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Staatsfinanzen2022 war kein gutes Jahr für die Luxemburger Rentenreserve

Staatsfinanzen / 2022 war kein gutes Jahr für die Luxemburger Rentenreserve
Trotz des rekordhohen Wertverlusts im Jahr 2022: Seit seiner Gründung hat der Fonds im Schnitt um vier Prozent pro Jahr an Wert zugelegt Foto: AFP/Miguel Medina

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Die Luxemburger Rentenreserve ist im vergangenen Jahr deutlich geschrumpft. Einen derart heftigen Wertverlust hat es seit der Gründung des „Fonds de compensation“ noch nicht gegeben. Hintergrund ist eine schlechte Entwicklung der an den Märkten angelegten Gelder.

„Nach einem ,verrückten Jahr 2021‘, so wird auch das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 nicht so schnell in Vergessenheit geraten“, steht im Vorwort des Jahresberichts des „Fonds de compensation“ (FDC) zu lesen. Es geht um das finanzielle Ergebnis des Fonds, der den Großteil der Gelder der Luxemburger Rentenreserve verwaltet.

Erst wurde im Laufe des Jahres 2021 ein derart gutes Resultat erwirtschaftet, dass es scheinbar selbst der eigenen Mannschaft unheimlich zu sein schien. Im Jahr 2022 dann das Gegenteil: „Die globalen Finanzmärkte litten unter den geopolitischen Unsicherheiten sowie unter den Leitzinserhöhungen, die von der überwiegenden Mehrheit der Zentralbanken zur Bekämpfung der Inflation beschlossen wurden“, so Verwaltungsratspräsident Alain Reuter.

Überraschend kam das Ergebnis nicht: Bereits im Jahresbericht 2021 versuchte Reuter die Erwartungen zu dämpfen. Es sei zu beachten, dass sich die Finanzmärkte seit Anfang des Jahres 2022 negativ entwickelt hätten, warnte er. Da die internationale geopolitische Lage sehr angespannt sei, und die Inflation höher als erwartet, seien die Finanzmärkte unter Druck.

3,15 Milliarden Euro Wertverlust

Die Höhe der Wertminderungen dürfte die meisten Beobachter trotzdem überrascht haben. Um satte 3,15 Milliarden Euro ist der Wert der Anlagen des Fonds letztes Jahr geschrumpft. Das ist ein Minus von 11,93 Prozent. Der Fonds hat nunmehr nur noch ein Gewicht von 23,5 Milliarden Euro. Ein Jahr vorher waren es noch 26,1 Milliarden.

Insgesamt ist 2022 nun erst das zweite Jahr überhaupt in der Geschichte des FDC, in dem ein negatives Ergebnis erwirtschaftet wurde. „Neutralisiert wurden die Gewinne des Vorjahres“, ist in der Pressemeldung zu 2022 zu lesen. Seit seiner Gründung hat der Fonds im Schnitt um vier Prozent pro Jahr an Wert zugelegt.

Die Entwicklung des Fonds ist beeindruckend. 2005 verwaltete er ein Geldvolumen von 4,8 Milliarden Euro. Bereits fünf Jahre später war die Summe auf fast zehn Milliarden Euro gestiegen. Wieder fünf Jahre später waren es bereits 15,8 Milliarden Euro. Im Jahr 2019 hatte der Rentenfonds, mit einer Zuwachsrate von 14,24 Prozent, sein historisch bestes Ergebnis erreicht. 2022 nun sein schlechtestes.

Fast jedes Jahr mit Gewinn abgeschlossen

Das erste Mal, dass ein negatives Ergebnis erarbeitet wurde, war im Jahr 2018. Mit dem Einbruch der Aktienmärkte im Dezember war damals das gesamte Jahresresultat negativ geworden. Mit minus 2,3 Prozent war der Rückgang aber deutlich weniger stark als 2022.

Mit dem Rückgang der Gelder im Fonds schrumpft auch das Guthaben der Rentenreserve insgesamt. Sie beträgt nun 24,54 Milliarden Euro, nach 27,08 Milliarden im Vorjahr. Die gesamte angesparte Geldreserve würde ausreichen, um während 4,29 Jahren alle versprochenen Rentenleistungen zu zahlen. Diese beliefen sich zuletzt auf 5,73 Milliarden Euro. Ende 2021 hätte das Geld in dem Topf noch gereicht, um während 5,16 Jahren alle Rentenansprüche zu zahlen.

Die Rentenreserve besteht für den größten Teil aus dem Pensionsfonds (23,5 Milliarden Euro). Hinzu kommen noch 1,05 Milliarden Euro (Vorjahr: 993 Millionen Euro), die direkt von der Nationalen Rentenversicherungsbehörde CNAP verwaltet werden.

4,29 Jahre Rentenleistungen

Die vom FDC verwalteten Gelder sind aufgeteilt in 21,91 (Vorjahr: 24,6) Milliarden im Fonds selbst und 1,58 (Vorjahr: 1,48) Milliarden in Form von Immobilien, Krediten und Anteilen an der „Société nationale des habitations à bon marché“ (SNHBM). Zu den Immobilien zählen die „Cité de la sécurité sociale“, „Nei Hollerich“ wie auch ein Noch-Industriegelände zwischen Diekirch und Erpeldingen/Sauer.

Dass auch der Wert des Fonds selber bis Ende 2022 um weniger als die erwähnten 3,15 Milliarden Euro geschrumpft ist, liegt daran, dass 480 zusätzliche Millionen Euro – an im Jahr nicht benötigten – Rentenbeiträgen in den Topf eingebracht wurden. Im Vorjahr waren es 375 Millionen Euro.

Hintergrund des starken Rückgangs ist, wie bereits erwähnt, die schlechte Entwicklung der an den Märkten angelegten Gelder. Wegen „hoher Inflation, geringen Wachstums, strafferer Geldpolitik und geopolitischer Risiken“ hatten sich die Finanzmärkte im vergangenen Jahr insgesamt nicht gut entwickelt, steht als Erklärung im Bericht. Starke Verluste hat der Fonds sowohl an den Aktien- (minus 13,06 Prozent) als auch an den Anleihemärkten (minus 14,53 Prozent) verbucht. Leicht positiv geblieben sind, dank steigender Zinssätze, die Geldmarktfonds. Als robuster erwiesen sich, mit einer Jahresperformance von 9,91 Prozent, allein die Immobilienfonds.

 
   

Der Luxemburger Rentenfonds steht mit dem schlechten Ergebnis nicht alleine da. Auch der bekannte norwegische Staatsfonds hat im vergangenen Jahr einen Rekordverlust (von 164 Milliarden Dollar) verbucht und spricht von einem „sehr ungewöhnlichen“ Jahr. Das war eine Rendite von minus 14,1 Prozent.

Für das laufende Jahr gibt sich der Luxemburger Rentenfonds eher vorsichtig. „Die Herausforderungen für 2023 bleiben groß“, heißt es.

Hervorgehoben in dem Jahresbericht wird derweil, dass sich der FDC im Laufe des Jahres eine neue Anlagestrategie für die Jahre 2023 bis 2027 gegeben hat. Diese werde immer nachhaltiger. So werde etwa die Zahl der Unternehmen, in die der Fonds nicht investieren darf, vergrößert durch die, die als nicht konform mit beispielsweise den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte eingestuft werden. Auch werde ein neuer Fonds-Teil geschaffen, der dem Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens gewidmet ist und der zwei Prozent des Fondsvermögens in die Infrastruktur der erneuerbaren Energien investiert.

Ein Schatz mit Ablaufdatum

Lange Zeit wurden Jahr für Jahr mehr Beiträge ins Rentensystem einbezahlt als Renten bezahlt wurden. Mit dem Überschuss wuchs die Rentenreserve an und der Fonds wurde geschaffen. In den kommenden Jahren soll sich, den offiziellen Prognosen zufolge, diese Situation jedoch verändern. Während sich die Zahl der Renteneintritte beschleunigt, verlangsamt sich das Wachstum der Zahl der Beschäftigten. Die Rentenausgaben steigen in der Folge also schneller als die Sozialbeiträge.

Laut den Berechnungen der „Inspection générale de la sécurité sociale“ (IGSS), wie sie sie Ende April 2022 in ihrem „bilan technique“ vorgestellt hat, sollen die monatlich bezahlten Rentenbeiträge bereits ab 2027 nicht mehr ausreichen, um die Auszahlung der Renten zu finanzieren. Es müsste dann damit begonnen werden, die in den letzten Jahren aufgebaute Rentenreserve anzuzapfen. Bei gleichbleibender Politik wäre die derzeit gut gefüllte Reserve bis 2047 komplett aufgebraucht.

Ähnliche Prognosen hat auch die Luxemburger Zentralbank (BCL) 2022 vorgestellt. „Unseren Berechnungen zufolge würde das allgemeine Rentensystem bis 2024 in der Gewinnzone bleiben, d.h. die Einnahmen würden die Ausgaben übersteigen. Die Reserve wird aus diesem Überschuss sowie aus den Zinsen, die die Reserve erwirtschaftet, gespeist. Ab 2024 würde das System defizitär werden.“
Mit kleinen Einschnitten wäre es noch möglich, das Defizit zwischen 2024 und 2033 mithilfe der aus der Reserve erwirtschafteten Zinsen auszugleichen, so die BCL. Ab 2034 würde das Defizit jedoch die Zinseinnahmen übersteigen und die Reserve würde dann zu schrumpfen beginnen. Bei unveränderter Politik würde die Reserve bis 2048 auf null sinken.


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20. Juli 2023 - 12.30

Auch das lässt sich noch schön reden