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Ärzte kritisieren Ärzte: Wenn der Kontrolldoktor ruft

Ärzte kritisieren Ärzte: Wenn der Kontrolldoktor ruft

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Manchmal erinnert die Zunft an eine verschworene Gemeinschaft. Wenn Ärzte andere Ärzte kritisieren, lässt das demnach aufhorchen. Das passierte vor wenigen Wochen, als sich die Ärztevereinigung AMMD-L an den Kollegen des medizinischen Kontrolldienstes rieb.

Der medizinische Kontrolldienst hat scheinbar einen schlechten Ruf. Diesen Eindruck hinterließen rezente Pressekonferenzen der Ärzte- und Zahnärztevereinigung AMMD-L. Die Vorwürfe wiegen schwer. Der Kontrolldienst würde immer häufiger nach ökonomischen Kriterien entscheiden, Behandlungsmethoden immer häufiger zurückweisen, weil sie nicht im Leistungskatalog stünden und das Ausweichen auf Analogika nicht mehr geduldet würde. Wenige Wochen später legte die Ärztegewerkschaft nach. Anhand einer Umfrage hatte sie sich bestätigen lassen, dass zwischen den Ärzten draußen und den kontrollierenden Kollegen «drinnen» etwas nicht stimmt. Vier von zehn an der Umfrage teilnehmenden Ärzten zeigten sich unzufrieden mit der Arbeit des Kontrolldienstes.

Die Rolle des «Contrôle médical de la sécurité sociale» (CMSS), die ihnen oftmals zugeschrieben wird, spielen sie nicht, heißt es bei der Verwaltung selbst. Der Kontrolldienst werde nur auf Anfrage der drei Einrichtungen der sozialen Sicherheit aktiv, präzisiert Dr. Gérard Holbach. Das sind neben der Gesundheitskasse (CNS) die Unfallversicherung und die Pensionskasse. «Man wirft uns immer mit der CNS in einen Topf. Die wenigsten wissen, dass der CMSS nichts mit der CNS zu tun hat», sagt Holbach.

Juristische Schritte gegen Ärzte

Falsch ist demnach auch die Aussage im Editorial der rezenten AMMD-internen Publikation «Le corps médical», wonach der Kontrolldienst damit begonnen habe, juristische Schritte gegen zahlreiche Arztkollegen wegen Betrugs einzuleiten. Den Ärzten werde vorgeworfen, Behandlungen zu verschreiben, die nicht im Leistungsverzeichnis vorgesehen seien. Dabei ist die CMSS laut Statuten des Sozialgesetzbuches nicht zu derlei juristischen Schritten berechtigt. Laut Artikel 419 Absatz 3 desselben unterstützt die CMSS lediglich die Gesundheitskasse bei der Kontrolle von Honorarrechnungen und den Konsum medizinischer Leistungen durch den Versicherten, um möglichen Missbrauch und Betrug festzustellen.
Trotzdem kontrollieren der CMSS und seine 30 Ärzte. Zum Beispiel jeden Patienten, der 40 Tage lang krankgeschrieben ist. Vor wenigen Jahren noch musste der Kranke erst im neunten Monat Krankenstand vorstellig werden. Heute wird er automatisch in den Kontrolldienst in die Escher Straße gerufen, wenn die 40-Tage-Frist erreicht ist. Dass der Patient in das Gebäude der Sozialversicherung muss, trägt vielleicht zu Missverständnissen bezüglich der CNS und des CMSS bei. Aber Letzterer ist nur Mieter.

In den Räumen an der Escher Straße in Luxemburg wird der Krankgeschriebene untersucht. Gegebenenfalls wird er beraten, wie er sich weiter verhalten soll. Sollte er nicht besser zum Arbeitsmediziner, wenn etwas am Arbeitsplatz nicht stimmt? Oder soll er sich reklassieren lassen, die Invalidenrente beantragen? Es passiert auch schon mal, dass der Krankenschein annulliert wird. Und welcher Arzt mag es schon, wenn seine Entscheidung beanstandet wird?

Dr. Holbach betont immer wieder den kleinen, aber wichtigen Unterschied: Seine Mitarbeiter werden nur aktiv, wenn Sozialversicherungsdienste das wünschen, wenn die CNS etwa um ein medizinisches Gutachten zur Kostenübernahme von Arzneimitteln oder von Auslandsbehandlungen bittet. «An der CNS, diesem Gutachten Folge zu leisten oder nicht», so Holbach. Die Frage, ob der Kontrolldienst nicht doch Wachhund der CNS sei, schließlich unterstehe die Verwaltung dem Sozialminister, also einem politischen Amtsträger, weist Holbach entschieden zurück. Ja, man habe einen «Ministre de tutelle». Er sei für Organisation und Struktur verantwortlich, mische sich aber nicht in medizinische Fragen ein. Holbach vergleicht ihn mit einem Gerichtspräsidenten. Der sei wohl der Chef, rede jedoch nicht in laufende Verfahren rein. Ihm habe bisher noch niemand gesagt, man müsse die Kosten eindämmen.

Längst nicht immer das Billigste

Ausschlaggebend sind die medizinischen Aspekte, sagt Holbach. Ökonomische Fragen spielten nur eine nachgeordnete Rolle. Die Behandlung müsse erstens dem gesundheitlichen Zustand des Patienten anpasst sein, zweitens dem aktuellen Wissensstand entsprechen, drittens mit der ärztlichen Deontologie vereinbar sein, viertens das «Nützliche und Notwendige» nicht überschreiten und schließlich müssten die Kosten der Wirksamkeit der Behandlung entsprechen.

«Wenn ich drei Therapien zur Verfügung habe, die für den Patienten von gleichem Nutzen sind und dieselben Nebenwirkungen haben, dann nehme ich die preisgünstigste. Hat das teuerste Medikament den gleichen Nutzen wie die zwei anderen, aber die geringeren Nebenwirkungen, dann nehme ich das», fasst Holbach die fünf Prinzipien zusammen.
Die Vorwürfe der AMMD kann man beim CMSS nicht so richtig nachvollziehen. «Jene Ärzte, mit denen ich zu tun habe, bedanken sich für die gute Zusammenarbeit.» Sollte es Probleme mit Behandlungsarten oder Arzneimitteln geben, die nicht im Leistungskatalog vorgesehen sind, könne man sich jederzeit an ihn wenden, betont Holbach.

«Wir können aber beim CMSS nur das begutachten, was uns unterbreitet wird.»
Einen Seitenhieb auf die AMMD-L kann er sich dennoch nicht verkneifen, wenn der Leistungskatalog der Sozialversicherung zur Sprache kommt. Das Verzeichnis erfasst die Höhe der Rückerstattung medizinischer Behandlungen und Arzneien. Es wird nicht nur von der Ärztegewerkschaft als hoffnungslos veraltet bezeichnet. Auch die AMMD-L sei Mitglied der entsprechenden Kommission, seit 1992. Ihr Vorschlagsrecht habe sie aber bisher nicht genutzt, gibt Holbach indirekt zu verstehen. Ähnlich hatten sich vor Kurzem auch CMCM-Generaldirektor Fabio Secci und der Präsident der «Patientevertriedung», René Pizzaferri, geäußert.

Nun hat die AMMD-L anlässlich ihrer letzten Generalversammlung sogar beschlossen, ihre Mitgliedschaft in der Nomenklaturkomission auf Eis zu legen. Ob Nicht- oder unzureichende Kommunikation der richtige Weg zur Problemlösung ist, insbesondere im sensiblen Gesundheitsbereich, darf man bezweifeln. Und vielleicht ließen sich die Spannungen zwischen AMMD und CMSS auch durch häufigere Telefonate lösen.

Poncho
17. Juli 2018 - 11.50

Besonders bei psychischen Krankheiten wie Depressionen, bipolärer Störung etc. oder durch Stress am Arbeitsplatz verursachten Burnout haben sie besonders viel zu bieten. Ich ware letzte Woche da. Leider kein Tipp wie ich wieder gesund werden könnte und zurück zu Arbeit kommen kann. Stattdessen unfreundliche Wachleute, keine Psychotherapie, eigentlich Hausarrest und Verbot des Land zu verlassen. Das bedeutet für viele Residenten die vom Ausland kommen - alleine zu Hause liegen und an der Decke starren. Nicht jeder kann sich private Psychotherapie leisten oder jemandem aus Familie für Hilfe nach Luxembourg bringen. Der Arzt meinte, dass ein "Tapetenwechsel" das Beste sei und die Wirkung der Medikamente beschleunigen könnte - dazu sagte er, dass er weiss, dass es ist unmöglich sei. Nach den heutigen Vorschriften der CNS bleibt vielen Leuten, die an psychischen Beschwerden leiden, nichts anderes als einsame Qual in den eigenen vier Wänden.