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Luxemburgs Gegner Bosnien-Herzegowina im PorträtWenn drei sich streiten …

Luxemburgs Gegner Bosnien-Herzegowina im Porträt / Wenn drei sich streiten …
Noch immer der große Star der Bosnier: Edin Dzeko Foto: AFP/Marco Bertorello

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Bei der Pressekonferenz, bei der Bosniens Teamchef Ivaylo Petev das Aufgebot für die bevorstehenden Länderspiele bekannt gab, wollte ein Journalist wissen, weshalb keine stärkeren Gegner, keine klangvolleren Namen, ausgewählt wurden. Offensichtlich dachte er, Georgien und Luxemburg wären keine entsprechenden Herausforderungen für die Nationalmannschaft von Bosnien und Herzegowina, aktuell auf Platz 59 im FIFA-Ranking. Selbstüberschätzung ist jedoch nur das kleinste Problem rund um das Nationalteam und den Fußballverband von Bosnien und Herzegowina (NFSBiH).

Die große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit kommt daher, dass man sich, zu Recht, als Teil der großen Fußballtradition des ehemaligen Jugoslawiens sieht. Als, zum Beispiel, Jugoslawien bei der WM 1990 in Italien nur knapp den Einzug ins Semifinale verpasste (nach einer Niederlage im Elfer-Schießen im Viertel-Finale gegen Argentinien), war nicht nur der damalige Teamchef Ivica Osim ein Bosnier, es standen auch fünf bosnische Spieler im WM-Kader, darunter auch PSG-Star Safet Sušić.

Doch die Zeiten haben sich geändert und bislang gelang Bosnien, seitdem sie als unabhängiger Staat auftreten, in 13 Teilnahmen an einer EM oder WM-Qualifikation lediglich einmal (WM 2014) der Sprung auf die große Bühne. Böse Zungen meinen, es hätte damals nur deshalb geklappt, weil man unglaubliches Losglück hatte, mit Griechenland und Slowakei als den zwei stärksten Kontrahenten in der Gruppe.

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„Es ist schwer, Erfolge zu erwarten, wenn nicht das ganze Land hinter dir steht. Bei uns ist es leider so, dass die Serben Fans des serbischen Nationalteams sind, und auch die Kroaten empfinden Bosnien nicht als ihre Mannschaft.“ Der langjährige Mitarbeiter im NFSBiH, mit dem ich letzte Woche gesprochen habe, ersuchte mich, seinen Namen nicht zu erwähnen, aber was der Insider da sagte, wissen ohnehin alle, und dies ist seit fast 30 Jahren unverändert.

Die Situation ist bei weitem nicht so schlimm wie zum Beispiel in Zypern, wo das Nationalteam meistens in einem so gut wie leeren Stadion spielt, weil sich der Großteil der Fans mit Griechenland identifiziert. Im Gegenteil, bei Bosniens Qualifikationsspielen ist in Zenica, oder Sarajevo, zumeist volles Haus und eine tolle Stimmung. Und was Auswärtsspiele betrifft, zählen die treuen Fans aus der Diaspora zu den besten in Europa, in der Kategorie Nationalteams.

Trotzdem ist es sicherlich auch für die Spieler kein gutes Gefühl, zu wissen, dass Bosnien und Herzegowina ein gespaltenes Land ist. Zumal es auch im NFSBiH ständig politische Spannungen gibt. Auch im Januar 2021 gab es ein langes Tauziehen, bevor Ivyalo Petev zum neuen Teamchef ernannt wurde. Der Bulgare hatte die Unterstützung der serbischen Mitglieder im NFSBiH Exekutivkomitee, während Sergej Barbarez (Ex-Profi bei Dortmund und dem HSV) noch vor der Abstimmung auf der Strecke blieb.

„Es ist offensichtlich, dass ich schon lange kein Kandidat mehr bin und dass sie sich für einen anderen entschieden haben. Das ist auch besser so, denn, wie ich schon vorher sagte, habe ich nie und werde ich nie deren Spielchen mitmachen“, schrieb der enttäuschte Barbarez damals auf Instagram.

Es ist nicht leicht, Teamchef Bosniens zu sein. Vor allem aufgrund der politischen Situation.

Vahid Halilhodzic, Erfolgreichster Trainer des Landes

2011 sah sich sogar die FIFA gezwungen zu intervenieren und sperrte den NFSBiH, weil sich dieser weigerte, sein Statut zu ändern, bzw. auch weiterhin die merkwürdige Praxis aufrechterhalten wollte, drei Verbandspräsidenten gleichzeitig zu haben; jeweils einen Funktionär aus den drei Lagern. Erst nach zwei Monaten einigten sich die Fußball-Bosse in Sarajevo endlich, ihr Statut zu ändern, die Sperre wurde aufgehoben und seitdem gibt es „nur“ einen Verbandspräsidenten.

Da wundert es nicht, dass Bosniens erfolgreichster Trainer Vahid Halilhodžić noch nie Teamchef von Bosnien und Herzegowina war.

„Es ist nicht leicht, Teamchef Bosniens zu sein. Vor allem aufgrund der politischen Situation. Sie sehen ja, was sich abspielt, wo einige mit aller Kraft versuchen, den Staat zu vernichten. Es ist schwer, es allen recht zu machen, in sportlicher Hinsicht. Ich weiß, dass es bei der Auswahl der Spieler viel Einfluss von der Politik gibt. Unter solchen Umständen ist es schwer zu arbeiten“, erzählte Halilhodžić, aktueller Teamchef von Marokko, kürzlich in einem TV-Interview für den bosnischen Sender N1.

Trotz großer Schwankungen und enttäuschenden Resultaten hatte Bosnien und Herzegowina in der abgelaufenen WM-Qualifikation bis zum Endspurt noch eine realistische Chance, sich einen Platz im Play-off zu sichern. Aus den letzten zwei Spielen, beide daheim, benötigte man einen Sieg gegen Finnland und ein Unentschieden gegen die Ukraine. Der WM-Traum platzte bereits nach dem ersten Match nach einer miserablen Leistung und einer 1:3-Niederlage, wobei Finnland ab der 37. Minute mit zehn Mann spielte.

Miralem Pjanić sorgte damals für Wirbel; zuerst weil er nach einer katastrophalen Leistung ausgepfiffen wurde (als er nach 66 Minuten ausgewechselt wurde), und danach flog er aus dem Kader, nachdem er während des Lehrgangs in einem Café in Sarajevo gesichtet wurde. Die Sache ist mittlerweile vom Tisch, aber diesmal fehlt Pjanić aufgrund einer Muskelverletzung. Pjanić ist bekanntlich in Luxemburg aufgewachsen, spielte für die U17 und U19 und hätte auch für das Nationalteam Luxemburgs spielen können. Dann, jedoch, hätte er seinem Sohn wohl kaum erzählen können, dass er bei einer WM gespielt und sogar ein Tor erzielt hat. Von solchen glanzvollen Momenten ist Bosnien und Herzegowina gegenwärtig aber weit entfernt.

Auf die eingangs erwähnte Journalistenfrage über die vermeintlich unattraktiven Gegner wollte Teamchef Petev nicht näher eingehen. Er meinte lediglich, es wäre seine Entscheidung gewesen, es gab auch andere Optionen, allerdings als Auswärtsspiele, aber man wollte lieber zwei Heimspiele haben. Sämtliche Spieler sprachen bei den Medienterminen im Laufe der Woche von einer hervorragenden Atmosphäre im Team und von einem Neubeginn.

Vor nur 1.500 Fans gab es am Freitagabend gegen Georgien mit einer 0:1 (0:0) Niederlage wieder eine herbe Enttäuschung für Džeko und Co. Ein Neubeginn sieht anders aus. Vielleicht klappt es ja gegen Luxemburg.