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RadsportChristine Majerus: „Ich will meine letzten Jahre im Radsport genießen“

Radsport / Christine Majerus: „Ich will meine letzten Jahre im Radsport genießen“
Christine Majerus (Zweite von links) und ihr Team SD Worx gehen mit großen Erwartungen in die Straßensaison Foto: Team SD Worx

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Nach ihrem starken zehnten Platz bei der Cyclocross-Weltmeisterschaft Ende Januar in Ostende (B) steht für Christine Majerus die Straßensaison vor der Tür. Die sechsfache Sportlerin des Jahres fährt seit nunmehr acht Jahren für das Team Boels-Dolmans, das seit Anfang des Jahres SD Worx heißt. Das Tageblatt hat sich mit Christine Majerus über ihre Rolle im Team, ihre persönlichen Zielsetzungen, die neuen UCI-Bestimmungen und ihre letzten Jahre als Profi unterhalten.

Tageblatt: Sie haben im Winter wieder alles richtig gemacht und sind, als eine der wenigen Allrounderinnen, bei der WM erneut in die Top 10 fahren.

Christine Majerus: Mit meiner Leistung bei der WM kann ich wirklich zufrieden sein. Ich hatte nicht unbedingt eine Platzierung in den Top 10 erwartet, da das Fahren im Sand nicht zu meinen Spezialitäten zählt. Umso mehr freut es mich, im letzten Rennen mein bestes Saisonergebnis erreicht zu haben. Die Holländerin Lucinda Brand fuhr bis vor ein paar Jahren ebenfalls eine kurze Cross-Saison und war anschließend auf der Straße unterwegs. Vor zwei Jahren hat sie ihren Fokus aufs Crossfahren gerichtet und hat seitdem einen großen Leistungssprung gemacht. Jetzt wurde sie erstmals Weltmeisterin. Daneben ist nur noch ihre Landsfrau Marianne Vos, die in meinem Alter ist, in der gleichen Situation. In den letzten Jahren ist die Leistungsdichte im Cross größer geworden, sodass es immer schwieriger wird, die beiden Disziplinen zu kombinieren.

Mit SD Worx gibt es einen neuen Hauptsponsor. Hat sich nur der Name geändert?

Das ist schwierig einzuschätzen. Ein neuer Sponsor bringt sicherlich einen neuen Elan. Zudem ist es eine gute Gelegenheit, verschiedene Dinge zu ändern, obwohl es eigentlich nicht viel zu ändern gibt. Wir haben jetzt den Status einer WorldTour-Mannschaft. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren sind viele neue Fahrerinnen hinzugekommen. Es fühlt sich deswegen fast wie ein neues Team an, dies im positiven Sinn. Es kamen mehre junge Talente hinzu, die in den kommenden Jahren zu den Besten zählen werden. Die „Neuen“ werden sich bestimmt schnell integrieren, wir gehen mit großen Erwartungen in die Saison.

Sie sind wahrscheinlich die Erfahrenste im Team. Welche Rolle fällt Ihnen zu?

Ja, das stimmt, ich weiß, wie der Hase läuft. In den wichtigen Rennen verfüge ich über die nötige Erfahrung und ich bin auch jemand, der diese sehr gerne mit den anderen teilt. Auch wenn ich leistungsmäßig nicht unbedingt der Leader bin – wir haben Welt- und Europameisterinnen in der Mannschaft – denke ich, dass ich als „Capitaine de route“ eine wichtige Rolle einnehme. Diese Rolle gefällt mir und ich bin motiviert, mit dem Team das bestmögliche Resultat zu erreichen.

Was sind Ihre persönlichen Zielsetzungen?

Die Leistungen der Helferinnen spiegeln sich oftmals nicht in den Ergebnissen wider. Bei den Übertragungen der Damenrennen wird meistens nur die Schlussphase gezeigt. Natürlich möchte ich gern das eine oder andere gute Resultat erzielen, wozu ich immer noch imstande bin. Ich weiß aber auch, dass ich Teil der weltbesten Mannschaft bin, wo es nicht immer einfach ist, seine persönliche Karte zu spielen. Bedingung dafür, dass meine Teamkolleginnen mich unterstützen, ist es, eine gute Form an der Tag legen zu können.

Ist die „neue“ Mannschaft bereits „zusammengewachsen“?

Wir haben gerade unseren zweiten Lehrgang in Spanien absolviert. Wir hatten ein Haus gemietet und waren in unserer „Bubble“. Dies wirkt sich positiv auf den Teamgeist aus. Unser Sportlicher Leiter Danny Stam hat ein gutes Gefühl für die verschiedenen Charaktere im Mannschaftsgefüge. Es war immer unsere Stärke, nicht nur eine Gruppe guter Fahrerinnen zu sein, sondern auch als ein Team zu funktionieren, das in den Rennen intelligent zusammenfährt und den Zeitpunkt erkennt, wann es darauf ankommt. Ich bin guter Hoffnung, dass dies auch 2021 der Fall sein wird.

Mit welchen Rennen starten Sie in die Saison?

Ich hoffe, dass es in diesem Jahr, anders als 2020, wo nur die ganz schweren Rennen übrig geblieben sind, ein komplettes Rennprogramm geben wird. Auch diese Saison wird sicherlich von Corona beeinflusst werden. Es ist vorgesehen, dass ich zunächst beim Omloop Het Niewsblad dabei bin und anschließend „Le Samyn des Dames“ fahre. Danach stehen im Prinzip die Healthy Ageing Tour sowie die belgischen Klassiker auf dem Programm. Am 11. April hoffe ich, bei Paris-Roubaix, einem Rennen, das mir wirklich am Herzen liegt, dabei sein zu dürfen. Dort hoffe ich mich in einer guten Form präsentieren zu können, um mit dem notwendigen Quäntchen Glück das Rennen mitzugestalten. Paris-Roubaix beinhaltet alles, was mir am Radfahren Spaß bereitet. Es ist eine „course de guerrières“.

Beim Grand Prix Elsy Jacobs sind Sie natürlich auch dabei …

Ich hoffe, dass das Rennen dieses Jahr stattfinden kann. In Luxemburg will ich mich von meiner besten Seite zeigen. Ein weiteres Rennen, das mir entgegenkommt, ist die England-Rundfahrt. Ich befürchte allerdings, dass diese wegen der Corona-Krise und dem Brexit abgesagt wird. Sollte dies der Fall sein, will ich bei der Thüringen-Rundfahrt gut abschneiden. Es ist wichtig, dass nicht nur die ganz großen Rennen stattfinden. Die Pyramide im Radsport baut auf den kleineren Rennen auf, die es dem Nachwuchs ermöglichen, Erfahrungen zu sammeln. Fallen diese während längerer Zeit aus, ist es in zwei bis drei Jahren schlecht um die Nachfolge bestellt. Dieser Gefahr sind derzeit sämtliche Sportarten ausgesetzt.

Wie sieht es mit Olympia aus?

Luxemburg hat jeweils einen Startplatz im Zeitfahren und im Straßenrennen. Die Strecke ist vom Profil her gesehen recht anspruchsvoll. Mein heimliches Ziel ist es dennoch, das Ergebnis von Rio 2016, wo ich 18. wurde, zu verbessern und in die Top 15 reinzufahren. Zum gegebenen Zeitpunkt muss ich abschätzen, ob ich den Fokus, trotz der schweren Strecke, voll und ganz auf Tokio richten werde. Neben der schwierigen Situation aufgrund der sanitären Lage will ich mich wegen Olympia nicht noch mehr unter Druck setzen und dabei den Spaß an der Sache verlieren. Ich will meine letzten Jahre im Radsport genießen.

Was halten Sie von den neuen UCI-Sicherheitsbestimmungen?

In dem neuen Reglement gibt es eine ganze Reihe von positiven Bestimmungen. Ich finde das Verbot der Abfahrtsposition auf dem Oberrohr allerdings ziemlich lächerlich. Einem Profi braucht man nicht zu sagen, wie er sein Arbeitsgerät benutzen soll. Im Hochleistungssport werden halt die Grenzen ausgelotet. Die Position auf dem Rad und die Verbesserung der Aerodynamik gehören ganz sicher dazu, wenn es darum geht, die letzten Prozente aus der Kombination Fahrer-Rad herauszukitzeln. Das Argument der Vorbildfunktion greift ebenfalls nicht, ansonsten müsste man den Formel-1-Fahrern auch verbieten, mit 300 km/h durch die Kurven zu fahren. Als Sportlerin hatte ich kein Mitbestimmungsrecht, was diese Entscheidungen anbelangt, im Gegensatz zu den Männern, wo Matteo Trentin und Philippe Gilbert im Gremium mitdiskutiert haben.

Am kommenden Donnerstag feiern Sie Ihren 34. Geburtstag. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wann Sie einen Schlussstrich unter Ihre Karriere ziehen wollen?

Da ich nicht unbedingt in einer olympischen Saison aufhören wollte, habe ich für zwei Jahre unterschrieben. Ich fühle mich weiterhin auf der Höhe, um mit den Besten mitzufahren. Zudem macht das Radfahren mir immer noch Spaß. Bei meinen physischen Mitteln und meinem Talent glaube ich, bislang das Maximum herausgeholt zu haben. Das soll auch noch einige Zeit so bleiben. Das Karriereende werde ich nicht langfristig planen. Mein Instinkt wird mir sagen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, aufzuhören.

Das provisorische Auftaktprogramm von SD Works

27.2. Omloop Het Nieuwsblad (B/1.Pro)
2.3. Le Samyn des Dames (B/1.1)
6.3. Strade Bianche (I/1.WWT)
9-12.3. Healthy Ageing Tour (NL/2.1)
14.3. Grand Prix Oetingen (B/1.2)
17.3. Danilith Nokere Koerse (B/1.Pro)
25.3. Oxyclean Classic Brugge-De Panne (B/1.WWT)
28.3. Gent-Wevelgem In Flanders Fields (B/1.WWT)
4.4. Ronde van Vlaanderen – Flandern-Rundfahrt (B/1.WWT)
11.4. Paris-Roubaix (F/1.WWT)
21.4. Flèche Wallonne (B/1.WWT)
25.4. Liège-Bastogne-Liège (B/1.WWT)

Christine Majerus (links) mit ihrer Mannschaft SD Worx
Christine Majerus (links) mit ihrer Mannschaft SD Worx Foto: Team SD Worx