Tageblatt: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach acht intensiven Tour-Tagen aus?
Christine Majerus: Mein Einstieg war etwas kompliziert. Am Tag vor dem Start bin ich im Training bei recht hoher Geschwindigkeit gestürzt und dann auf der ersten Etappe gleich noch einmal. Auf den ersten beiden Etappen ging es nur darum, mich durchzukämpfen. Es ist schon frustrierend, wenn man sich in guter Form befindet und dann aus diesem Grund im „Gruppetto“ mitfährt, wo man eigentlich nicht hingehört. Ich habe drei Tage daran geknabbert, mich körperlich zu erholen. Ab Mittwoch lief es dann besser. Ich konnte wieder gute Teamarbeit leisten und bin froh, dass ich die Tour in einer guten Form abschließen konnte. Mit meiner Leistung auf der Königsetappe habe ich mich selbst überrascht. Auch auf der letzten Etappe konnte ich Demi (Vollering) lange Zeit zur Seite stehen.
Mit den Ergebnissen dürfte Ihre Mannschaft SD Worx zufrieden sein …
Mit dem Team haben wir das erreicht, was wir wollten. Was die Gesamtwertung anbelangt, ist Demi (Vollering) leider auf eine Annemiek Van Vleuten gestoßen, die unantastbar war. Meine Teamkollegin hat ihre allerbeste Leistung abgerufen, mehr als Platz zwei war jedoch nicht drin. Zudem hat sie die Bergwertung zu ihren Gunsten entschieden und Marlen (Reusser) konnte eine Etappe gewinnen. Bis zum entscheidenden Wochenende haben wir die Mannschaftswertung angeführt. Leider musste Marlen (Reusser) das Rennen wegen einer Gehirnerschütterung verlassen und auch Ashleigh (Moolman) verzichtete auf den Start zur letzten Etappe. Dennoch war es schön, ein paar Tage mit dem gelben Helm unterwegs zu sein.
Ein großes Thema waren die vielen Stürze. Waren es mehr als bei den anderen Rennen?
Nein. In sämtlichen Rennen kommt es zu Stürzen, auch bei den Männern. Ich finde es ziemlich unfair, dass gesagt wurde, dass es so viele Stürze gegeben hat. Das war nämlich nicht der Fall. Auslöser war sicherlich der schlimme Zwischenfall, wo die Australierin in eine Gruppe gefahren ist. Dieser Sturz hat auch mich persönlich ziemlich schockiert. Dennoch bestehe ich darauf, zu sagen, dass es nicht mehr Stürze gab als sonst auch. Bei den Männern kam es ebenfalls an jedem Tag zu Stürzen. Auch sie kommen entweder aus eigenem Verschulden oder wegen äußeren Umständen zu Fall. Es ist derselbe Sport und das Risiko ist immer das gleiche. Für mich war dieser Hype in der Presse ziemlich daneben und hat das Interesse der Leute abgelenkt von dem, was eigentlich wichtig war, nämlich von dem interessanten und offenen Rennen, das von sehr vielen Zuschauern verfolgt wurde.
Wie haben Sie die Stimmung erlebt?
Die Stimmung war an allen Tagen, sowohl in den Start- und Zielorten als auch auf der Strecke, hervorragend. Zu Beginn hatte ich meine Zweifel daran, ob dies der Fall sein würde. Ich bin froh darüber, vermelden zu können, dass ich dies im Vorfeld unterschätzt hatte. Ich danke allen, die vorbeigeschaut haben, und hoffe, dass sie das Tour-de-France-Feeling spüren konnten. Meine Familie war ebenfalls vor Ort. Meine Nichte, die schon einige Rennen gesehen hat, hat diesmal große Augen gemacht. Für die Kinder ist ein solches Rennen Inspiration und Motivation zugleich. Auch das macht den Sport aus. Wir Fahrerinnen hatten alle eine tolle Woche und sind mit Sternen in den Augen nach Hause gefahren.
Welchen Anteil hatte Tour-Direktorin Marion Rousse am Erfolg der Tour de France?
Ich war Teamkollegin von Marion (Rousse). Ihre sportliche Karriere hat nicht lange gedauert. In Frankreich ist sie, nicht zuletzt wegen ihrer Beziehungen zu Tony Gallopin und Julian Alaphilippe, sehr populär. Wenn das „Bling-Bling“ dazu verhelfen kann, den Damen-Radsport zu fördern, dann geht das für mich in Ordnung. Durch ihre Popularität wurde zuletzt sehr viel vom Frauen-Radsport gesprochen. Unterwegs habe ich sehr oft „Marion, je t’aime“-Rufe gehört (lacht). Es ist natürlich auch von Vorteil, dass sie sich gut im Radsport auskennt.
Wird die Tour de France dem Frauenradsport den erhofften Schub geben?
Ich hoffe, dass der Radsport von der Tour de France profitieren kann. Anderen Veranstaltern hat die Rundfahrt gezeigt, dass es sich lohnt, in den Damen-Radsport zu investieren, da ein großes Interesse vorhanden ist. Darauf sollte man aufbauen, damit solche Rennen für die kommenden Generationen eine Selbstverständlichkeit sein kann.
Welche Rennen stehen als Nächstes für Sie auf dem Programm?
Am Wochenende bestreite ich zwei Weltcup-Rennen in Schweden. Am Samstag steht ein Mannschaftszeitfahren in Vargarda auf dem Programm. Tags darauf wird an gleicher Stelle ein Eintagesrennen über 125 km gefahren. Ich hoffe, dass ich mich bis dahin gut erholt habe, um eine gute Leistung abrufen zu können. Danach lege ich eine zweiwöchige Pause ein, um mich vom Giro und der Tour zu erholen. Anschließend steht die EM in München auf dem Programm, gefolgt von der Simac Ladies Tour in den Niederlanden, meinem letzten Wettbewerb vor der WM.
Kluckers wird Stagiaire beim UAE-Team Emirates
Arthur Kluckers ist seit dem 1. August Stagiaire beim UAE-Team Emirates. Das meldet directvelo.com. Der 22-jährige Luxemburger hat zuletzt im Trikot von Leopard Pro Cycling mit Etappensiegen bei der Tour d’Alsace und der Flèche du Sud auf sich aufmerksam gemacht. (jw)
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