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Parlament „Bei dieser Mehrheit kommt ein Impfzwang niemals infrage“

Parlament  / „Bei dieser Mehrheit kommt ein Impfzwang niemals infrage“
Premierminister Xavier Bettel bei einer Rede vor der Chamber im Januar Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Regierung wird derzeit keine Impfpflicht einführen. Gesetzestexte sollen dennoch vorbereitet werden, damit sie notfalls schnell im Parlament eingereicht und verabschiedet werden können. Das hat Premierminister Xavier Bettel am Mittwoch im Parlament erklärt.

Die Regierung hatte bereits nach einem ersten Expertengutachten zwei Gesetzentwürfe ausarbeiten lassen: eine Impfpflicht für über 50-Jährige sowie eine sektorielle Impfpflicht. In der Zwischenzeit würden etliche neue Erkenntnisse vorliegen, so Premierminister Xavier Bettel (DP). Das zweite Gutachten sei weitaus nuancierter. Den derzeitigen Verzicht auf eine Impfpflicht erklärte der Regierungschef u.a. damit, dass die Omikron-Variante wohl ansteckender sei – die aktuellen Zahlen seien mit 1.200 Infektionen zum gestrigen Tag sehr hoch –, doch sei der Krankheitsverlauf weniger gefährlich. Am Dienstag zählte man 29 Hospitalisierungen, aber keinen Patienten auf der Intensivstation. Des Weiteren bestünden heute bessere Behandlungsmethoden, die das Risiko eines schlimmen Verlaufs auch bei vulnerablen Personen reduzieren. Außerdem würden die Experten nur in einem Worst-Case-Szenario zu einer Impfpflicht raten.

Bei einer Impfpflicht werde eine Impfrate von 100 Prozent angestrebt. Die würde man jedoch nicht erreichen, so Bettel weiter. „Wir bekommen keine 100 Prozent geimpft.“ Auch im Ausland sei die Auswirkung einer Impfpflicht klein gewesen. Eine Impfquote von 100 Prozent als Ziel, käme einem Impfzwang gleich. Bei dieser Mehrheit werde es jedoch niemals einen Impfzwang geben.

Bettel hoffte auf einen Konsens in der Frage. Eine Entscheidung „31 zu 29“ – das aktuelle Kräfteverhältnis im Parlament – wäre politisch ein Fehler. Eine Impfpflicht wäre nur umsetzbar, wenn sie von einer breiten Mehrheit mitgetragen würde, so Bettel. Die Parlamentsfraktionen sollen sich am Donnerstag zur Frage äußern.

Was noch beschlossen wurde

Des Weiteren verabschiedete das Parlament ein Gesetz zum Radio 100,7. Es definiert den Aufgabenbereich, die Organisation und die Finanzierung des Senders. Berichterstatter war Pim Knaff (DP). Der Schwerpunkt des Rund-um-die-Uhr-Dienstes liegt bei Information, Kultur und Unterhaltung. Wichtiger Punkt: Der Sender soll neutral und unabhängig arbeiten. Die Redaktion soll zusammen mit der Direktion festlegen, wie sie ihre Unabhängigkeit wahren kann.

Präzisiert werden Rechte und Pflichten des Generaldirektors gegenüber dem Verwaltungsrat. Finanziert wird die Rundfunkanstalt über staatliche Zuwendungen, deren Höhe in einer getrennten Konvention festgelegt wird. Bisher ernannte die Regierung die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder. Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Drei Mitglieder werden von der Regierung genannt, sechs sollen aus der Zivilgesellschaft stammen. Ein von der Regierung eingesetzter Kommissar sitzt im Verwaltungsrat und kann bei finanziellen Entscheidungen mitreden. Werbung ist weiterhin nicht vorgesehen, aber einzelne Sendungen können unter der Schirmherrschaft von nichtstaatlichen Organisationen stehen. Ausgeschlossen davon sind jedoch Kindersendungen.

Vorgesehen ist die Schaffung eines Zuhörerrats, der mindestens zweimal im Jahr zusammenkommen soll, um über das Programm und über eventuell neue Projekte zu reden. Unklar sei, wer diesem Zuhörerrat angehören soll, bemängelte die CSV-Abgeordnete Diane Adehm. Laut Francine Closener (LSAP) sei es wichtig, die Unabhängigkeit der Redaktion zu wahren, sowohl gegenüber großen ökonomischen Akteuren als auch gegenüber der Politik. Unzufrieden zeigte sich allein ADR-Sprecher Fernand Kartheiser. Von politischer Neutralität bei 100,7 sei keine Spur, so sein Vorwurf.

Bisher wurde die Existenz des Radios mit dem Gesetz von 1991 über elektronische Medien geregelt. Der neue Text ist auch eine Folge von Meinungsverschiedenheiten in der Vergangenheit zwischen Redaktion und Direktion. Die Redaktion hatte sich über Einmischungsversuche in ihre Arbeit beschwert. Das Gesetz wurde mit 55 Jastimmen bei vier Enthaltungen angenommen.

Mit einem weiteren Projekt wurde das Wahlgesetz für die Kommunalwahlen geändert. So wird die Residenzklausel von fünf Jahren bei Nichtluxemburgern aufgehoben. Das Einschreiben in die Wählerlisten wird vereinfacht, indem u.a. die Einschreibefrist verlängert wird. Das Gesetz wurde mit großer Mehrheit angenommen.