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ParlamentDie Chamber trainiert ihre Muskeln: Verfassungsrevision soll die Vorrechte der Abgeordnetenkammer stärken

Parlament / Die Chamber trainiert ihre Muskeln: Verfassungsrevision soll die Vorrechte der Abgeordnetenkammer stärken
Das Abgeordnetenhaus in Luxemburg Foto: Editpress-Archiv

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Die vierte und letzte Etappe der Verfassungsrevision hat am Mittwoch die parlamentarische Hürde in erster Lesung genommen. Modernisiert werden die Artikel zur Abgeordnetenkammer und zum Staatsrat. Eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Abgeordneten war zur Annahme der Änderungsvorschläge notwendig. In drei Monaten muss nochmals zugestimmt werden. Eine hitzige Debatte entbrannte zum Schluss in Sachen Ausländerwahlrecht und Untersuchungsausschüsse.

Das Parlament werde dank der Abänderungen gestärkt, so eine der Kernaussagen von Berichterstatter Charles Margue („déi gréng“). Erstmals steht in der Verfassung, dass die Wahlen obligatorisch und geheim sind. Am Mindestalter für das aktive Wahlrecht (18 Jahre) wird nichts geändert. Es bleibt auch bei der Nationalitätenklausel. Das Parlament wählen dürfen auch weiterhin nur Luxemburgerinnen und Luxemburger. An der Abgeordnetenzahl von 60 wird genauso wenig gerüttelt wie an der aktuellen Zusammensetzung der Bezirke.

Eine Neuerung betrifft das Initiativrecht für die Bürger. 125 Personen können einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten. Wird er von 12.500 Wählerinnen und Wählern unterstützt, kann er im Parlament eingereicht werden, das sich zum Vorschlag wird äußern müssen. Anders als beim Wahlrecht dürfen in Zukunft auch Nichtluxemburger an beratenden Referenden teilnehmen. Das Parlament entscheidet im Einzelfall.

Kontrollrecht gestärkt

Erstmals in seiner Geschichte wird das Parlament allein über seine eigene Auflösung bestimmen können. Bisher konnte der Großherzog die Abgeordnetenkammer eigenwillig auflösen. Vorgezogene Neuwahlen müssen nun ausschließlich nach einem Misstrauensvotum gegen die Regierung oder bei Rücktritt der Regierung stattfinden.

Das Kontrollrecht des Parlaments auf die Regierung wird mit dem vereinfachten Einsetzen von Untersuchungsausschüssen gestärkt. Derzeit ist noch eine Mehrheit im Parlament erfordert, in Zukunft reichen 20 Abgeordnete. Des Weiteren muss die Regierung dem Parlament alle Dokumente aushändigen, die es für seine Arbeit benötigt, und die Fragen der Abgeordneten zwingend beantworten. In Zukunft wird die Chamber sich bei rechtlichen Fragen an den Staatsrat wenden können. Bisher war die Hohe Körperschaft ausschließlich beratendes Organ der Regierung.

Fernand Kartheiser (ADR) bedauerte, dass die Mehrheitsparteien auf ein Referendum zur Bestätigung der Verfassungsrevision verzichteten. Dabei wäre das Bürgerbeteiligung gewesen, wie nun im neuen Verfassungstext beabsichtigt. Nach wie vor befürchtet die ADR, dass das Ausländerwahlrecht durch die Hintertür etwa über Referendum eingeführt werden könnte. Eine Aussage, die zum Schluss der Diskussion heftige Wortgefechte auslösen sollte. Eine Verfassung könne nur durch eine Zweidrittel-Mehrheit geändert werden, so Mars di Bartolomeo (LSAP). Alles andere sei Fakenews. Ob man denn Angst vor Nichtluxemburgern habe, die für uns arbeiten, fragte Myriam Cecchetti („déi Lénk“) angesichts der verbreiteten Blockadehaltung in Sachen Ausländerwahlrecht.

Überlastete Parlamentswoche

Zuvor hatte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) bedauert, dass die Debatte über diese wichtigen Kapitel der Verfassung in einer überlasteten Parlamentswoche stattfindet. Sie erinnerte an den von „déi Lénk“ ausgearbeiteten Revisionsvorschlag. Darin wäre das Einwohnerwahlrecht eingeführt worden. Auch hätte man 16-Jährigen das Wahlrecht eingeräumt und einen einzigen Wahlbezirk eingeführt.

Für ein Referendum zum Revisionstext sollte sich später auch der Piratenabgeordnete Sven Clement aussprechen. Unverständlich seien zuvor geäußerte Warnungen, das abgeänderte Recht für Untersuchungsausschüsse nicht überzustrapazieren und zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen. Wolle die Regierung wenig Untersuchungsausschüsse, solle sie entsprechend arbeiten. Die Piraten sprachen sich für die Revision aus.

Eine Reihe Kompetenzen hatte das Parlament bisher schon, meinte Premierminister Xavier Bettel (DP). Es sei nicht so, dass nun alles neu sei. Die Regierung beantworte Fragen, komme ins Parlament, wenn sie gerufen werde. Und auch in der Vergangenheit hätten U-Ausschüsse gearbeitet. Die Botschaft der Bürger zum Ausländerwahlrecht (beim Referendum von 2015) sei klar gewesen, und die Regierung werde das respektieren, so Bettel zu den Vorwürfen der ADR zur möglichen Einführung des Ausländerwahlrechts bei den Parlamentswahlen. Worauf Clement antwortete, das Instrument Untersuchungsausschuss habe bisher nicht funktioniert, hätte doch die Mehrheit in der rezenten Vergangenheit das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses mehrmals verhindert. Dabei nannte er die „Superdreckskëscht“-Affäre, die „Gaardenhaischen“-Affäre, die Affäre um den überteuerten LUXEOSys-Satelliten.

Der Revisionstext wurde schließlich mit 47 Ja-Stimmen bei vier Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen in erster Lesung angenommen.