diejenigen Menschen schützen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, wie z.B. Kriegsgefangene, Verwundete oder auch noch Schiffsbrüchige. Eine wichtige Erweiterung des Regelwerks gab es 1949 mit dem vierten Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.

Die Abkommen können als Meilenstein der Zivilisation angesehen werden; obwohl der Grundgedanke, Menschlichkeit auch in Kriegszeiten zu bewahren, erst mal paradox erscheint, ist die Erkenntnis, moralische Regeln für Kriege festzuschreiben, doch revolutionär. So hatte sich z.B. bis 1864 niemand um die auf den Schlachtfeldern zurückgelassenen Verwundeten gekümmert; sie wurden einfach ihrem Schicksal überlassen.

Die Konventionen sind allerdings nur Selbstverpflichtungen ohne Bestimmungen zu Sanktionen im Falle von Zuwiderhandlungen; sie enthalten lediglich die Verpflichtung, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu ahnden. Es stellt sich natürlich die berechtigte Frage, wofür Abkommen gut sind, die in fast jedem Krieg missachtet werden, da es stets Soldaten gab und gibt, für die es keine humanitären Grenzen gibt.

Die Tatsache, dass es dieses Völkerrecht gibt, hilft der ukrainischen Zivilbevölkerung derzeit nicht, auch wenn der Aggressor die Konventionen unterschrieben hat. Die Tatsache jedoch, dass es in Russland verboten ist, das Wort Krieg zu benutzen – offiziell handelt es sich um eine „Sonderoperation“ –, kommt wohl nicht von ungefähr. Wird kein Krieg geführt, dann braucht man auch kein Kriegsrecht zu beachten, und es kann auch keine Kriegsverbrechen geben. So lassen sich die Verpflichtungen der Konventionen rhetorisch umgehen.

Eng mit der Existenz der Genfer Abkommen verbunden ist die Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, ohne dessen Einsatz es in Krisengebieten wohl noch um einiges schlimmer aussehen würde. Allein deswegen schon sind die erwähnten Konventionen sinnvoll.

Internationale zwischenstaatliche Zusammenarbeit – wie übrigens auch das Regieren – kann auf zwei Arten erfolgen: nach dem Gesetz des Stärkeren oder nach gemeinsam vereinbarten Regeln. Diese bilden die Grundlage dessen, was man Rechtsstaatlichkeit nennt. Die Konventionen stehen für eine Weltordnung, in der das Recht über der Macht der Stärkeren steht, kurz, für ein humanistisches und ethisches Weltbild.

Nomi
23. August 2023 - 13.21

Wann een den Krich an der Ukraine kuckt, dann ass di Genfer Konventio'un de Papeier net waert wo'u se geschriwen ass. An vun eisen Politiker hei'ert een Naischt betreffend den Krichsverbriechen an der Genfer Konventio'un gegen iwer dem Putin.

DanV
23. August 2023 - 13.09

"Wird kein Krieg geführt, dann braucht man auch kein Kriegsrecht zu beachten" Naja, diese Argumentation hinkt heftig. Wenn Kriegsrecht nicht anzuwenden ist, welches Recht dann? Ich wette, falls es zu Prozessen kommen würde, würde Russland sich aufs Kriegsrecht berufen. Denn sonst gibt es doch nur noch das Strafrecht. Und das ist viel strenger, auch in Russland. Dann müssten das ganze Militär, die ganze Duma und alle privaten Söldner für ewig ins Gefängnis.

Robert Hottua
23. August 2023 - 9.25

Am 11. Mai 2010 stand in der "Suedddeutschen Zeitung" ein Artikel von Franziska AUGSTEIN über ein Buch über das "DRK": "Das Rote Kreuz und das NS-Regime: die willigen Helfer". Laut diesem Buch des Mediziners und Historikers Horst SEITHE hat das "Deutsche Rote Kreuz" im Dritten Reich nicht nur Verwundete gepflegt. Das Buch klärt darüber auf, wie das DRK zum hörigen Handlanger des NS-Regimes wurde. MfG Robert Hottua