Vor zwölf Monaten war Primoz Roglic der große Held von Paris-Nice, am Ende aber die traurige Gestalt und der große Pechvogel eines Rennens, das er tagelang nach Strich und Faden dominiert hatte.
Der dreifache Etappensieger der letztjährigen „Course au Soleil“ verspielte auf der verkürzten Schlussetappe von Le Plan-du-Var nach Levens (93 km) alles außer seinem Grünen Trikot, das man ihm als Punktebestem nicht auf dem Podium überstreifen konnte, weil er gerade in ärztlicher Behandlung war.
Roglic, der die letzte Etappe mit dem „Maillot jaune“ des Leaders in Angriff genommen hatte, verlor wie im Jahr 2020 bei der Tour de France im Schlussteil seine Führungsposition, diesmal aber nicht auf sportliche Manier, sondern durch doppeltes Pech.
Den „Turini“ hinauf
Zuerst stürzte er nach knapp 23 km, stieg mit zerrissener Hose und zerschundenen Hinterbacken wieder aufs Rad und schaffte es zurück ins Peloton. Wer geglaubt hatte, außer Prellungen und Schmerzen am Körper wäre der Slowene mit dem Schrecken davongekommen, wurde eines Besseren belehrt.
Auf der letzten der drei Runden im Hinterland von Nice hatte Roglic urplötzlich einen Defekt an seiner Maschine. Ehe er das Rennen fortsetzen konnte, waren die andern auf und davon. Vorne griffen sowohl die Astana- als auch die Cofidis-Mannschaft dem Team Bora-Hansgrohe mit seinem Leader Maximilian Schachmann tatkräftig beim Tempobolzen unter die Arme, sodass Roglics Rückstand in der Steigung nach Levens ständig wuchs und der Schlusssieg mit einem Male in weite Ferne rückte.
Am Ende traf Roglic als 56. mit 3‘08“ Verspätung auf den dänischen Etappensieger Magnus Cort-Nielsen ein, im Gesamtklassement fiel er weit hinter den Gewinner Schachmann auf den 15. Platz mit 2‘26“ Abstand zurück.
Der Deutsche aus dem Bora-Hansgrohe-Team konnte seinen Gesamtsieg aus dem Jahr 2020 damit etwas überraschend wiederholen. Morgen ist Schachmann erneut am Start, sodass er zum erweiterten Kreis der Favoriten gezählt werden muss. An einen dritten Schlusserfolg in Nice aber glauben die wenigsten.
Die Etappen
Sonntag, 6. März: Mantes-la-Ville – Mantes-la-Ville (159,8 km)
Montag, 7. März: Affargis – Orléans (159,2 km)
Dienstag, 8. März: Vierzon – Dun-le-Palestel (190,8 km)
Mittwoch, 9. März: Domérat – Montluçon (13,4 km/EZF)
Donnerstag, 10. März: Saint-Just-Saint-Rambert – Saint-Sauveur-de-Montagut (188,8 km)
Freitag, 11. März: Courthézon – Aubagne (213,6 km)
Samstag, 12. März: Nice – Col de Turini/ La Bollène Vésubie (155,2 km)
Sonntag, 13. März: Nice-Nice (115,6 km)
Auf dem Weg in den Süden werden die Fahrer mit allen topografischen Schwierigkeiten, die ein Rennen bieten kann, konfrontiert. Nach drei Etappen für die Einpeitscher und Sprinter steht am Mittwoch ein 13,4 km kurzes Zeitfahren zwischen Domérat und Montluçon auf dem Programm. Danach folgt die schwere Etappe von Saint-Just-Saint-Rambert nach Saint-Sauveur-de-Montagut, bei der u.a. der Col de la Mure (33 km vor dem Ziel) erstiegen werden muss.
Spannend wird es am Schlusswochenende mit am Samstag der Bergankunft auf dem 1.607 m hohen Col de Turini. Der Anstieg in den Seealpen (14,9 km à 7,4%) ist vor allem von der Rallye Monte Carlo her bekannt. Schon vor drei Jahren mussten die Fahrer von Paris-Nice den „Turini“ ersteigen. Als Etappensieger schrieb sich der Kolumbianer Daniel Felipe Martinez Poveda ins Palmarès ein. Schlussgewinner wurde dessen Landsmann Egan Bernal, der sich momentan von einem schweren Unfall erholt. Viermal (1948, 1950, 1973, 2020) wurde der Berg auch in der Tour de France überquert, doch fand dort nie eine Ankunft statt.
Mit zwei Luxemburgern
Neben Primoz Roglic und Maximilian Schachmann melden auch einige andere Fahrer Ansprüche auf den Gesamtsieg an. So der Kolumbianer Nairo Quintana, die britischen Gebrüder Adam und Sean Yates, die Spanier Ion Izagirre, David de la Cruz und Luis Leon Sanchez, der Australier Ben O’Connor, der Amerikaner Brandon McNulty, die Franzosen David Gaudu und Guillaume Martin, der Kasache Alexey Lutsenko und, falls er starten darf, der Russe Alexandr Vlasov.
Dessen Landsmann Pavel Sivakov, der die doppelte Staatsangehörigkeit (Russland, Frankreich) besitzt, hat übrigens gestern von der UCI die Erlaubnis bekommen, fortan als Franzose an Rennen teilzunehmen. Sivakov, der nicht im Ineos-Team für Paris-Nice steht, peilt mit dieser Nationalität u.a. die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris 2024 an.
Am Start in Mantes-la-Ville sind morgen auch zwei Luxemburger Fahrer. Im Team von Groupama-FdJ macht Landesmeister Kevin Geniets erstmals mit der Fernfahrt in den Süden Bekanntschaft. Wegen eines positiven Corona-Tests verpasste er am vergangenen Wochenende die Auftaktrennen in Belgien. Zuvor aber hatte Geniets bei der „Tour des Alpes Maritimes et du Var“ mit vorderen Plätzen überzeugt. Er ist also in Frühform und dürfte eine wertvolle Hilfe für seine Leader sein. Neben dem Luxemburger schickt Groupama-FdJ-Chef Marc Madiot noch die Franzosen David Gaudu, Matthieu Ladagnous, Olivier Le Gac, Valentin Madouas, Rudy Molard sowie den Schweizer Zeitfahrspezialisten Stefan Küng ins Rennen.
Mit Alex Kirsch ist ein zweiter Luxemburger am Start. Der Trek-Segafredo-Fahrer bestreitet sein viertes Paris-Nice. Im Jahr 2019 beendete er die „Course au Soleil“ auf dem 76. Platz, 2020 stieg er auf der Etappe nach Valdeblore aus dem Rennen, und vor zwölf Monaten belegte er den 104. Rang mit 57‘59“ Rückstand auf den Gewinner Maximilian Schachmann.
Die Teamgefährten von Alex Kirsch sind der Franzose Tony Gallopin, die Belgier Jasper Stuyven und Otto Vergaerde, der Holländer Bauke Mollema, der Norweger Markus Hoelgaard und der dänische Ex-Weltmeister Mads Pedersen.
Paris-Nice 2022 – Fakten
* Paris-Nice wird 2022 zum 80. Mal ausgetragen. Das 4. Rennen der UCI World Tour beginnt mit einer hügeligen Etappe im Département Yvelines (159,8 km von Mantes-la-Ville nach Mantes-la-Ville). Es folgen 7 weitere Etappen mit einem Total von 1.196,4 km.
* Am Start sind 22 Mannschaften mit je 7 Fahrern: Ag2r Citroën Team (F), Alpecin-Fenix (B), Astana-Qazaqstan Team (KAZ), Bahrain Victorious (BAH), B&B Hotels KTM (F), Bora-Hansgrohe (D), Cofidis (F), EF Education-Easypost (USA), Groupama-FDJ (F), Ineos-Grenadiers (GB), Intermarché – Wanty-Gobert-Matériaux (B), Israel Premier Tech (ISR), Jumbo-Visma (NL), Lotto Soudal (B), Movistar Team (E), Quick-Step Alpha Vinyl Team (B), Team Arkea – Samsic (F), Team Bike Exchange Jayco (AUS), Team DSM (NL), TotalEnergies (F), Trek-Segafredo (USA), UAE Team Emirates (UAE).
* Mit dabei sind auch zwei Luxemburger Fahrer: Kevin Geniets (Groupama FdJ) und Alex Kirsch (Trek-Segafredo).
* Definitive Startliste erst am Samstagabend nach der Sitzung der sportlichen Leiter.
* Erster Sieger im Jahr 1933 war der Belgier Alphonse Schepers, letzter Gewinner der Deutsche Maximilian Schachmann (2021), der vor dem Russen Aleksandr Vlasov (auf 19“) und dem Spanier Ion Izagirre (auf 23“) gewann. Schachmann wiederholte damit seinen Sieg aus dem Jahr 2020. Vor ihm gewannen der Kolumbianer Egan Bernal (2019) und der Spanier Marc Soler (2018).
* Rekordsieger ist der Ire Sean Kelly mit sieben Gesamterfolgen hintereinander (1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988).
* Beste Gesamtplatzierung eines Luxemburgers: Frank Schleck 2. im Jahr 2009. Bei zwölf Teilnahmen fuhr er fünfmal unter die Top Ten.
* Eddy Merckx ist der Rekord-Etappengewinner. Er überquerte das Ziel 21-mal als Erster.
* Freddy Maertens gewann im Jahr 1976 sechs Etappen. Auch das ist Rekord. (P.L.)
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