Mit der Entwicklung der Konjunktur in Luxemburg ist die „Chambre de commerce“, die offizielle Stimme der Unternehmen des Landes, zufrieden. Die Wirtschaftsleistung war 2020 nicht so stark eingebrochen wie in anderen Ländern, und auch die Erwartungen für das laufende Jahr seien, mit sechs Prozent, gut, so Carlo Thelen, Direktor der Kammer, am Donnerstag vor Journalisten. „Die Betriebe haben gut gearbeitet.“
Da man aber „noch immer nicht zurück in der Normalität angekommen“ sei, sei die wichtigste Herausforderung nun, den Wiederaufschwung zu stabilisieren, so Thelen. Herausforderungen gebe es genug: von den steigenden Energiepreisen über Schwierigkeiten in den Lieferketten bis hin zur Verfügbarkeit von Fachkräften. Zudem bleibe ungewiss, wie es mit der Pandemie weitergeht und was die Folgen der neuen internationalen Regeln zur Besteuerung von Unternehmen sein werden.
Stimmung hat sich leicht eingetrübt
Der positive Trend von vor ein paar Monaten sei heute eher eingetrübt, so der Direktor der Kammer. Wegen der zunehmenden Inflationsrate und der Störungen der Lieferketten befürchtet er eine Verunsicherung der Verbraucher. Auch klagt er, dass die Rentabilität der Unternehmen nicht ausreichend hoch sei, um derartige Schocks zu verdauen. Bei letzterem denkt er unter anderem an die Transport-Branche, die höhere Energiekosten und eine „bestrafende“ CO2-Steuer stemmen muss – für die es aber noch keine Möglichkeit gebe, auf effiziente, emissionslose Transportmittel zurückzugreifen.
Ob der geplante Staatshaushalt dabei hilft, diese Schwierigkeiten effizient anzugehen, bezweifelt die Kammer. Insgesamt freue man sich zwar über die hohen staatlichen Investitionen – bei wichtigen Punkten, wie etwa der Digitalisierung, der Wohnungspolitik und der Mobilität hätte man sich jedoch mehr erwartet, so Thelen. Diese Zurückhaltung riskiere, das weitere Wachstum zu bremsen, warnt er. Doch gerade dieses Wachstum brauche das Land, um die Herausforderungen der Zukunft zu stemmen.
Zu den Herausforderungen zählt die nicht nachhaltig gesicherte, langfristige Finanzierbarkeit des Rentensystems. Vielleicht sollte man darüber – kurzfristig – mal reden, so Thelen weiter. Die Risiken und die Herausforderungen, vor denen das Land steht, sind bekannt, so Chatelain. „Der Ausblick der Pensions-Ausgaben bis 2070 erlaubt keine Defizite. (…) Doch seit dem Jahr 2000 gehen die Überschüsse zurück“, fügt Christel Chatelain von der Handelskammer hinzu.
Schulden auf Rekordhoch gestiegen
Gedanken macht sich die Kammer in ihrem Avis auch über die stetig zunehmende Staatsschuld. „Luxemburg hat nur wenig Handlungsspielraum“, warnt Thelen. „Immerhin ist das Land abhängig von einem einzelnen Wirtschaftssektor. Und wenn da etwas schiefläuft …“ Die Verschuldungsquote sei wohl weiter unter 30 Prozent (zum BIP), befinde sich dennoch (in der Summe) auf einem absoluten Rekordhoch.
„2020 war ein außergewöhnliches Jahr“, so Christel Chatelain zu dem Defizit des Vorjahrs. Dass die Ausgaben damals außerordentlich hoch waren, sei der Krise geschuldet. „Doch auch in den folgenden Jahren sollen die Ausgaben weiter steigen“, sagt sie, und wirft die Frage auf, wie nachhaltig eine solche Tendenz sei. Beim Zentralstaat sind bis zum Ende des Planungszeitraums, 2025, Defizite vorgesehen.
Insgesamt müsse die Luxemburger Wirtschaft diversifizierter aufgestellt werden, fordert die Kammer. Doch dazu bräuchte man bezahlbare Wohnungen, mehr Investitionen in Forschung, ein attraktives Steuerumfeld, und verfügbare Fachkräfte, unterstreicht Chatelain. Gleichzeitig bedauert sie, dass die Regierung in ihren Reden zwar viel von hohen Investitionen in die Zukunft rede, diese vielerorts aber niedriger ausfallen würden als zuvor. Als Beispiele nennt sie die Forschung, wie auch die Anstrengungen zur Diversifizierung der Wirtschaft.
Auch von den Ankündigungen in puncto Digitalisierung, einer weiteren „Priorität der Regierung“, ist die Kammer nicht überzeugt. Man habe ein eigenes Ministerium für die Digitalisierung, aber jedes Ministerium koche seine eigene Suppe, so Chatelain. Zwischen den Ministerien gebe es derweil nur sehr wenig Koordination. Auch seien die eingesetzten Mittel – mit einem Prozent der Ausgaben – ziemlich bescheiden.
„Wir brauchen einen Plan“, fordert Carlo Thelen. „Defizite bleiben, die Staatsschuld steigt, doch höhere Steuern können wir uns nicht erlauben.“ Er plädiert unter anderem für eine selektivere Ausgabenpolitik. Auch warnt er, dass das System der Indexierung (Anpassung der Gehälter an die Preissteigerungen), sollte die Inflationsrate weiterhin so hoch bleiben, künftig wieder auf die Tagesordnung kommen könnte. Ideen, wie der Index umgebaut werden könne, habe die Kammer bereits.
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Wenn der Index angefasst wird, müssen wir definitiv alle auf die Strasse. Auch versteh ich den Satz "Doch gerade dieses Wachstum brauche das Land, um die Herausforderungen der Zukunft zu stemmen." nicht. Was sind denn die Herausforderungen der Zukunft? Die Bedürfnisse der Bürger sind Nahrung, Wohnung, Energie (Strom), Hygiene (Wasser), Strassen, Schulen und Gesundheit. Eigentlich brauchen wir nur Bauarbeiter, Bauern, Lehrer und Aerzte. Und bei normalen Politikern stehen die Bedürfnisse der Bürger an erster Stelle, nicht Herausforderungen. Welche Herausforderungen meinen sie also? Meinen sie das progressive Auseinanderdriften von Bedürfnissen der Bürger und Zielsetzung der Wirtschaft?
Ich dachte der Handel sei eh tot.