Monsieur le Président Emmanuel Macron applaudierte auf dem großen Podium der Tour de France in 1.520 Metern Höhe dem neuen Patron Jonas Vingegaard zu und zeigte sich mächtig beeindruckt. „Das war außergewöhnlich“, sagte der französische Staatschef nach einem denkwürdigen Tag in den Pyrenäen. Wohl wahr, denn Vingegaard machte am Donnerstag im Skiort Hautacam nicht nur wie einst sein dänischer Landsmann Bjarne Riis mit dem souveränen Etappensieg den wohl entscheidenden Schritt zum Gesamtsieg, sondern zeigte sich auch als wahrer Champion.
Es war ein Tag der großen Gesten – auf und neben dem Rad: Vingegaard, der nach einem Sturz von Rivale Tadej Pogacar in einer heißen Rennphase wie selbstverständlich wartete. Und der Slowene, immerhin Tour-Champion von 2020 und 2021, der dem Dänen unmittelbar nach dem Ende eines atemberaubenden Duells ehrlich gratulierte. Ein Tag, der viele Sieger hervorbrachte. „Das ist unglaublich. Ich habe vor der Etappe mit meiner Frau und meiner Tochter gesprochen und gesagt, dass ich gerne für sie gewinnen würde. Ich bin sehr stolz, dass ich das geschafft habe“, sagte Vingegaard.
Große Geste von Vingegaard
Bis es so weit war, lieferte die 18. Etappe vor allem ein großes Spektakel. Unentwegt attackierte der am Ende zweitplatzierte Pogacar schon am vorletzten Berg das Gelbe Trikot, ehe es auf der halsbrecherischen Abfahrt vom Col de Spandelles zum großen Drama kam. Erst verhinderte Vingegaard (25) mit einem gekonnten Manöver einen Sturz, dann kam sein Rivale aus Slowenien in einer Kurve zu Fall. Doch Vingegaard zeigte wahre Größe und wartete auf Pogacar. Kurz darauf war der 23-Jährige mit zerfetzter Radhose und aufgeschürftem Bein wieder am Hinterrad. Beide gaben sich die Hand. Erinnerungen an die Duelle zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong wurden wach.
„Er hat sich versteuert und ist in den Schotter gekommen. Natürlich habe ich gewartet“, sagte Vingegaard über die Schlüsselszene. Der Däne schnappte sich bei seiner Machtdemonstration auf der superschweren 18. Etappe mit mehr als 4.000 Höhenmetern außerdem das Bergtrikot quasi im Vorbeigehen. Nachdem der Däne alle Attacken seines Rivalen Pogacar pariert hatte, versetzte er ihm mit seinem Angriff 4,4 Kilometer vor dem Ziel den K.o. Schon 1996 hatte Riis in Hautacam letzte Zweifel am Tour-Triumph beseitigt – allerdings mit unerlaubten Mitteln, wie er später zugab.
64 Sekunden Vorsprung hatte Vingegaard am Ende, damit liegt er in der Gesamtwertung nun 3:26 Minuten vor Pogacar. Das dürfte reichen, um den zweiten dänischen Toursieg am Sonntag in Paris perfekt zu machen. Denn diesen Rückstand wird auch Alleskönner Pogacar im Einzelzeitfahren am Samstag kaum wettmachen können. Vom Gesamtsieg will der Mann in Gelb noch nichts wissen: „Wenn ich die nächsten beiden Tage überstanden habe, können wir reden.“
Damit steht die Tour erstmals seit 26 Jahren wieder im Zeichen von „Danish Dynamite“. Der Grand Départ erfolgte passenderweise schon in Kopenhagen, danach sammelten Vingegaard, Mads Pedersen und Magnus Cort Nielsen insgesamt vier Etappenerfolge ein. Zum Vergleich: Gastgeber Frankreich durfte noch gar nicht jubeln.
Jungels in der Ausreißergruppe
Luxemburg durfte bekanntlich auf der neunten Etappe durch den Sieg von Bob Jungels feiern. Der 29-Jährige schaffte es am Donnerstag in die Ausreißergruppe des Tages, die jedoch weit vor dem Ziel wieder eingeholt wurde. Jungels sorgte dann aber trotz viel verlorener Energie für maximale Schadensbegrenzung und fuhr mit 10:38 Minuten Rückstand als 23. über den Zielstrich. Damit überholt er in der Gesamtwertung Neilson Powless und rückt auf Platz 13 vor.
Viel besser als am Vortag erging es Kevin Geniets. Der Groupama-FDJ-Profi hatte zuvor mit einer Bronchitis zu kämpfen, kam am Donnerstag aber wieder an seine alte Form heran. Lange blieb er an der Seite seines Teamleaders David Gaudu, der am Ende als Fünfter über den Zielstrich fuhr und in der Gesamtwertung auf Platz 4 vorrückt. Geniets selbst wurde 52. auf 24:44 Minuten.
Für den erfolgreichsten Tour-Teilnehmer im Peloton ist dagegen das Rennen beendet. Chris Froome, der Sieger von 2013, 2015, 2016 und 2017, wurde positiv auf Corona getestet und musste das Rennen aufgeben. Das galt auch für den Spanier Imanol Erviti und den Italiener Damiano Caruso, womit die Tour insgesamt schon 15 Corona-Fälle vermeldete.
Nach den drei schweren Pyrenäen-Etappen dürfen die Stars der Branche am Freitag eine Verschnaufpause einlegen. Die 19. Etappe über 188,3 Kilometer von Castelnau-Magnoac nach Cahors verläuft größtenteils über flaches Terrain. (dpa/pg)
Im Überblick
18. Etappe: Lourdes – Hautacam (143,5 km):
1. Jonas Vingegaard (Dänemark/Jumbo-Visma) 3:59:50 Stunden, 2. Tadej Pogacar (Slowenien/UAE Team Emirates) 1:04 Minuten zurück, 3. Wout van Aert (Belgien/Jumbo-Visma) 2:10, 4. Geraint Thomas (Großbritannien/Ineos Grenadiers) 2:54, 5. David Gaudu (Frankreich/Groupama-FDJ) 2:58, 6. Alexej Luzenko (Kasachstan/Astana Qazaqstan Team) 3:09, 7. Daniel Felipe Martinez (Kolumbien/Ineos Grenadiers) gleiche Zeit, 8. Sepp Kuss (USA/Jumbo-Visma), 9. Alexander Wlassow (Bora-hansgrohe) 4:04, 10. Thibaut Pinot (Frankreich/Groupama-FDJ), … 23. Bob Jungels (Luxemburg/Ag2r-Citroën) 10:38, … 52. Kevin Geniets (Luxemburg/Groupama-FDJ) 24:44
Gesamtwertung nach 18 von 21 Etappen:
1. Vingegaard 71:53:24 Stunden, 2. Pogacar 3:26 Minuten zurück, 3. Thomas 8:00, 4. Gaudu 11:05, 5. Quintana 13:25, 6. Louis Meintjes (Südafrika/Intermarché-Wanty Gobert Matériaux) 13:43, 7. Wlassow 14:10, 8. Romain Bardet (Frankreich/Team DSM) 16:11, 9. Luzenko 20:09, 10. Yates 20:17, … 13. Jungels 42:23, … 52. Geniets 2:42:39 Stunden
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