Headlines

KolumnePetz Lahure über das CAS-Urteil in Sachen Contador, das Andy Schleck vor 10 Jahren zum Tour-Sieger machte

Kolumne / Petz Lahure über das CAS-Urteil in Sachen Contador, das Andy Schleck vor 10 Jahren zum Tour-Sieger machte
Die Tour de France am 21. Juli 2010 in Pau: Alberto Contador mit nachdenklicher Miene im Hotelgang – Andy Schleck bei der Pressekonferenz im Park des Novotel Pau-Lescar  Fotos: M.-P. Schock

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs („Court of Arbitration for Sport“ – CAS) in der Angelegenheit „CAS 2011/A/2384 UCI v. Alberto Contador Velasco & RFEC und CAS 2011/A/2386 WADA v. Alberto Contador Velasco & RFEC“ ist 96 Schreibmaschinenseiten stark und in englischer Sprache verfasst. Am 6. Februar 2012, also vor zehn Jahren, wurde es in Lausanne gesprochen. Für die Luxemburger Sportgeschichte war dieses Urteil von Bedeutung, denn es erkannte dem spanischen Radrennprofi Alberto Contador den Tour-de-France-Erfolg 2010 ab, den er rund 19 Monate zuvor erstrampelt hatte.

39 Sekunden

Ipso facto wurde Andy Schleck, der die Rundfahrt mit 39 Sekunden Rückstand auf dem zweiten Platz beendete, zum Gesamtsieger. Nach François Faber (1909), Nicolas Frantz (1927, 1928) und Charly Gaul (1958) war er der vierte Luxemburger, der seinen Namen ins Palmarès der größten Rundfahrt der Welt schrieb.

Am Dienstag, 29. Mai 2012 bekam Andy im „Chapito“ des Mondorfer Casino 2000 das „Maillot jaune“ von Tour-Direktor Christian Prudhomme übergestreift. Der kostbare Glücksmoment, den der Sieger auf dem obersten Treppchen des Podiums in Paris genießen darf, aber blieb ihm verwehrt. Den hatte ihm Dopingsünder Alberto Contador geklaut.

Mit 39 Sekunden Vorsprung, so viel, wie sein Gegner Andy Schleck auf der Etappe nach Bagnères-de-Luchon beim Kettenabsprung am Port de Balès einbüßte, wurde Alberto Contador am 25. Juli 2010 auf den Champs-Elysées in Paris als Sieger der Tour de France gefeiert. Es war der fünftgeringste Abstand zwischen den beiden Ersten in der Geschichte der Tour de France.

Zu ehrlich?

Ohne den Vorfall am „Balès“ wären Andy und Contador in Stunden, Minuten und Sekunden zeitgleich gewesen. In solch einem Fall hätte man die Tausendstelsekunden aus den beiden Zeitfahren (Prolog und Bordeaux-Pauillac) hinzugewertet. Schleck wäre mit 640/1000 vor seinem Rivalen geblieben.

Für die Spezialisten war Contador nicht der stärkste Fahrer der Rundfahrt, höchstens derjenige, der seine Kräfte am besten einteilte und am sparsamsten damit umging. Nur dreimal in drei Wochen sah man ihn für kurze Zeit in der Offensive. Zum ersten Mal beim Anstieg in Mende, als er Andy 10 Sekunden abnahm, zum zweiten im Port de Balès, als er von Andys Kettenabsprung profitierte, und zum dritten in der Steigung des Tourmalet, als er Andy zeigen wollte, dass es ihn auch noch gab.

Schleck begeisterte zeitweise durch offensives und spektakuläres Auftreten, doch fehlte ihm der sogenannte „Killerinstinkt“. Er war zu nett, zu brav, zu gutmütig, zu ehrlich. Gewiss sind das edle Eigenschaften, die einen wohlerzogenen jungen Mann auszeichnen. Im harten Profisport aber ist damit kein Blumentopf zu gewinnen. Dass Andy am Ende trotzdem Sieger der Tour 2010 wurde, verdankt er der Entscheidung am grünen Tisch.

Blickpunkt Pau-Lescar

Die einmalige Chance, die Rundfahrt auf sportlichem Wege zu gewinnen, wurde (zum Teil auch durch Pech) verpasst. Ein solcher Erfolg wäre wertvoller gewesen. Mit den Jahren aber fragt niemand mehr danach, wie wo was passierte. Es zählt dann nur noch der Name im Palmarès.

Am Ruhetag in Pau logierten sowohl die Astana-Mannschaft um Alberto Contador als auch das Saxo-Bank-Team mit seinem Leader Andy Schleck im Novotel Pau-Lescar am „Rond-point“ der Route de Bayonne. Dort erwartete man am Nachmittag des 21. Juli großes Gedränge, denn beide Teams setzten ihre Pressekonferenz auf 14.30 Uhr an.

Dann, urplötzlich, eine Änderung. Alberto Contadors Frage-und Antwort-Spiel mit den Medien würde nicht stattfinden, ließ Presseattaché Jacinto Vidarte wissen. Der Tour-Leader hätte am Vortag im Interviewraum alles gesagt, was zu sagen wäre.

Die Pressevertreter mussten sich also nicht in zwei teilen, als sie durch die Eingangstür des Novotel schritten. „Alle zu Schleck“, hieß die Devise. Und deshalb war die riesige Parkanlage hinter dem Hotel überfüllt mit Journalisten, Fotografen und vielen, die dort nichts, aber auch gar nichts zu suchen hatten.

Steak à la Clenbuterol

Was zu dem Zeitpunkt niemand wusste: Alberto Contador musste sich am Ruhetag einer Dopingprobe unterziehen. Nach Schlecks Pressekonferenz lief er mir im Hotelgang vor die Füße, ein Wort war ihm nicht zu entlocken. Einen Monat später (23.8.) reichte das Anti-Doping-Laboratorium von Köln seinen Untersuchungs-Bericht an die UCI weiter, aus dem hervorging, dass sich in Contadors Urin Clenbuterol befand. Dieser Wirkstoff wird zur Behandlung von Asthma eingesetzt, teilweise aber auch als Dopingmittel missbraucht.

Da die B-Probe am 8. September 2010 das Ergebnis der A-Probe bestätigte, allerdings mit dem Hinweis, dass es sich um eine geringe Menge der verbotenen Substanz handelte, wurde die Welt-Antidoping-Agentur mit der Angelegenheit betraut. Contador selbst ging am 30. September in die Offensive und teilte mit, dass er am Ruhetag in Pau aus Spanien importiertes Fleisch von gemästetem Vieh gegessen habe und die positive Dopingprobe aus einer Lebensmittelverunreinigung resultiere. Allerdings berichteten Medien von Kunststoffpartikeln im Urin, die auf eine Bluttransfusion hindeuteten. Das aber bestritt der Spanier.

Das lange Warten

Die ganze Affäre schob sich unendlich lange hin. Zuerst schlug der Spanische Radsportverband eine einjährige Strafe vor, verzichtete dann aber darauf, Contador zu sperren. Der Beschuldigte, der inzwischen zum Saxo-Bank-Team gewechselt war, durfte wieder Rennen fahren. Er gewann die Murcia-Rundfahrt und danach sogar den Giro. Die Tour 2011 beendete er an 5. Stelle.

Die Verhandlungen um die Clenbuterol-Affäre wurden immer wieder vertagt, bis es vom 21.-24. November 2011 vor dem Internationalen Sportgerichtshof endlich zu den Plädoyers kam. Am 6. Februar 2012 wurde Contador mit einer (teilweise rückwirkenden) Zweijahressperre bis zum 5. August 2012 belegt. Der Tour-Sieg 2010 und der Giro-Erfolg 2011 wurden ihm aberkannt.

Zusammenfassend kam das Gremium, dem der Israeli Efraim Barak (Präsident), die Schweizer Quentin Byrne-Sutton und Ulrich Haas (Mitglieder) sowie der Holländer Dennis Koolard (Ad-hoc-Schreiber) angehörten, zu dem Schluss, dass der positive Test des Rennfahrers auf Clenbuterol mit größerer Wahrscheinlichkeit durch die Einnahme eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels verursacht wurde als durch eine Bluttransfusion oder die Einnahme von verunreinigtem Fleisch.

Eine Straftat

Im Dokument steht u.a., dass Dr. Ashenden, Mitglied des UCI-Expertengremiums für den Blutpass, nach der Analyse von Contadors Parametern aus den Jahren 2005-2010 anormale Blutparameter während der Tour de France 2010 feststellte, auch wenn keine Blutmanipulationen nachgewiesen werden konnten. Außerdem wurde in Contadors Urinprobe vom 20. Juli 2010, dem Tag vor der Probenahme, eine extrem hohe Konzentration von Phthalaten (Zusatzstoffe, die bei der Herstellung von Kunststoffprodukten wie Beuteln zur Aufbewahrung von Blut und Blutbestandteilen verwendet werden) ermittelt.

Die in Contadors Probe vom 20. Juli 2010 enthaltene Phthalatkonzentration war zehnmal höher als die in den anderen Proben festgestellte Höchstkonzentration. Laut Dr. Hans Geyer, dem stellvertretenden Leiter des Kölner Labors, wird eine ähnliche Konzentration nach einer Bluttransfusion gefunden. Contador konnte nicht belegen, dass er das spezifische Steak, auf das er sich für die Fleischkontamination bezog, auch wirklich zu sich nahm und dass dieses Steak die verbotene Substanz enthielt.

Nicht der Erste …

Außerdem ist die Verwendung von Clenbuterol in der Tiermast nach europäischem Recht verboten. Die Tiere werden streng kontrolliert, und in Spanien (von wo Contadors Steak stammen sollte) stellt die Verwendung von Clenbuterol bei Tieren sogar eine Straftat dar. Der Beweis wurde also nicht erbracht, dass der Athlet ohne Schuld gehandelt hatte.

In der Tourgeschichte ist Schleck Junior nicht der Erste, der im Nachhinein zum Toursieger erklärt wurde. Als zweiter Fahrer promovierte er aufs oberste Treppchen, weil dem angeblichen „Sieger“ die Einnahme von unerlaubten Mitteln nachgewiesen werden konnte.

Drei Jahre vor Schleck wurde der Amerikaner Floyd Landis, der Gewinner von 2006, nach langwierigen Prozeduren wegen Testosterondopings offiziell vom Sockel gestoßen und der Zweite, der Spanier Oscar Pereiro, zum Gesamtsieger erklärt. Pereiro stürzte später schwer, er verschwand in der Radsportversenkung und versuchte es danach mit Fußball. Ihn kennen heute nur noch die wenigsten.

Die Tour lebt

Ein anderes Beispiel gefällig: Im Jahr 1904, die Tour steckte noch in den Kinderschuhen, wurden die ersten vier des Gesamtklassements (Maurice Garin, Pothier, César Garin und Aucuturier) am 30. November, also über vier Monate nach Ende der Tour, von der Technischen Kommission der „Union Vélocipédique de France“ wegen „Violation de règlements“ disqualifiziert und der Fünfte, Henri Cornet, zum Sieger ausgerufen.

Dieser Geschichte widmete der französische Radsporthistoriker Jacques Seray übrigens ein Buch mit dem Titel: „1904: Ce Tour de France qui faillit être le dernier“. Seitdem sind fast 120 Jahre vergangen. Die Tour hat alle Rückschläge weggesteckt. Sie lebt noch, und wie!

josy.mersch.lu
7. Februar 2022 - 16.02

Ein Rinderzüchter und sein Metzger waren schuldig !

Auch für die weichen Plastikteile in den Analysen die von Tranfusionenbeutel stammten ?
War damals in der T.d.F. zur Stelle wo bis zum Zeitfahren bei Bordaux ganz neutral unser Andy dauernd jeden Tag der stärkste war. Contador hat im täglichen Duell nur gepokert mit einem Andy SCHLECK der darauf, leicht gesagt, reinfiel !
Gewonnen am grünen Tisch heisst vor allem im Radsport auch gewonnen !
Guter Artikel von Petz LAHURE, dies bleibt pure und reine Radsportgeschichte.

HTK
6. Februar 2022 - 10.58

Die Tour lebt mit und von Überfliegern wie Armstrong,Wiggins,Riis,Contador,Froome,Virenque,Ullrich,etc.etc.
Heute heißen sie Roglic und Pogacar,beide aus slowenischer Schule und beide fahren der gesamten Elite einfach davon.
Da fragt man sich warum die Kontrolleure immer einen Schritt im Hintertreffen sind.Also ich schaue mir diese Apothekenrundfahrten nicht mehr an.