„Ich bilde mir ein, ich sei in Spanien“, antwortete der dreifache Vuelta-Sieger Primoz Roglic einem jungen Journalisten, als dieser Mitte vergangener Woche wissen wollte, wie der Slowene dem Pech, das ihn in den letzten Jahren in Frankreich verfolgte, zu entweichen gedenke. Im Jahr 2020 hatte Roglic die Tour de France auf der letzten Etappe verloren, danach Paris-Nice 2021 durch zwei schwere Stürze am Schlusstag aus der Hand gegeben und vier Monate später auch die große Tour nach einer unliebsamen Bekanntschaft mit dem Boden verletzt verlassen müssen.
Um die Pechsträhne auf französischem Boden zu unterbinden, impfte Roglic sich bei Paris-Nice 2022 seine „spanische Denkweise“ ein, die ihn bisher dreimal hintereinander (2019, 2020, 2021) zum Erfolg bei der Vuelta führte.
Van Aerts große Show
Der 32-Jährige (geb. am 29. Oktober 1989 in Zagorje ob Savi), der 2020 den Klassiker Liège-Bastogne-Liège und 2021 die Goldmedaille im Zeitfahren bei den olympischen Spielen von Tokio gewann, hatte noch nie eine Rundfahrt in Frankreich davongetragen, dafür aber schon eine Reihe Etappenrennen in andern Ländern. So neben der Vuelta noch die Aserbaidschan-Tour (2015), die Slowenien-Rundfahrt (2015, 2018), die Volta ao Algarve (2017), die Baskenland-Rundfahrt (2018, 2021), die Tour de Romandie (2018, 2019), die UAE-Tour (2019) und Tirreno-Adriatico (2019).
Im Überblick
Paris-Nizza
7. Etappe: Nizza – Col de Turini (155,2 km):
1. Primoz Roglic (Slowenien/Jumbo-Visma) 4:02:47 Stunden, 2. Daniel Felipe Martinez (Kolumbien/Ineos Grenadiers) gleiche Zeit, 3. Simon Yates (Großbritannien/Team BikeExchange-Jayco) 0:02 Minuten, 4. Nairo Quintana (Kolumbien/Arkea Samsic) 0:09, 5. João Almeida (Portugal/UAE Emirates), 6. Brandon McNulty (USA/UAE Emirates) 0:25,… 26. Alex Kirsch (Luxemburg/Trek-Segafredo) 7:30,
DNS Kevin Geniets (Luxemburg/Groupama-FDJ)
8. Etappe: Nice – Nice (115,6 km):
1. Yates 2:52:09 Stunden, 2. Wout van Aert (Belgien/Jumbo-Visma) 0:09, 3. Roglic 0:09, 4. McNulty 1:44, 5. Soren Kragh Andersen (Dänemark/DSM), 6. Stefan Küng (Schweiz/Groupama-FDJ) alle gleiche Zeit, … 20. Kirsch
Endstand in der Gesamtwertung nach 8 Etappen:
1. Roglic in 29:19:15 Stunden, 2. S. Yates 0:29, 3. Martinez 2:37, 4. A. Yates (Großbritannien/Ineos) 3:29, 5. Quintana 3:43, 6. Jack Haig (Australien/Bahrain-Victorious) 3:51, … 22. Kirsch 25:52
Dass es diesmal mit dem Sprung aufs höchste Treppchen des Podiums klappte, hat Roglic vor allem sich selbst, aber auch seiner Mannschaft Jumbo-Visma zu verdanken. Am Samstag, auf der schweren 155,2 km langen Etappe zum Col de Turini, fuhr der Slowene dank einer taktischen Meisterleistung auf den letzten Kilometern zu seinem ersten Etappenerfolg in dieser Saison. Und gestern ließ er sich, bei Regen, Wind und Kälte (6 Grad), gut abgeschirmt von seinem Team, durch das bergige Hinterland von Nice führen, ehe er in der finalen Auseinandersetzung am Col d’Eze die Ruhe bewahrte und nicht in Panik verfiel. Auf den letzten 20 Kilometern hing der Sieg des Slowenen zwar am seidenen Faden, doch für den angriffslustigen Briten Simon Philip Yates blieb am Ende nur der mehr als verdiente Etappensieg übrig.
Roglic profitierte gestern vor allem von der Frische seines Mannschaftskollegen Wout van Aert, der eine große Show abzog und sich dabei (mit Erfolg) für die kommenden Klassiker testete. Ein bisschen spielte auch das Glück des Tüchtigen mit, als Roglic bei zwei waghalsigen Manövern in der Abfahrt der Côte de Peille auf dem Fahrradsattel sitzen blieb. Er schloss die Rundfahrt mit 29 Sekunden Vorsprung auf Simon Yates ab, während der Kolumbianer Daniel Felipe Martinez (3. auf 2‘37“) das Podium vervollständigte.
„Ich hatte mir die Aufgabe nicht so schwer vorgestellt“, meinte Roglic im Ziel. „Es war eine nervöse, aufreibende Etappe. Ich war müde und am Schlusstag nicht in der allerbesten Verfassung. Deshalb bin ich meinem Mannschaftskameraden Wout van Aert zu Dank verpflichtet. Er war in Superform und fuhr ein großartiges Rennen. Ohne ihn und mein Team hätte ich meine Ziele wohl kaum erreicht. Als Simon Yates 20 Sekunden Vorsprung hatte, versuchte ich, cool und konzentriert zu bleiben. Ich bin überglücklich, dass es endlich geklappt hat. Vielleicht kann ich Van Aert am Samstag bei Mailand-Sanremo etwas zurückgeben.“
Zur falschen Zeit
Von den beiden Luxemburgern, die bei Paris-Nice am Start waren, sah nur Alex Kirsch das Ziel am „Quai des Etats-Unis“. Der Fahrer von Trek-Segafredo beendete das Rennen auf dem 22. Rang mit 25‘52“ Verspätung auf Sieger Primoz Roglic. Er klassierte sich damit als zweiter Fahrer seiner Mannschaft. Nur Kapitän Bauke Mollema (18. auf 19‘02“) war besser als der Luxemburger.
Am Samstag traf Kirsch auf dem Col de Turini in einer Gruppe mit dem Amerikaner Matteo Jorgensen, dem Australier Rohan Dennis, dem Österreicher Gregor Mühlberger und dem Holländer Steven Kruijswijk als 26. mit 7‘30“ Rückstand ein. Gestern gehörte Kirsch in der Côte de Châteauneuf zu den ersten Angreifern. Auch in der Côte de Berre-les-Alpes war der Fahrer mit der Startnummer 104 immer wieder vorne anzutreffen. Er schloss die Etappe als bester Trek-Fahrer auf dem 20. Rang mit 6‘34“ Verspätung auf den Sieger ab. Gleich hinter ihm klassierte sich sein Teamkollege Jasper Stuyven.
Kevin Geniets, der zweite Luxemburger Teilnehmer an Paris-Nice, hatte am Samstag das Unglück, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Als Geniets so gegen zehn Uhr mit seinem Team auf dem schmalen Weg zum Einschreibepodium fuhr, warf ein plötzlicher Windstoß zwei große Sponsorentafeln um. Eine davon fiel auf den Luxemburger Fahrer und begrub ihn unter sich.
Zum Glück kam Geniets mit dem Schrecken davon, doch klagte er über heftige Schmerzen am linken Knöchel. Der Luxemburger kauerte eine Zeitlang an den Absperrungen und wurde dort behandelt. Dr. André Chaumont vom „Service médical“ versuchte, die Schmerzen am Fuß zu lindern. Schließlich startete Geniets drei Minuten nach den andern, ließ es dann aber sein, weil er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war.
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