Mit dem am Donnerstag gesprochenen Urteil des Kassationshofs wurde das letzte Kapitel in der Affäre um den vermeintlichen Missbrauch eines Jugendlichen durch den ehemaligen Pfarrer von Belair geschrieben. Der Antrag auf Kassation wurde zurückgewiesen. Das Urteil des Berufungsgerichts ist damit rechtskräftig. Der Beschuldigte war zu zu sieben Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Publik wird die Affäre Ende September 2014. In einem Kommuniqué teilt die Erzdiözese mit, zurzeit werde ein Priester wegen eines unsittlichen Vergehens an einer zur Tatzeit minderjährigen Person verhört. «Gemäß den Leitlinien der Erzdiözese Luxemburg für den Umgang mit sexualisierter Gewalt an Minderjährigen im kirchlichen Bereich hat der Erzbischof den Priester unmittelbar nach dessen Selbstanzeige von seinen pastoralen Aufgaben suspendiert und sich vergewissert, dass die Staatsanwaltschaft befasst wurde.» Es sei nun Aufgabe der Justiz, entsprechend der für alle geltenden Gesetze Recht und Gerechtigkeit walten zu lassen.
Die Vorgeschichte
Während einer Pilgerreise nach Taizé (Saône-et-Loire in Frankreich) kommt es zwischen dem 6. und 8. November 2008 in einem Gästehaus in Collonges, Lournand, zu sexuellen Handlungen zwischen dem damaligen Seelsorger der Pfarrgemeinschaft Belair-Cessingen-Merl, Emile A., damals 51, und einem damals 14-jährigen Jungen. Der Pfarrer und der Jugendliche teilen sich während zwei Nächten dasselbe Zimmer, weil kein weiteres Zimmer mehr frei ist. Am Abend kommt es zur sexuellen Annäherung. Die Rede ist von gegenseitiger Masturbation und Oralsex.
Sechs Jahre später
Laut Erzbistum zeigt sich der Geistliche selbst beim Erzbischof an. Die Staatsanwaltschaft wird mit dem Fall befasst, Ermittlungen werden eingeleitet, der Pfarrer von der Kriminalpolizei vernommen. Der Erzbischof suspendiert den Pfarrer von seinen pastoralen Aufgaben. Zum vermeintlichen Opfer, zu diesem Zeitpunkt ein junger Mann, darf der Geistliche keinen Kontakt aufnehmen. Aus Selbstlosigkeit oder später Reue erfolgt der Schritt des Geistlichen jedoch nicht. Zur Selbstanzeige kommt es erst, nachdem der Vater des jungen Mannes ihn mit den Vorwürfen seines Sohnes konfrontiert hat. Kurz zuvor hat sich das vermeintliche Opfer seinem Vater auf Anraten eines Freundes anvertraut.
Der Prozess in erster Instanz
Im Herbst 2016 kommt es zum Prozess in erster Instanz am Bezirksgericht Luxemburg. Vier Verhandlungstage sind anberaumt. Die Anklage lautet auf Vergewaltigung, Nötigung und sexueller Missbrauch einer wehrlosen und schutzbefohlenen Person.
Die Verteidigungsstrategie
Am ersten Verhandlungstag bestreitet der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Dabei hatte er sie zuvor bei den Verhören teilweise zugegeben. So sei es nicht zum Oralsex gekommen, sagt er. Diese Version soll er am vierten Verhandlungstag widerlegen. Er spricht von freundschaftlichem Verhältnis und emotionaler Verbundenheit zu seinem Opfer.
Der Ex-Seelsorger ist schließlich geständig, behauptet aber, die Initiative zu den sexuellen Handlungen sei vom Jugendlichen ausgegangen. Dem Opfer wird Mitschuld, wenn nicht sogar die ganze Schuld zugeschrieben. Der Angeklagte sei das eigentliche Opfer. So behauptet der Beschuldigte unter anderem, dass der Junge ihm während der Busfahrt nach Taizé «Zeichen» gegeben habe.
Die Verteidigung lässt eine ganze Armee von Entlastungszeugen auftreten. Sie sollen die moralische Integrität des Beschuldigten bezeugen. Vorgeladen ist auch Ex-Generalvikar Mathias Schiltz. Er kann nur Positives über Emile A. sagen. Er sei nie in den «Akten der kirchlichen Missbrauchs-Kommission aufgetaucht». Moralisch einwandfreies Verhalten bescheinigt dem Ex-Pfarrer auch der Ex-Direktor und Ex-CGFP-Präsident Emile Haag. In den Zeugenstand gerufen wird ebenfalls der zu diesem Zeitpunkt noch Vizegruppenchef des «Groupe de support psychologique de la protection civile du Luxembourg» (GSP). Dem Gericht liegen des Weiteren 50 schriftliche Aussagen von Leumundszeugnissen zugunsten des Pfarrers vor.
Während der Angeklagte entlastet werden soll, soll das zu diesem Zeitpunkt noch vermeintliche Opfer diskreditiert werden. Der Jugendliche habe den Angeklagten verführt. Der zum Prozesszeitpunkt 20 Jahre junge Mann sei unglaubwürdig, ein Eigenbrötler. Es habe keine vorsätzliche Tat gegeben. Der Jugendliche musste ins Zimmer des Angeklagten, da niemand sein Zimmer mit ihm teilen wollte. In seinem Plädoyer fordert der Verteidiger den Freispruch für seinen Mandanten, da erhebliche Zweifel an den Aussagen des vermeintlichen Opfers bestehen.
Die Anklageseite
Vor Gericht steht Aussage gegen Aussage: Von wem ging die Initiative zu den sexuellen Handlungen aus? Vom damaligen Pfarrer? Hat der Junge ihn tatsächlich provoziert? Emile A. habe sich ihm genähert, behauptet das Opfer. Die Anklage verweist auf die Verantwortung des Erwachsenen und die Unfähigkeit des Jugendlichen, zu jenem Zeitpunkt und unter den gegebenen Umständen eine bewusste Entscheidung zu treffen. Die Leumundsbekundungen der von der Verteidigung geladenen Zeugen bezeichnet die Staatsanwaltschaft als wertlos. Niemand sei zum erörterten Zeitpunkt im Zimmer gewesen, also könnten die Zeugen nicht wissen, was sich dort abgespielt habe, sagt Staatsanwältin Michèle Feider.
Das Opfer wird laut Zeugenaussagen als scheues und zurückhaltendes Kind bezeichnet, das sich dem damaligen Pfarrer als Respektperson nicht widersetzen konnte. «Schon im Bus sei es damals zu ersten Intimitäten gekommen, indem der Pfarrer ihm die Hand auf die Schenkel legte», wie das Opfer erläuterte. Laut Gutachter kann der Ex-Priester nicht als pädophil bezeichnet werden. Er sei nicht psychisch krank und demnach voll schuldfähig. In ihrem Plädoyer fordert die Staatsanwaltschaft sieben Jahre Haft, eventuell auf Bewährung. Das Opfer sei vergewaltigt worden, der Angeklagte habe passiven Oralsex bekommen. Was er später selbst zugegeben hat. Das Opfer habe unter Zwang gehandelt. Der Angeklagte habe seine Position missbraucht.
Missbrauch/Vergewaltigung/einvernehmlicher Sex?
Am vierten Verhandlungstag hatte der Angeklagte zugegeben, Oralverkehr mit dem Jugendlichen gehabt zu haben. Die gegenseitige Masturbation hatte er bereits zuvor bestätigt. Diese wird als sexuelle Nötigung angesehen und ist zum Zeitpunkt des Prozesses verjährt. Die Frage, die sich den Richtern stellte, war: Fand Oralsex auf einvernehmlicher Basis statt oder wurde er erzwungen? Zur Tatzeit im Jahr 2008 war Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren erlaubt. 2011 wurde diese Altersschwelle auf 16 Jahre angehoben. Wurde der Oralsex jedoch erzwungen, handelt es sich um eine Vergewaltigung, da Fellatio mit Penetration gleichgestellt ist.
Freispruch in erster Instanz
Der Beschuldigte wird am 20. Dezember 2016 freigesprochen. Die Anklage habe nicht beweisen können, dass der Jugendliche dem Akt nicht zugestimmt habe. Das Gesetz stelle heute Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Jugendlichen unter 16 Jahren unter Strafe; dies sei im Jahr 2008 nicht der Fall gewesen. Das 2011 abgeänderte Gesetz könne nicht rückwirkend angewandt werden, heißt es.
Berufungsprozess
Am 10. Oktober 2017 beginnt der Berufungsprozess. Alles dreht sich um die Frage, ob der Junge dem Geschlechtsakt zugestimmt hat oder nicht, ob er in der Lage war, die Avancen des Angeklagten zurückzuweisen. Geschlechtsverkehr mit 14-Jährigen war zur Tatzeit, wie oben erwähnt, per se nicht strafbar. Die Schutzaltersgrenze für hetero- und homosexuelle Handlungen wurde erst 2011 von 14 auf 16 Jahre angehoben. Staatsanwalt Marc Harpes argumentiert, dass sich der Jugendliche nicht gegen den Beschuldigten, mit dem er ein Bett teilen musste, wehren konnte. Das Opfer sei damals sehr labil gewesen und man hatte es beim Geistlichen mit einer Respektsperson zu tun. Verteidiger Me Gaston Vogel fordert weiterhin den Freispruch. Recht habe nichts mit Moral zu tun.
Das Urteil
Die Berufungsrichter verurteilen den Angeklagten am 28. November 2017 zu sieben Jahre Haft auf Bewährung. Dem Opfer wird eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro zugesprochen. Laut Urteil habe der Angeklagte den Jungen vergewaltigt, indem er eine Fellatio seitens eines Minderjährigen bekommen habe. Er habe eine Person missbraucht, die nicht in der Lage war, ihr Einverständnis zu geben oder sich zu widersetzen.
Kassationshof
Die Verteidigung stellt einen Kassationsantrag. Der Kassationshof befasst sich nicht mit dem Fall an sich. Er prüft, ob das Recht korrekt angewandt und alle Prozeduren eingehalten wurden. Die Entscheidung fiel am Donnerstag.
(Der Beitrag wurde nachträglich ergänzt).
Kollateralschaden
Weil er dem beschuldigten Ex-Pfarrer von Belair vor Gericht seine vollste Unterstützung zugesagt hatte, musste der damalige stellvertretende Leiter des «Groupe de support psychologique», Léon Kraus, zurücktreten. Kraus gab an, diese Unterstützung im persönlichen Namen erteilt zu haben. Zuerst hatte Kraus sich geweigert, nach seiner Demission als Vizechef, auch den GSP zu verlassen, was zur Demission von GSP-Chef Charel Bruck und 14 weiteren Mitarbeitern geführt hatte. Kraus war einer der Mitbegründer des GSP. Seinen Rücktritt reichte er am 5. April 2017 ein.
Sehr gut Epikur, ich hoffe dass der Pfarrer seine Strafe annimmt und nicht bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zieht denn dann macht er sich ganz lächerlich. Dem Gaston Vogel geht es nicht um Recht aber nur um den anderen einen auszuwischen (die Eltern des Jungen sind Magistraten und Gaston Vogel hat es auf denen abgesehen). Sie sollen ihre persönlichen Streitereien nicht auf Lasten der Justiz austragen.
Religiöse Menschen haben alle ein Problem mit dem zivilen Rechtsstaat. Für sie gelten nur die vermeintlichen Regeln Gottes, also die Regeln ihrer Gemeinschaft. Dieses Gesetz wollen sie der Allgemeinheit aufzwingen. Es erlaubt zwar ebenfalls keinen Kindesmissbrauch, aber bei einer Verfehlung wollen Pfarrer, wenn überhaupt, nur nach kirchlichem Recht zur Rechenschaft gezogen werden. Ziviles Recht muss aber immer über religiösem Recht stehen und darf nicht von der Religion beeinflußt werden, sondern nur vom gesunden Menschenverstand.
"Vermeintlicher Missbrauch"
Man stellt sich doch die Frage ob ein Pfarrer,ein katholischer Pfarrer,also ein Anhänger des Zölibats,frei zu sprechen wäre von aller Schuld,wäre das "vermeintliche" Opfer nicht minderjährig gewesen. Sexuelle Aktivitäten sind diesen Leuten,de facto verboten. Sie sprechen sich das Recht zu,uns,dem einfachen Fußvolk,Moral und Sitte zu predigen und stolpern dann,oh Wunder,über ihre eigenen unmenschlichen Vorgaben. Dass der arme Emil ein Opfer seiner Zunft ist mag ich gerne akzeptieren,die Welt ist voll davon(siehe Bilanz),der Verein funktioniert so nicht,denn er hat sich gegen die Naturgesetze verschworen. Aber diese Gesetzeswäscherei,war das Opfer 14 oder 14,1 Jahre alt,ist reine Arithmetik,also Gesetz wie es im Buche steht. Ob das Opfer sich heute besser fühlte wenn es denn 14,1 Jahre alt gewesen wäre ist unwahrscheinlich und spielt eben auch keine Rolle.Prompt wurde das Mindestalter auf 16 Jahre heraufgehoben. Was soll uns das sagen? Wenn ein Pfarrer einen 16 Jährigen missbraucht ist die Welt in Ordnung. Er wird schlimmsten Falls vom Oberhirten Hollerich suspendiert. Das war's.
Schöne verlogene katholische Gemeinschaft. Betet dass es den Gott nicht gibt von dem ihr Vergebung erbittet und das jeden verdammten Tag,denn er wird euch in eurer Hölle braten.