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„Bio ist nicht zu teuer“: Nachhaltigkeitsexperte Tobias Bandel bei „Oikopolis im Dialog“

„Bio ist nicht zu teuer“: Nachhaltigkeitsexperte Tobias Bandel bei „Oikopolis im Dialog“

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Auf der Bohne darf kein Kratzer sein, sie soll aus biologischem Anbau stammen und nicht durch Kinderarbeit gedeihen. „Wunschlisten“ wie diese kennt der Agrarwissenschaftler Tobias Bandel (40). Eines haben sie alle gemeinsam: Billig soll es sein. Unter dem Titel „Billige Lebensmittel können wir uns nicht mehr leisten“ ist er auf Vortragsreise und hat auch einen Stopp in Luxemburg eingelegt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Wiebke Trapp.

Der gebürtige Stuttgarter Tobias Bandel hat über den Zivildienst die „Sekem-Holding“ in Ägypten kennengelernt. Gründer Ibrahim Abouleish baute 1977 die Biofarm auf einem Grundstück in der Wüste auf. Heute gehören neben dem Obst- und Gemüseanbau ein Textilunternehmen mit Produkten aus organischer Baumwolle, ein Hersteller für naturheilkundliche Medikamente und Bildungseinrichtungen zur „Holding“. 2003 gab es dafür den alternativen Nobelpreis. Bandel kehrte nach Deutschland zurück und studierte Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Bodenkunde. Danach reiste er erneut nach Ägypten und arbeitete weitere fünf Jahre auf der Farm, „überwiegend in Gummistiefeln auf dem Feld“, wie er sagt. Vor zwölf Jahren hat er die Beratungsgesellschaft „Soil & More“ gegründet. Sein Grundsatz: „Wenn Ökolandbau der richtige Weg ist, dann muss es auch rechnerisch darstellbar sein, sonst ist Nachhaltigkeit nur heiße Luft.“

Tageblatt: Fliegen Sie eigentlich nach Hause zurück? Nee, oder?

Tobias Bandel: Ich fliege tatsächlich zurück, aber von hier bis Tokio bin ich klimaneutral. Durch meine Arbeit binde ich jährlich netto so 150.000 bis 200.000 Tonnen CO2 über Projekte, die meine Mitarbeiter und ich auf die Beine stellen – und wir stoßen aber nur 1.000 Tonnen aus. Wir haben das durchgerechnet.

Die meisten sagen, Bio sei zu teuer. Sie sagen hierzu „Nein“. Warum?

Bio ist nicht zu teuer. Wenn ich mich biologisch ernähre, hat das weniger Folgeschäden, als wenn ich andere Lebensmittel esse. Eine Studie mehrerer auf Nachhaltigkeit spezialisierter Firmen zusammen mit Ernst&Young hat 2017 herausgearbeitet, dass Äpfel in puncto Gesundheit eher schädlich sind. Sie enthalten häufig viele Pestizidrückstände, weil sie noch fünf bis sieben Tage vor der Ernte gespritzt werden dürfen. Die EU erlaubt das.

Ihre These, wir können uns „billige“ Lebensmittel nicht mehr leisten, ist ziemlich provokativ …

Die Franzosen haben in einer Studie im Jahr 2011 ausgerechnet, dass Lebensmittel damals schon doppelt so teuer waren, wie sie im Laden gekostet haben. Dort waren zu dem Zeitpunkt die Kosten für die Kläranlagen, um das durch die Landwirtschaft verschmutzte Wasser zu reinigen und aufzubereiten, genauso hoch wie der landesweite Umsatz mit Lebensmitteln. Kläranlagen werden über Steuermittel finanziert. Das heißt, der Franzose zahlt einen Euro im Supermarkt und einen Euro an Steuern, um das Wasser zu reinigen, das zur Herstellung seines gerade gekauften Lebensmittels verschmutzt wurde.

Warum werden in Bayern keine Karotten mehr angebaut?

Weil sich das Klima ändert. Es ist zur falschen Zeit zu heiß und es regnet auch zur falschen Zeit. Die bayrischen Gemüsebauern müssten für viel Geld Bewässerungsanlagen errichten oder sie bauen keine Karotten mehr an. Der Zug ist weg. Die Pfalz ist der nächste Kandidat.

Das System wird stressfähiger durch Ökolandbau, sagen Sie. Inwiefern?

Insofern, als im Zentrum des Ökolandbaus die Bodenpflege steht. Humusbildung gehört zu den Basics. Humus ist wie ein Schwamm und speichert z.B. Feuchtigkeit, was dem Landwirt in Trockenzeiten Wasser liefert, sodass dieser weiter anbauen kann.

Trockenheit ist nicht mehr nur in Ländern wie Sudan oder Eritrea ein Thema. Sie sagen, das Problem steht auch vor unserer Haustür. Was heißt das?

Durch die zunehmenden Trockenperioden wird sich die Landwirtschaft verändern. Standorte werden nicht mehr produzieren können, Landwirte werden ihre Existenzen verlieren. Produkte, die wir bisher angebaut haben, können wir nicht mehr anbauen. Oder wir stellen auf eine Art der Landwirtschaft um, die stressfähiger ist. Sonst ist sie nicht auf die Folgen des sich ändernden Klimas vorbereitet.

Kleinbauern trifft das besonders. Sie stellen aber weltweit 60 Prozent der landwirtschaftlich hergestellten Lebensmittel her …

Kleinbauern trifft das besonders, weil sie sich nicht mal eben so einen Brunnen bauen oder eine Bewässerungsanlage hinstellen können. Dazu fehlen die finanziellen Mittel und sie haben nicht den Zugang zu Krediten wie Großbetriebe. Ein Jahr Trockenheit überstehen sie noch, beim zweiten ist der Betrieb kaputt.

Trotzdem werden Ökolandwirte bislang „bestraft“, sagen Sie. Wieso?

Ökolandwirte bauen nicht nur Kartoffeln und Karotten an, sondern verbessern auch den Boden, sie binden CO2 und verschmutzen das Wasser nicht. Das sind Dienstleistungen am Ökosystem für die Allgemeinheit. Bezahlt werden die Ökolandwirte aber nur für das Gemüse.

Jetzt erzwingt der Finanzmarkt die Ökologisierung der Landwirtschaft. Wie ist das zu erklären?

Die Finanzbranche hat erkannt, dass die Landwirtschaft durch den Klimawandel enormen ökonomischen Risiken ausgesetzt ist. Sie haben zudem festgestellt, dass die ökologische Landwirtschaft ein besseres Potenzial hat, mit diesen Risiken umzugehen.

Eine große deutsche Versicherungsgesellschaft will ja Betriebe des Lebensmittelhandels nicht mehr versichern …

Sie sagen, „wenn du als Händler bei Produzenten einkaufst, die mit diesen Risiken nicht ordentlich umgehen, dann können wir dich nicht mehr gegen Lieferausfall versichern“. Dabei geht es um die Preise im Einkauf. So billig wie möglich muss es sein. Die Händler aber kennen das Risiko. Das ist, wie wenn ich weiß, es wird hageln, und trotzdem lasse ich mein Auto draußen stehen, obwohl ich eine Garage habe.

Auch die „Big Four“ ändern gerade die Kriterien, wie sie Betriebe bewerten. Warum so plötzlich?

So plötzlich ist das nicht. Seit 2014 arbeiten die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Deloitte, Ernst&Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers) an Ansätzen, um ihre Bilanzierung von Unternehmen zu überarbeiten. Sie merken, dass sie bei der bestehenden Art der Bewertung die Naturkapitalrisiken nicht berücksichtigt haben. Deren Ignoranz führt zu einer falschen Betriebsbewertung, die letztendlich Investoren falsch informiert. Um etwaigen Gerichtsprozessen vorzubeugen, überarbeiten sie jetzt ihre Maßstäbe. Das gilt übrigens nicht nur für die Landwirtschaft und den Lebensmittelhandel.

Sie prophezeien auch, dass sich das Lebensmittelangebot ändern wird. Ein Beispiel?

Das, was in der Fischtheke liegt, wird bald anders aussehen. Süßwasserfische suchen infolge kleinster Temperaturschwankungen des Wassers höhere Lagen auf. Die Flüsse werden normalerweise flussaufwärts schmaler, da kommt man mit großen Booten nicht hin. Und auch Lkws erreichen bergige Lagen nicht so gut. Kühllager müssen neu gebaut werden usw. Die Verfügbarkeit von pflanzlichen und tierischen Rohstoffen wird sich ändern.

Ist oder war uns unser Essen nicht genug wert?

Definitiv nicht, denn wir schmeißen ja die Hälfte weg. Das würde man mit dem iPhone nicht machen.

In 10 bis 15 Jahren werden unsere Lebensmittel deutlich teurer. Woher kommt die Zeitspanne und wie teuer wird es denn?

Die Zeitspanne ist eine Prognose des Finanz- und Kapitalmarkts sowie der Berichte, die die UNO in Auftrag gibt. Wir haben zurzeit einen nie dagewesenen Druck, zu handeln. Zunehmende Weltbevölkerung, Klimawandel und Konzentration auf urbane Zentren kommen zusammen. 2025-2035 ist in den Berichten als Knackpunkt der Menschheitsgeschichte identifiziert. Dann kommen Extreme auf uns zu – Lebensmittel werden knapp und der Zugang zu Trinkwasser wird nicht mehr selbstverständlich sein. Die Lebensmittel, die dann da sind, werden teurer. Wir sprechen von einer Verdreifachung der Preise.

Trotzdem wollen Sie die Kategorien „gut“ und „böse“ in Bezug auf die Landwirtschaft nicht gelten lassen. Welche denn?

Dogmen wie „die einen machen es richtig, die anderen machen es falsch“ sind nicht zielführend. Landwirtschaft ist eigentlich Agrikultur und ein gesellschaftliches Thema – nicht nur ein wirtschaftliches oder ökologisches. Es geht nicht um „Bio“ oder konventionell, sondern darum, was für den jeweiligen Standort das Sinnvollste ist.


Finanzkonzerne appellieren

Vor dem zwischen dem 21. und 23. September stattfindenden Klimagipfel haben 515 Finanzkonzerne einen Appell lanciert. Das berichtete Spiegel Online am vergangenen Donnerstag. Ihnen geht selbst die Umsetzung des Pariser Weltklimavertrags von 2015 nicht weit genug, um „den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten“. Das zitiert Spiegel Online aus dem Brief. Selbst wenn alle Staaten ihre in Paris gemachten Zusagen einhielten, würde dies „zu einem inakzeptabel hohen Temperaturanstieg führen, der substanzielle negative wirtschaftliche Folgen hätte“. Zu den Unterzeichnern gehören der Allianz-Konzern, die Vermögensverwaltungshäuser der Deutschen Bank, der deutschen Volksbanken sowie die Vermögensverwaltungen von Großbanken wie BNP Paribas und UBS.

Nadine
26. September 2019 - 21.24

Da kein Pestizid und Herbizid verwendet wir, steckt eben mehr Arbeit dahinter....wenn man kein Glyphosat spritzt muss man per Hand ein ganzes Feld Unkraut jäten und Arbeitskräfte sind auch nicht billig. Wenn Sie einen Garten haben wissen Sie bestimmt, dass der sich nicht von alleine macht ;).

Viele Leute sagen: Bio ist mir zu teuer! Da wundere ich mich, dass die gleichen Leute dann aber in Ferien fahren. Was ist denn wichtiger im Leben: Gesundes Essen oder 14 Tage Mallorca? Die Prioritäten werden heuet falsch gesetzt. Wir müssen Lebensmittel wieder mehr wertschätzen!

Nicht alle Menschen können sich Bio leisten, aber viele könnten es, wenn sie an anderer Stell sparen würden...

Gratis Bio gibt's übrigens im hauseigenen Garten! :D

luss
26. September 2019 - 17.53

Ueber Autos ,Mobiltelefone wird sich nicht so geaergert wenn sie teurer werden wie wenn das Brot oder andere Lebensmittel .teurer werden. Lebensmittel haben im Bewusstsein vieler Konsumenten keine Wertigkeit mehr .

Laird Glenmore
26. September 2019 - 10.44

Ja, aber leider hat Emin mit seinem Bio Stand auf dem Escher Markt geschlossen und er war weiß Gott nicht so teuer, wenn man das mit den Preisen in anderen Geschäften vergleicht.

Realist
25. September 2019 - 18.50

Gibt es eigentlich irgendeine ernst zu nehmende wissenschaftliche Studie, die beweist, dass "Bio"-Gemüse und Obst qualitativ besser wären als Produkte aus "normaler" Landwirtschaft?

Christophe
25. September 2019 - 18.34

nein, zur Notwendigkeit!

Garde-fou
25. September 2019 - 15.24

Dat mach sinn. Den "Bio-Label" ass méi deier, mais et sollt een awer och unfenken et esou ze kucken dass (gut) Iessen einfach deier ass. Duerfir sollt een dann einfach manner konsuméieren. Dëst ass souwisou déi eenzegt an richteg Richtung, statt dass op all Käschten hin probéiert gëtt dass jidfereen kann genau esou weider fueren an konsuméieren, mais just elo alles "gréng" an "bio", fir dass d'Gewëssen berouegt ass...
An soulang gemengt gëtt een Kilo Gehacktes fir 0,99€ mussen kënnen ze kréien, esou lang sinn mir nach weit vunn enger reeller Aennerung eweg. Den Schlëssel heescht "Manner" an "Anescht" konsuméieren. Alles anescht ass Gepléischters.

rfrank
25. September 2019 - 14.54

ech denken dass op der aerd net esouvill bio kann wuessen ewei es verkaaft get, bio an engem supermarche kaafen ass fir mech geldmacherei. bio kaafen ech baeim produzent direkt an net daat waat ass den laenner op letzebuerg geflunn get. bio ass och saisonsbedengt am wanter gin et nun mol keng aerdbieren, spargelen, a.s.w

Laird Glenmore
25. September 2019 - 14.28

Ja aber warum das verstehe ich nicht, denn wenn keine Dünger oder Pestizide benutzt werden ist doch die Produktion billiger warum wird es dann teuer verkauft, nur um mit dem Öko und Biowahn den Gesundheitsorientierten Verbrauchern das Geld mit überhöhten Preisen aus der Tasche zu ziehen und wenn man dann sieht wie einfach das ist wird wieder geschummelt um noch mehr zu verdienen.

Jang
25. September 2019 - 13.28

Leider ist Bio noch zu teuer für die manchmal
minderwertige und geschwindelte Qualität.

jeff
25. September 2019 - 11.52

Leider sin Bio-Produkter net fir Jiddereen erschwenglech.

Garde-fou
25. September 2019 - 10.29

An trotzdem ass et nach net bei all Mënsch ukomm...leider...

Laird Glenmore
25. September 2019 - 10.17

Es wird vieles als Biologisch angeboten was überhaupt nicht Bio ist, einige Produzenten sind nur auf einen fahrenden Zug auf gesprungen weil sie gemerkt haben das man mit dem Zusatz Bio schnell viel Geld verdienen kann und das unter vortäuschen falscher Tatsachen, es ist traurig das man Fleisch - und Gemüseproduzenten nicht mehr glauben kann nur weil sie einen schnellen €uro verdienen wollen auf Kosten der Verbraucher.
Ich bin zwar kein Kontrollfreak aber bei dem was wir so täglich konsumieren sollte man schon bessere überprüfen was wir uns jeden Tag einverleiben, denn schließlich geht es um unsere Gesundheit und nicht um den Geldbeutel der Produzenten, da sollten auch bei Mißbrauch die Strafen härter sein.

jeff
25. September 2019 - 9.11

nachhaltigkeit wird so langsam zur Religion!!!!!!!!!!!!